Warme Mahlzeiten für Helfer – der Gaskocher machte es möglich

In der Nacht des 14. Juli 2021 brach auch in der Erftgegend eine Flutkatastrophe über die Menschen herein. Wassermassen ergossen sich in Kreuzweingarten am geologischen Erftdurchbruch über das Land – der Fluss konnte die Menge nicht mehr fassen. Im Tagungshaus Hardtberg begann eine unruhige Nacht...

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Haus Hardtberg

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Stichwort Hochwasser

der Flut kam die Unsicherheit: Strom weg, Netz weg, totale Dunkelheit und seltsame Ruhe mit Ausnahme des Geräusches der reißenden Erft und des Regens. In der Flutnacht wechselten wir uns im Haus beim Wasserschippen ab, einige befreiten gemeinsam mit Nachbarn auf der Hubertusstraße die Gullis immer wieder von Geröll und leiteten das die Straße herunterströmende Wasser so, dass es nicht in die unterhalb liegenden Häuser fließen konnte… Mit Kerzen und Taschenlampen bewegten wir uns im Haus. Außenkontakte rissen ab, weil die Akkus der Handys schnell leer waren.

Ohne Strom – das heißt kein Handy, kein Licht, kein warmes Wasser

Am Morgen nach der Flutnacht arbeiteten wir mit Kerzenlicht und kochten das Kaffeewasser auf dem Gasherd, den wir Gott sei Dank noch hatten. Es kreisten Hubschrauber über uns... machten Bilder, die die Welt sehen konnte, nur wir nicht, da wir kein Netz / keinen Strom hatten… später erreichten uns besorgte Anrufe aus aller Welt…

Schlamm und Matsch – zerstörte Häuser und Straßen

Der Schlamm und Matsch landete in den Gärten, im Inneren der Häuser, in der Kleidung, überall… Sofort begannen wir damit, erst die Nachbarn und dann auch weitere Menschen im Dorf mit heißem Kaffee und einer warmen Suppe am Mittag zu versorgen. Es gestaltete sich nicht ganz einfach, weil die Straße, die zu unserem Haus führt, im unteren Teil nicht mehr bestand: die Asphaltdecke stand senkrecht, große Löcher taten sich auf…

Wer hatte überlebt, wer war mit der Situation heillos überfordert?

Wir gingen durch die Straßen mit frischem Kaffee und etwas zum Essen, um zu erfahren, ob und wie die Leute die Nacht überstanden hatten. So erfuhren wir, was am nötigsten gebraucht wurde und versuchten, Lösungen zu finden und Hilfe zu vermitteln. Dabei konnten wir schon sehen, welche Häuser bewohnt waren und ob dort Menschen wohnten, die mit der Katastrophe aus Altersgründen oder aus psychischen Gründen heillos überfordert waren. In einigen Fällen mussten wir den ärztlichen Notdienst benachrichtigen.

Eine warme Mahlzeit – die gab es jetzt nur im Schützenheim

Mittags haben wir heißen Eintopf vor dem ehemaligen Jugendheim angeboten. Es liegt an zentraler Stelle im Ort. Dort stellten wir auch Schilder auf und gaben durch Mundpropaganda bekannt, dass es ab sofort mittags immer eine warme Mahlzeit gebe (weil wir ja mit Gas kochen konnten, denn Strom hatten wir auch nicht). Ein Ehepaar, ebenfalls Betroffene, bauten außerdem ihren Grill auf und boten Würstchen an. Mit ihnen haben wir uns dann am nächsten Tag zusammengetan und damit begonnen, die Mahlzeiten gemeinsam zu organisieren. Dazu kam die angereiste Schwiegertochter eines betroffenen Ehepaares, die zwar nicht bei den schweren Arbeiten im Haus der Schwiegereltern mit zupacken konnte, aber sich sofort engagieren wollte und Verantwortung übernahm. So bildete sich ein Grüppchen Helfer, die ab jetzt jeden Tag dort ihre Hilfe anboten, wo sie konnten.

