Wenn man sich bemüht den Glauben zu erklären, muss man bedenken, dass die Glaubenslehre und Frömmigkeit nur gemeinsam gedeihen [können] i. Das Wissen muss mit der Tugend, dem Verstand und den Gefühlen in Einklang gebracht werden. In diesem Bereich müssen die Eltern und die Erzieher stärker auf das harmonische Wachsen der Kinder achten als in anderen. Ein paar Frömmigkeitsübungen mit einem dünnen Anstrich der Glaubenskenntnis genügen nicht, ebenso wenig eine Glaubenslehre, die einen nicht in der Überzeugung stärkt, dass es notwendig ist, Gott die geschuldete Verehrung zu erweisen, mit ihm Umgang zu pflegen, den Forderungen der christlichen Botschaft nachzukommen und apostolisch tätig zu sein. Die Lehre muss Leben annehmen, muss zu Entscheidungen führen, darf nicht etwas vom täglichen Leben Losgelöstes sein, muss in Bindungen münden, muss einen dazu bringen, Christus und die anderen zu lieben.
Bei der Erziehung ist das anschauliche Beispiel, das lebendige Zeugnis der Eltern unersetzbar: das gemeinsame Beten mit den Kindern (beim Aufstehen, beim Schlafengehen, bei den Mahlzeiten); die entsprechende Bedeutung, die dem Glauben in der Familie gegeben wird (z.B. die Vorausplanung der Teilnahme an der Heiligen Messe in den Ferien oder die Wahl der geeigneten Urlaubsorte, die nicht zu starke Zerstreuungen anbieten); die natürliche Art und Weise, in der sie ihnen beibringen, wie man den Glauben verteidigt und weitergibt, wie man die Liebe zu Jesus verbreitet. So «erreichen sie die Herzensmitte ihrer Kinder und hinterlassen dort Spuren, die von den Ereignissen des späteren Lebens nicht ausgelöscht werden können» ii.
Man muss den Kindern Zeit widmen, denn die Zeit (...) ist Leben iii, und das Leben – das Leben Christi, der im Christen lebt – ist das Beste, was man ihnen geben kann. Die Eltern sollen mit ihnen spazieren gehen, Ausflüge organisieren, über ihre Sorgen und Schwierigkeiten reden. Bei der Weitergabe des Glaubens ist es vor allem notwendig, “da zu sein und zu beten" und, falls wir uns geirrt haben, um Verzeihung zu bitten. Aber auch die Kinder müssen Vergebung erfahren. Das wird ihnen das Gefühl geben, dass sie vorbehaltlos geliebt werden.
VATER VON BERUF
Benedikt XVI. sagte bei einer Ansprache: «Von klein auf brauchen die Kinder Gott, weil der Mensch von Beginn an Gott braucht, und sie haben die Fähigkeit, seine Größe wahrzunehmen; sie wissen um den Wert des Gebetes – des Sprechens mit diesem Gott – und der Riten ebenso zu schätzen, wie sie den Unterschied zwischen Gut und Böse intuitiv erfassen können. Wisst es also, sie im Glauben zu begleiten, in der Kenntnis Gottes, der Freundschaft mit Gott, in der Kenntnis der Unterscheidung zwischen Gut und Böse. Begleitet sie im Glauben schon vom zartesten Alter an» iv. Zu erreichen, dass es bei den Kindern zwischen dem, was man glaubt und dem was man tut, eine Übereinstimmung gibt, ist eine Herausforderung, der man sich ohne Improvisationen und mit einer gewissen beruflichen Haltung stellen muss. Die Glaubenserziehung muss gut überlegt und planmäßig erfolgen. Es geht um die Verkündigung einer Heilsbotschaft, die den ganzen Menschen angeht, und die im Kopf und im Herzen des Empfängers Wurzeln schlagen muss; und das bei den Personen, die wir am meisten lieben. Die Freundschaft der Kinder mit Jesus Christus ist hier im Spiel, und das verlangt, sich so gut wie möglich dafür einzusetzen. Gott rechnet mit unserer Bereitschaft, damit sie die Glaubenslehre kennenlernen, damit er ihnen seine Gnade schenken und in ihren Seelen Wohnung nehmen kann. Daher ist die Art der Verkündigung keine Sache, die der Glaubensvermittlung hinzugefügt wird oder nebensächlich ist, sondern sie gehört gerade zu ihrem Schwung.
