Buchtipp: Die Lebenserinnerungen von Kardinal Meisner

Keine Abrechnung, keine Empfehlungen zur Kirchenpolitik, viel Anekdotisches aus seinem Leben – Kardinal Meisners Erinnerungen sind jetzt als Buch erschienen. Resümee: Es sind sympathische Blicke auf ein bewegtes Leben. Was nicht im Buch steht, ist am Ende vielleicht auch gar nicht so wichtig.

Mit einem seiner launigen Bonmots, wovon viele so sehr zum Predigtstil von Joachim Kardinal Meisner gehörten, sind auch seine im Juni 2020 veröffentlichten Lebenserinnerungen überschrieben: „Wer sich anpasst, kann gleich einpacken!“ Der real existierende Sozialismus ist hier gemeint, den er in seinen DDR-Jahren erlebt hatte, zuletzt als Bischof von Berlin (1980 – 1989), bevor er als Kardinal nach Köln übersiedelte. Geboren wurde er am 25. Dezember 1933 in Breslau, Niederschlesien. Er starb – vor drei Jahren – am 5. Juli 2017 bei einem Urlaub in Bad Füssing in Niederbayern. Die nüchternen Lebensdaten markieren wichtige Themen seiner Biografie, die von der Journalistin Gudrun Schmidt, ebenfalls einer Schlesierin und 33 Jahre beim WDR Reporterin, aufgezeichnet worden sind. In ihrem Nachwort fasst sie die Kernthemen der vielen Stunden Gespräch zusammen: „Notizen brauchte er nicht. ... Die Vergangenheit schien ihm wie der gestrige Tag: die Heimat Schlesien, die Entbehrungen und Nöte der Vertreibung, der mühsame Überlebenskampf als Flüchtling in Thüringen, sein unbeirrter Weg zum Priesteramt, seine Wirkungsstätten vom Kaplan in Heiligenstadt bis zum Erzbischof und Kardinal in Berlin und Köln.“ Und dann das abrupte Ende: „Eines Nachmittags meinte er, nun sei genug erzählt,“ hielt Gudrun Schmidt fest.

Dass die Biografie Anekdotisches bevorzugt, mag mit der Art ihrer Entstehung zusammenhängen. Um so sympathischer ist es, sie zu lesen. Wer gerne nochmals seine Einschätzung zu kirchlichen und politischen Entwicklungen gelesen hätte, wird in den Lebenserinnerungen nicht sehr fündig werden. „Der Leser wird … Aspekte finden, die ihm den Menschen, Priester, Bischof und Kardinal Joachim Meisner … erschließen,“ schreibt Testamentsvollstrecker Msgr. Markus Bosbach in seiner Einleitung.

Für den noch nicht Informierten Leser sind die vielen heimlichen Weihen von tschechischen Priestern in Berlin zu DDR-Zeiten sicher eine Überraschung. Hier wird deutlich, dass Kardinal Meisner viel für seine Kirche riskiert hat.

Die Kölner werden die Autobiografie vermutlich erst ab Seite 173 aufschlagen. Dort steht das Kapitel „Kardinal und Erzbischof von Köln“. Wir erahnen in der Rückschau erneut, welche Bedeutung sein Wechsel von Ost-Berlin nach Köln für den Fall der Berliner Mauer hatte. Wenn Papst Johannes Paul II. so die Kirche lenkt, dass er Kardinal Meisner vom Osten in den Westen schickt, dann wird die Teilung Deutschlands immer mehr zur Makulatur. Wir erfahren von der Audienz Meisners bei Woytila: „Du wirst der Erste von vielen Ostdeutschen sein, die in den Westen gehen. Und auch umgekehrt werden viele Westdeutschen in den Osten gehen. Das System kippt“, hatte ihm Johannes Paul II. gesagt. „Ich war wie vom Donner gerührt“, reagiert Kardinal Meisner. Und dann: „Das glaube ich nicht. Außerdem haben Sie das nicht ex cathedra gesagt, sondern nur ex Gartenstuhl,“ worauf er denn in Castel Gandolfo auch wirklich saß. Johannes Paul II. blieb bei seiner Bitte und meinte nur, er habe keine Geheimdienste, sondern er zeigte mit dem Finger gen Himmel: „Dort oben ist mein Geheimdienst!“ RK

Joachim Kardinal Meisner: Wer sich anpasst, kann gleich einpacken. Lebenserinnerungen. Aufgezeichnet von Gudrun Schmidt. Verlag Herder GmbH, Freiburg im Breisgau 2020, ISBN Print 978-3-451-39316-7, 254 Seiten


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