Betrachtungstext: 24. Dezember – Advent

Dank sagen für das Kommen Jesu – Die Gnade Gottes hat sich offenbart – Das Warten geht zu Ende

GEPRIESEN sei der Herr, der Gott Israels! Denn er hat sein Volk besucht und ihm Erlösung geschaffen (Lk 1,68). Mit diesen Worten bricht Zacharias nach neun Monaten des Schweigens in einen freudigen Lobpreis aus. Seine Botschaft lässt sich auf eine Kernaussage herunterbrechen: „Wie gut ist Gott!“

Das heutige Evangelium markiert den Abschluss der Zeit der Erwartung. Zacharias hat die Monate seines Schweigens nicht als Strafe verstanden, sondern als eine kostbare Gelegenheit, sich vorzubereiten auf das, was sein Sohn Johannes verkünden würde. Es war für ihn eine Zeit der Gnade, ähnlich wie der Advent eine Zeit der Vorbereitung ist. Vielleicht haben auch wir diese Tage unterschiedlich genutzt – mal besser, mal weniger gut. Doch eines ist sicher: Es ist gut, Gott zu danken, der in unserer Seele gewirkt hat – auch wenn sie uns manchmal wie ein armseliger Stall erscheint. Denn Gott hat in unseren Herzen einen Platz für seinen Sohn bereitet.

Einer alten Legende nach eilten die Hirten zur Grotte, nachdem Jesus geboren war, jeder mit einem Geschenk. Einige brachten die Früchte ihrer Arbeit, andere etwas Wertvolles. Während sich alle an Großzügigkeit übertrafen, stand ein Hirte etwas abseits. Er war so arm, dass er nichts hatte, was er geben konnte, und schämte sich. Während Maria und Josef Mühe hatten, die vielen Geschenke entgegenzunehmen – vor allem Maria, die das Kind halten musste –, sah Maria den Hirten mit leeren Händen dastehen. Sie bat ihn, näher zu kommen und legte Jesus in seine Arme. Der Hirte, der glaubte, nichts zu haben, hielt plötzlich das größte Geschenk der Geschichte in seinen Händen. Überwältigt betrachtete er seine Hände, die ihm immer leer erschienen: Sie waren zur Wiege Gottes geworden. Seine Scham wich einer tiefen Freude. Er fühlte sich geliebt, und begann, die Gabe, die zu groß war, um sie für sich selbst zu behalten, den anderen zu zeigen.1 


WENN DIR DEINE Hände leer erscheinen, wenn du dein Herz arm an Liebe siehst, so ist dies deine Nacht. Die Gnade Gottes ist erschienen, um in deinem Leben aufzuleuchten. Nimm sie an, und das Licht der Weihnacht wird in dir erstrahlen.“2 Tief in unserem Inneren wissen wir, dass unsere Hände nicht leer sind. Denn der heilige Josefmaria ermutigte uns, etwas sehr Kostbares mit nach Bethlehem zu bringen: „In dieser Kälte, mit seiner Mutter und dem heiligen Josef, ist das, was Jesus sich wünscht, was ihm Wärme spendet, unser Herz.3

Vielleicht wären wir ruhiger, wenn wir mit Händen voller guter Werke, Heiligkeit und Liebe zu unseren Mitmenschen vor die Krippe treten könnten. Doch die Realität bleibt oft hinter unseren Idealen zurück. Unser Alltag, geprägt von Verpflichtungen und Aufgaben, lässt uns die Zeit und den Blick für das Wesentliche manchmal verlieren. Doch das ist nicht entscheidend. Gerade so, wie wir sind, dürfen wir uns dem Stall nähern. Dort werden wir spüren, dass wir erwartet sind. Die Jungfrau Maria und der heilige Josef freuen sich unendlich, uns in diesem Moment unserer Geschichte zu empfangen, mit all unseren Unvollkommenheiten und Hoffnungen.

Das Heil ist da, nur wenige Stunden trennen uns von seiner Geburt. Und die Freude, die es mit sich bringt, beginnt bereits uns zu durchströmen. Der heilige Bernhard drückt diese Gewissheit in einmaligen Worten aus: „Unser Friede ist uns jetzt nicht mehr verheißen, sondern gesandt; nicht mehr aufgeschoben, sondern gewährt; nicht mehr prophezeit, sondern verwirklicht. Der Vater hat so etwas wie einen Sack voller Barmherzigkeit auf die Erde gesandt – einen Sack, der in der Passion reißen wird, sodass sich der Preis für unseren Loskauf, den er enthält, daraus ergießt; ein Sack, der zwar klein, aber jetzt schon sehr voll ist. Ja, ein Kind ist uns geschenkt – ein Kind, in dem die ganze Fülle der Gottheit wohnt.“4


DIE WORTE des Zacharias sind die letzte Prophezeiung, bevor sich unsere Erlösung endgültig vollzieht. Gott hat sich angesichts der Finsternis, in der wir lebten, erbarmt und kommt, nicht um zu verurteilen, sondern um zu retten – nicht weil wir vollkommen sind, sondern weil er uns liebt: Durch die barmherzige Liebe unseres Gottes wird uns besuchen das aufstrahlende Licht aus der Höhe (Lk 1,78). Es gibt kaum ergreifendere Worte, um das unbegreifliche Erbarmen Gottes zu beschreiben.

Dieses unvergleichliche Privileg könnten wir aber durch Zerstreuung verlieren, gerade jetzt, in diesen letzten Stunden vor der Geburt Christi. Oft lassen wir uns von unseren Gedanken, Philosophien oder Pflichten so einnehmen, dass uns der Weg zur Krippe weit erscheint. Wie leicht verstricken wir uns im „Gestrüpp unseres Denkens“, wie es Benedikt XVI. einmal sagte, und vergessen, den Blick auf Gott zu richten.5 Jetzt, da wir kurz vor Bethlehem stehen, wollen wir diesen letzten Abschnitt an der Hand der Jungfrau Maria zurücklegen – an der Seite des Esels, der sie trägt.

In dieser Nacht „tritt Gott in die Geschichte ein“, sagte der heilige Johannes Paul II. „Er unterwirft sich dem Gesetz des menschlichen Flusses. Er schließt die Vergangenheit ab: Mit ihm endet die Zeit des Wartens, der Alte Bund. Er eröffnet die Zukunft: den Neuen Bund der Gnade und der Versöhnung mit Gott. Er ist der neue ,Anfang‘ der Neuen Zeit.“6 Wir begleiten Maria bei den letzten Vorbereitungen: das Stroh, die Krippe, die Windeln… Alles geschieht mit Liebe, damit dem Kind nichts fehle. In diesen kleinen Diensten finden wir unsere Freude, denn wir spüren, dass Maria und Josef uns gewissermaßen brauchen möchten.


1 Erzählt von Papst Franziskus, Predigt, 24.12.2019.

2 Ebd.

3 Hl. Josefmaria, Im Zwiegespräch mit dem Herrn, „Zeit der Danksagung“, Nr. 2.

4 Hl. Bernhard, Erste Predigt der Epiphanie, 1-2.

5 Benedikt XVI., Predigt, 24.12.2009.

6 Hl. Johannes Paul II., Predigt, 1.1.1979.

Foto: Greyson Joralemon (unsplash)