Um ein guter Arzt zu sein genügt es nicht, einige Patienten zu behandeln. Man muss studieren, lesen, nachdenken, fragen, forschen und an Kongressen teilnehmen. Um Eltern zu sein, muss man sich Zeit nehmen, um sich zu fragen, wie man die eigene Erziehungsarbeit verbessern kann. In unserem Familienleben ist das Wissen wichtig, das Wissen zu handeln unerlässlich und das Handeln wollen entscheidend. Das kann schwer fallen, aber man darf sich nicht selbst betrügen und sich auf die anderen Aufgaben, die wir haben, ausreden. Es ist ratsam, sich täglich einige Minuten, oder einige Stunden in den Ferien, Zeit zu nehmen, um sich pädagogisch weiterzubilden.
Es mangelt nicht an hilfreichen Mitteln für diese Verbesserung: es gibt zahllose gut ausgerichtete Bücher, Videos und Internetseiten, wo Eltern Anregungen für eine Verbesserung der Erziehung finden können. Besonders gut geeignet sind Familienorientierungs-Kurse, die nicht nur Kenntnisse oder Methoden vermitteln, sondern helfen, den Verlauf der Kindererziehung und die Verbesserung des eigenen, des Ehe- und des Familienlebens zu überprüfen. Der Wunsch, die altersbedingten Besonderheiten der Kinder besser kennen zu lernen, wie auch die Umgebung, in der sich ihre gleichaltrigen Freunde bewegen, gehört zum normalen Verlangen, in Erfahrung zu bringen, was sie denken, was sie bewegt und was sie wissen wollen. Das hilft den Eltern letzten Endes sie besser kennen zu lernen und macht es leichter, sie bewusster und verantwortlicher zu erziehen.
DIE SCHÖNHEIT DES GLAUBENS ZEIGEN
Um zu erreichen, dass die Kinder den Glauben annehmen, muss man die verschiedenen Umstände nützen, damit sie die Übereinstimmung der menschlichen mit den übernatürlichen Gründen erkennen. Die Eltern und Erzieher müssen natürlich Ziele vorgeben, aber dabei auf die Schönheit der Tugend und eines erfüllten christlichen Lebens hinweisen. Daher ist es notwendig, ihren Horizont zu erweitern und ihnen nicht nur zu sagen, was verboten und wozu man verpflichtet ist. Würden wir das nicht tun, könnte sich der Gedanke aufdrängen, dass der Glaube eine harte und kalte Gesetzessammlung ist, die einen einschränkt, oder eine einfache Aufzählung von Sünden und Vorschriften. Unsere Kinder hätten letztlich nur das steile Stück des Weges vor Augen und nicht die Verheißung Jesu: "Mein Joch ist sanft" v. Bei der Erziehung muss einem vielmehr deutlich bewusst sein, dass die Gebote des Herrn den Menschen festigen, ihn auf eine höhere Entwicklungsstufe heben. Sie sind keine gefühllosen Verneinungen, sondern Handlungsanstöße, um das Leben, das Vertrauen und den Frieden in den Familien- und Gesellschaftsbeziehungen zu schützen und zu fördern. Es geht darum, Jesus auf dem Weg der Seligpreisungen nachzuahmen.
Es wäre daher ein Irrtum, “übernatürliche Beweggründe" mit der Erfüllung von Aufträgen, Aufgaben oder “Pflichten", die einem schwer fallen, zu verknüpfen. Es ist zum Beispiel nicht gut, sich damit zu behelfen, dem Kind zu sagen, es soll dem Herrn ein Opfer bringen, um es aufzufordern, die Suppe zu essen. Abhängig von seinem Frömmigkeitsleben und seinem Alter kann das angebracht sein, aber man sollte andere Begründungen suchen, um es dazu zu bringen. Gott darf nicht der “Gegenspieler" der Launen werden. Man sollte vielmehr darauf hinarbeiten, dass sie keine Launen haben und fähig werden, ein glückliches, losgelöstes und von der Gottes- und Nächstenliebe geleitetes Leben zu führen.
Die christliche Familie lässt die Schönheit des Glaubens und der Liebe zu Christus erkennen, wenn alle aus Liebe miteinander harmonisch leben, und wenn es jeder versteht, über die eigenen Sorgen zu lachen und sie zu vergessen, um sich den anderen zu widmen, um über kleinere Klippen hinwegzugehen, die der Egoismus in Berge verwandeln könnte, dass man eine große Liebe in die kleinen Dinge hineinlegt, aus denen das tägliche Miteinander besteht vi.