Fahrdienste waren jetzt sehr hilfreich

Auch ein vor kurzem erst zugezogenes Rentnerpaar fand sich ein und wollte etwas tun. Sie übernahmen Fahrdienste und auch den Essenstransport über einen schmalen Fahrradweg oder durch den Hardtwald, was einen ziemlichen Umweg bedeutete.

Die Hilfsgüter mussten jetzt sortiert und gelagert werden

Sehr schnell kamen auch Lebensmittel, Wasser, Kleidung, Hygieneartikel aus dem ganzen Bundesgebiet unangekündigt an. Der Schützenverein öffnete seine Türen und das ehemalige Jugendheim auch, um die Hilfsgüter zu lagern. Gemeinsam mit anderen Freiwilligen aus dem Ort, konnten wir ein Kleiderlager und Lebensmittellager errichten, ordnen und rund um die Uhr betreuen. Da Ferien waren, kamen auch bald Jugendliche und halfen in der Kleiderkammer beim Sortieren, oder auch beim Stapeln der Lebensmittel.

Ein ganz großes Geschenk: Die private Hilfsbereitschaft

Schützenheim und Jugendheim waren jetzt der Dorfmittelpunkt. Privatpersonen stellten Bierbänke und Tische zur Verfügung und ein Zeltdach. Den ganzen Tag über kamen und gingen die Menschen. Sie kamen – und kommen weiterhin – nicht nur um zu essen oder sich mit dem Nötigsten zu versorgen, sondern auch einfach nur, um zu sprechen. Viele lernten sich hier kennen, helfen sich jetzt gegenseitig und nehmen wieder intensiv am Schicksal der anderen teil, tauschen sich aus, erleben Gemeinsamkeit. Das war auch für uns Helferinnen ein ganz großes Geschenk!
Schließlich wurden wir zur offiziellen Not-Versorger-Stelle im Kreis deklariert.

Wasserflaschen vor der Tür – und viele zerstörte Autos

Hier auf dem Land muss man auch in normalen Zeiten mit dem Auto zum Einkauf. Jetzt waren viele Menschen ohne Auto, weil diese von der Flut weggeschwemmt waren und unbrauchbar sind. So waren – und sind immer noch – alle sehr froh, sich vor Ort mit dem Nötigsten versorgen zu können. Da das Leitungswasser fast drei Wochen lang nur abgekocht verwendet werden durfte, brachten wir mit anderen Helfern Sixpacks mit Wasser und stellten sie vor die Türen.

Diejenigen, die aus unterschiedlichsten Gründen nicht zur Notversorgung kamen, besuchten wir in ihren Häusern, brachten ihnen das Essen oder auch Kleidung, Powerbanks, damit sie ihr Handy wieder laden und mit den Verwandten Kontakt aufnehmen konnten. Am Abend des Tages gab es eine eigentümliche Atmosphäre im Dorf: es legte sich Müdigkeit, Dunkelheit und der Geruch der Benzin-Stromaggregate über das Flusstal…

Zentrale Info-Tafel für das Dorf errichtet

Wir errichteten eine provisorische Info-Tafel mit Hilfe eines Lattenrostes für wichtige Infos der Stadt, Kinderbetreuung, Seelsorge oder Tauschbörse…

Im Dorf begannen die Aufräumarbeiten in den Häusern, sobald sich das Wasser zurückgezogen hatte. Wir schauten, wo wir helfen konnten und legten mit Hand an. Immer wieder kamen auch Studentinnen vom International College Müngersdorf und Studenten von Schweidt und Althaus, um einigen Familien zu helfen. Außerdem galt es, unsere Straße zu säubern und die Gullis und Wasserrinnen erneut freizulegen.

Helfer aus ganz Deutschland wollten wissen, wo sie helfen können

Viele Leute hatten Hilfe von Familienangehörigen, aber viele waren auch vollkommen alleine. Wir vermittelten ihnen Helfer, die zum Teil aus ganz Deutschland kamen. In der Regel brachten wir sie zu den entsprechenden Wohnungen. Oft waren die Helfer technisch perfekt ausgestattet. Es war für uns alle sehr beeindruckend, die enorme Hilfsbereitschaft von wildfremden Menschen zu erfahren.

