JESUS gab seinen Jüngern einmal folgenden Rat: Eure Hüften sollen gegürtet sein und eure Lampen brennen! (Lk 12,35). Er bezog sich dabei zum Einen auf die Gepflogenheit der Juden, ihre weiten Gewänder um die Taille zu gürten, wenn sie reisten oder bestimmte Arbeiten verrichteten. Jesu Worte sind also eine Aufforderung an die Jünger, stets bereit zu sein – für eine Aufgabe oder einen Ortswechsel. Die Lampen zum Anderen wurden am Brennen gehalten, wenn ein Besuch erwartet wurde oder erhöhte Aufmerksamkeit gefragt war.
Mit diesen alltäglichen Bildern ermahnt der Herr seine Jünger zur Wachsamkeit. Diese Haltung ist notwendig, um Jesus treu zu bleiben bis zu seinem endgültigen Kommen. Aber wie Papst Franziskus erklärt, kann Wachsamkeit auch als „die normale Haltung verstanden werden, die wir im Leben einnehmen müssen, damit wir unsere guten Beschlüsse, die wir manchmal nach einem schwierigen Unterscheidungsprozess gefasst haben, beharrlich und konsequent umsetzen und Frucht tragen lassen“1. Es ist also die Tugend, die uns dazu befähigt, das Geschenk der Berufung, das Gott uns gegeben hat, zu bewahren und unser Handeln mit dieser Berufung in Einklang zu bringen.
Im Gegensatz dazu steht eine schläfrige Seele, die sich von ihrer Umgebung nicht herausfordern lässt und auf ihr eigenes Kontrollvermögen vertraut. Diese Schläfrigkeit kann uns, wie Papst Benedikt in seinem Jesusbuch schreibt, „in die Selbstgefälligkeit eines gesättigten Daseins“ führen. Er warnt davor, dass „diese Stumpfheit der Seele, dieser Mangel an Wachsamkeit, ... dem Bösen Macht in der Welt“2 gibt. Jesus fordert seine Jünger also nicht zu sorglosem Verhalten oder einem zufriedenen Rückzug auf, sondern zu ständiger Wachsamkeit, damit ihre Herzen stets auf ihn ausgerichtet bleiben. Diese Wachsamkeit wird sie auch zur Demut führen, da sie ihre Sicherheit nicht in sich selbst, sondern vor allem in Gott finden, der als Erster über uns alle wacht.
JESUS vergleicht diese erwartungsvolle Wachsamkeit mit der Haltung von Knechten, die auf die Ankunft ihres Herrn warten. Sie wissen, dass er früher oder später eintreffen wird und dass er sie nicht wie Diener behandeln wird, sondern wie seine Brüder: Er wird sie am Tisch Platz nehmen lassen und sie der Reihe nach bedienen (Lk 12,37). Christus versteht, wie Papst Benedikt schrieb, dass wir „die kleineren oder größeren Hoffnungen brauchen, die uns Tag um Tag auf dem Weg halten. Aber sie reichen nicht aus ohne die große Hoffnung, die alles andere überragen muss. Diese große Hoffnung kann nur Gott sein, der das Ganze umfasst und der uns geben und schenken kann, was wir allein nicht vermögen.“3 Jesus ist der Herr, auf den wir Christen warten. und der uns bei seinem Kommen ein Leben bieten wird, das unsere kühnsten Vorstellungen übetrifft.
Im Alltag setzen wir unsere Hoffnungen oft auf Dinge, die uns Freude bereiten, sei es ein Familienprojekt, eine sportliche Aktivität mit Freunden oder die Feier eines Festes. Darüber hinaus betont der Prälat des Opus Dei: „Die tägliche Begegnung mit Jesus im Tabernakel zu erwarten, wird ein Zeichen wahrer Liebe sein.“ Er fügt hinzu, dass wir unsere alltäglichen Erwartungen mit der Eucharistie verbinden können: „Den Tabernakel zum Zentrum und Höhepunkt unserer Erwartungen zu machen, ist ein sicherer Weg, um in der Liebe zu Christus zu wachsen.“4 Nur Jesus kann unsere tiefsten Sehnsüchte nach Glück erfüllen. Doch während wir seine Ankunft erwarten, können wir bereits in den Realitäten des täglichen Lebens Freude finden, wenn wir sie in Verbindung mit ihm erleben.
„ICH SPRECHE gern von einem ,Weg‘“, sagte der heilige Josefmaria, „denn wir sind Wanderer, die unterwegs sind in die himmlischen Wohnungen, in unsere Heimat. Doch bedenkt, dass dieser Weg, auch wenn er gelegentlich herausfordernde Passagen bereithält – sodass wir auch einmal einen Fluss durchwaten oder einen dichten Wald durchqueren müssen –, im Großen und Ganzen recht alltäglich ist und oft keine besonderen Überraschungen bietet. Die Gefahr besteht darin, sich an die Routine zu gewöhnen und zu glauben, dass Gott in diesen alltäglichen, scheinbar gewöhnlichen Augenblicken nicht gegenwärtig ist. Denn es ja ist so einfach, so gewöhnlich!“5 Tatsächlich kann uns die Monotonie manchmal blind machen für das, was uns wirklich geschenkt wird. Wenn wir Tag für Tag dieselben Dinge tun, neigen wir dazu, die tiefe Bedeutung von Arbeit, familiärem Alltag und Freundschaften zu übersehen. Doch gerade in diesen Momenten wartet Gott auf uns.
Der Apostel Paulus schließt seinen Brief an die Korinther mit den Worten: Seid wachsam, steht fest im Glauben, seid mutig, seid stark! Alles, was ihr tut, geschehe in Liebe (1 Kor 16,13-14). Diese Wachsamkeit hilft uns, Liebe in alles hineinzulegen, was wir tun. So wird jeder Tag neu und besonders, weil er Ausdruck einer stets erneuerten Liebe ist, die sich in den kleinen Handlungen des Alltags auf einzigartige Weise entfaltet und einen ewigen Wert erhält. Der heilige Josefmaria ermutigt uns: „Erfülle deine beruflichen Pflichten aus Liebe. Noch einmal: Tu alles aus Liebe. Und du wirst sehen, dass gerade durch diese Liebe – auch wenn du vielleicht Unverständnis, Ungerechtigkeit, Undank oder sogar Misserfolg erfährst – deine Arbeit ein Wunderwerk hervorbringt: reife Früchte, eine Saat der Ewigkeit.“6 Wir bitten Maria, unsere Mutter, dass sie uns hilft, die Routine zu überwinden, indem wir jede Handlung in einen Liebesakt für ihren Sohn verwandeln.
1 Franziskus, Audienz, 14.12.2022.
2 Benedikt XVI., Jesus von Nazareth, Teil II, S. 174.
3 Benedikt XVI., Spe Salvi, Nr. 31.
4 Msgr. Fernando Ocáriz, Im Licht des Evangeliums, Das Zentrum der Hoffnungen.
5 Hl. Josefmaria, Freunde Gottes, Nr. 313.
6 Ebd., Nr. 68.