Ein von der Selbstvergessenheit geleitetes Leben ist von sich aus ein anziehendes Ideal für einen jungen Menschen. Wir Erzieher sind es, die gelegentlich nicht ganz daran glauben, vielleicht weil auch wir noch einen langen Weg vor uns haben. Das Geheimnis liegt darin, die Ziele der Erziehung so zu begründen, dass sie unsere Gesprächspartner verstehen und gut finden: sie sollen den Freunden helfen, nützlich oder tapfer zu sein, usw. Jedes Kind wird auf seine Weise eine Unruhe spüren, die aufkommt, wenn sie sich fragen, warum sie keusch, enthaltsam, arbeitsam und losgelöst leben sollen, warum es gut ist, bei der Benützung des Internets vorsichtig zu sein, oder warum es nicht gut ist, viele Stunden mit Videospielen zu verbringen. So wird die christliche Botschaft als etwas Vernünftiges und Schönes wahrgenommen. Die Kinder werden Gott nicht als “Hilfsmittel" ansehen, mit dem die Eltern kleine häusliche Ziele erreichen wollen, sondern als den, der er wirklich ist: der Vater, der uns über alles liebt, und den wir lieben und anbeten sollen; der Schöpfer der Welt, dem wir unser Leben verdanken; der gute Meister, der Freund, der uns nie betrügt, und den wir weder enttäuschen wollen noch können.
DEN KINDERN HELFEN, IHREN WEG ZU FINDEN
In diesem Bereich besteht die Erziehung aber vor allem darin die Mittel bereitzustellen, damit die Kinder ihr ganzes Leben in einen Akt der Anbetung Gottes verwandeln können. Das Konzil lehrt: «das Geschöpf sinkt ohne den Schöpfer ins Nichts» vii. In der Anbetung stoßen wir auf die eigentliche Grundlage der persönlichen Reife. Wenn die Menschen Gott nicht anbeten, werden sie sich selbst anbeten, unter den verschiedensten Formen, die die Geschichte verzeichnet: als Macht, als Vergnügen, als Reichtum, als Wissenschaft, als Schönheit …viii. Damit die Kinder zu dieser Haltung gelangen, ist es notwendig, dass sie Jesus ganz persönlich entdecken. Das kann man schon von klein auf fördern, indem man ihnen hilft, mit ihm sprechen zu lernen. Sollte das vielleicht kein Gebet sein, wenn man den Kindern etwas von Jesus und seinen Freunden erzählt oder sich mit ihnen anhand eines alltäglichen Ereignisses in die Szenen des Evangeliums versetzt?
Im Grunde ist das Fördern der Frömmigkeit der Kinder nichts anderes, als ihnen zu helfen, dass sie Jesus ins Herz schließen, dass sie ihm die guten und die schlechten Ereignisse erzählen, dass sie auf die Stimme des Gewissens hören, in der Gott seinen Willen bekannt gibt, und dass sie versuchen, ihn zu verwirklichen. Die Kinder nehmen ganz von selbst diese Haltungen an, wenn sie sehen, wie ihre Eltern mit Gott Umgang pflegen oder wie er in ihrem Alltag gegenwärtig ist. Der Glaube hat ja vor allem mit einer Person zu tun, der wir uns vorbehaltlos anvertrauen – wir glauben ihm – und weniger mit Inhalten und Pflichten. Wenn man sich vornimmt zu zeigen, wie ein Leben – das Leben Jesu – die Existenz des Menschen mit allen seinen Fähigkeiten verändert, ist es verständlich, dass die Kinder bemerken, wie das vor allem uns selbst verändert hat. Wenn wir unseren Glauben an Jesus Christus gut weitergeben möchten, müssen wir unsere Einstellung zu ihm durch unser Leben zeigen ix. Ein guter Vater zu sein heißt zum Großteil ein Vater zu sein, der sich bemüht, heilig zu werden. Die Kinder sehen das, und können diesen Einsatz bewundern und versuchen ihn nachzuahmen.
Gute Eltern haben den Wunsch, dass ihre Kinder in allen Bereichen ihres Lebens Großartiges erreichen und glücklich werden. Das gilt für den Beruf, die kulturellen Interessen, das Gemütsleben. Daher wollen sie verständlicherweise auch nicht, dass sie in ihrem geistlichen Leben der Mittelmäßigkeit stecken bleiben. Es gibt keinen herrlicheren Plan als den, den Gott für jeden einzelnen vorgesehen hat. Der beste Dienst, den man einem Menschen, besonders seinem Kind, leisten kann, besteht darin, ihm zu helfen, dass er seiner christlichen Berufung voll entspricht und sich nach dem richtet, was Gott für ihn will. Es handelt sich also nicht um eine nebensächliche Frage, bei der es nur darum geht, dass jemand etwas glücklicher ist, sondern sie berührt das Ergebnis des gesamten Lebens.
Zu entdecken, worin die eigene Berufung zur Heiligkeit genau besteht, bedeutet einen weißen Stein zu finden, auf dem ein neuer Name [steht], den nur der kennt, der ihn empfängt x. Es ist die Entdeckung der Wahrheit über sich selbst, die dem ganzen Dasein Sinn verleiht. Der Lebensweg eines Menschen wird unterschiedlich verlaufen, abhängig davon, wie großzügig er die verschiedenen Möglichkeiten annimmt, die Gott ihm anbietet. Aber in jedem Fall hängen das eigene Glück und das vieler anderer Menschen davon ab, wie er diesen entsprochen hat.