Drei Stromaggregate aus Bonn für Kühlschrank und Gefrierschrank

Am Samstag brachte uns ein Freund aus Bonn drei Stromaggregate, die wir an verschiedenen Stellen am Haus platzierten, um Licht in einigen allgemeinen Räumen und Strom für einen Gefrierschrank, einen Kühlschrank und diverse Küchenkleingeräte zu haben. Das erleichterte uns die Arbeit hier im Haus sehr!

Doch schon am Sonntag wurde unsere Straße wieder an das Stromnetz angeschlossen! Jetzt konnten wir weitere Hilfen anbieten, denn die beschädigten Häusern haben zum Teil heute noch keinen Strom.

Der Flutalltag geht weiter – mit Wäschewaschen und Duschen

Mit Schubkarre oder Skateboard transportieren wir schmutzige Wäsche nach Haus Hardtberg, um sie zu waschen und wieder zurück, auch wenn die Straße längere Zeit nur sehr schwer passierbar war. Mittlerweile wurde eine Behelfsstraße errichtet.

Außerdem konnten wir Duschen mit heißem Wasser anbieten!

Aufräumarbeiten halten weiter an

Jetzt scheint scheint wieder etwas Normalität eingezogen zu sein. Nachdem die Menschen Abschied von vielen Dingen, die Teil ihres Lebens waren, genommen haben, versuchen sie wieder, so gut es geht, den Alltag zu bewältigen. Keller und Parterre sind von allen Einrichtungsgegenständen befreit und entschlammt. In der Regel müssen die Böden raus und die Wände abgestemmt werden, alles wird auf Rohbau zurückgesetzt. Bautrockner sind im Einsatz, um die Feuchtigkeit aus den Wänden herauszubekommen. Solange Gutachter und Versicherungen – falls es welche gibt – nicht alles gesehen haben, kann es oft nicht weitergehen. Die Menschen möchten noch keine Investitionen tätigen, weil sie abwarten müssen, wie die Räume oder das ganze Haus eingestuft werden.

Die professionelle Hilfe ist vorbei – jetzt geht es mit der privaten weiter

Natürlich gab es auch professionelle Hilfe von Feuerwehr, Bauhof, THW, Rotem Kreuz und anderen. Die Notversorgerstelle wurde in den ersten zwei Wochen auch abends mit warmen Eintöpfen von verschiedenen Organisationen versorgt. Doch jetzt haben wir und auch einige Privatpersonen, die Versorgung wieder übernommen. Von den Mahlzeiten profitieren sehr viele private Helfer, die seit Wochen im Einsatz sind.

Durch die Flutwelle sind sich viele Dorfbewohner wieder nähergekommen und haben Freundschaft geschlossen. Gerade die zwischenmenschlichen Dinge sind das, was uns immer wieder tief bewegt.

Was fehlt jetzt noch?

Vergangene Woche haben wir an alle Flutopfer im Ort persönliche Briefe verteilt – insgesamt 73 -, worin wir ihnen anbieten, aufzuschreiben, was sie jetzt noch an tatkräftiger und/oder finanzieller Hilfe benötigen, um dann weitergehend zu helfen.

Einige Dinge brachten uns auch zum Schmunzeln, wie zum Beispiel Heiratsanträge von älteren Männern, oder ein dicker Blumenstrauß aus einem heilen Garten, den die Flut nicht mitgenommen hatte, oder eine Taxifahrerin, die erkannt hat, dass eine von uns als freiwillige Helferin unterwegs war und sie kostenlos im Taxi mitnehmen wollte...

Auch die "Erftmadonna", deren Bildstock ein Auto bei der Flut zerstört hatte, wurde unversehrt im nächsten Dorf wiedergefunden und steht seitdem in der Dorfkirche.

Es gäbe noch vieles zu berichten…

Team Haus Hardtberg

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