DIE BERUFUNG DER KINDER, DIE BERUFUNG DER ELTERN
Der Glaube ist von seiner Natur her ein freier Akt, den man weder direkt noch indirekt mit “unwiderlegbaren" Beweisen aufzwingen kann. Der Glaube ist eine Gabe, die im Geheimnis der Gnade Gottes und der freien Zustimmung des Menschen ihre Wurzeln hat. Es ist daher ganz natürlich, dass die christlichen Eltern für ihre Kinder beten und darum bitten, dass der von ihnen in die Seelen der Kinder gestreute Samen Frucht bringt. Der Heilige Geist bedient sich oft dieses Wunsches, um zum Wohl der Kirche im Schoß der christlichen Familien ganz unterschiedliche Berufungen entstehen zu lassen.
Ohne Zweifel kann die Berufung eines Kindes für die Eltern bedeuten, lieb gemeinte Hoffnungen und Pläne aufgeben zu müssen. Aber das ist nicht einfach etwas Unvorhergesehenes, es gehört vielmehr zur wunderschönen Berufung, eine Mutter und ein Vater zu sein. Man könnte sagen, dass es eine zweifache göttliche Berufung ist: die des Kindes, das sie erhält, und die der Eltern, die sie herbeigeführt haben; und manchmal kann das Verdienst der Eltern größer sein, da sie von Gott erwählt wurden, das hinzugeben, was sie am meisten lieben, und es mit Freude tun.
Die Berufung eines Kindes wird so ein Anlass zu heiligem Stolz xi, der die Eltern dazu führt, sie mit ihrem Gebet und ihrer Liebe zu unterstützen. Der heilige Johannes Paul II. drückte es auf diese Weise aus: «Seid für die unter euch aufbrechenden Berufungen offen. Betet darum, dass der Herr eines oder mehrere eurer Familienmitglieder, als Zeichen seiner besonderen Liebe, in seinen Dienst beruft. Lebt euren Glauben freudig und hingebungsvoll, so dass damit solche Berufungen ermutigt werden. Seid großzügig, wenn euer Sohn oder eure Tochter, euer Bruder oder eure Schwester sich entschließen, auf diesem besonderen Weg Christus nachzufolgen. Gestattet es ihnen in ihrer Berufung zu wachsen und sich zu festigen. Gebt einer aus freien Stücken getroffenen Wahl eure ganze Unterstützung» xii.
Die Entscheidungen, sich Gott hinzugeben, wachsen im Rahmen einer christlichen Erziehung. Man könnte sagen, sie sind so etwas wie ihr Höhepunkt. Die Familie wird auf diese Weise dank der Sorgfalt der Eltern zu einer wirklichen “Hauskirche” xiii, in der der Heilige Geist seine Charismen entfacht. Deshalb reicht die Erziehungsarbeit der Eltern über das glückliche Leben der Kinder hinaus und wird letztlich zur Quelle göttlichen Lebens in Bereichen, die bis dahin Christus ferngestanden sind.
A. Aguiló
i Hl. Josefmaria, Im Feuer der Schmiede, Nr. 918.
ii Johannes Paul II., Apostolisches Schreiben Familiaris consortio, 22.11.1981, Nr. 60.
iii Hl. Josefmaria, Die Spur des Sämanns, Nr. 963.
iv Benedikt XVI., Ansprache an die Teilnehmer der Pastoraltagung der Diözese Rom, 13.6.2011.
v Hl. Josefmaria, Die Spur des Sämanns, Nr. 198.
vi Hl. Josefmaria, Christus begegnen, Nr. 23.
vii II. Vatikanisches Konzil, Pastoralkonstitution Gaudium et spes, Nr. 36.
viii Mons. Javier Echevarría, Pastoralbrief, 1.6.2011.
ix Vgl. Hl. Thomas von Aquin, S. Th. II-II , q. 11, a. 1: «nachdem der, der glaubt, den Worten eines anderen zustimmt, scheint das Wichtigste sowie das Ziel jedes Glaubensaktes das zu sein, an was man nach dessen Aussage glaubt; dabei ist andererseits die Wahrheit dessen, dem man im Glauben zustimmt, zweitrangig».
x Offb, 2, 17.
xi Hl. Josefmaria, Im Feuer der Schmiede, Nr. 17.
xii Hl. Johannes Paul II., Homilie in der Kathedrale von Nagasaki, 25.2.1981, Nr. 4.
xiii Vgl. II. Vatikanisches Konzil, Dogmatische Konstitution. Lumen gentium, Nr. 11.