Betrachtungstext: 6. Osterwoche – Mittwoch

Gott hilft uns mit der Gabe des Rates – Die Gabe des Rates steht der Tugend der Klugheit bei – Heiliger Geist und Apostolat

DER PROPHET Jesaja kündigte das Kommen eines Königs an, der außergewöhnliche Eigenschaften besitze, um das Volk zu regieren. Denn der Geist Gottes ruhe auf ihm und gebe ihm den Geist der Weisheit und der Einsicht, den Geist des Rates und der Stärke, den Geist der Erkenntnis und der Furcht des Herrn (Jes 11,2). Die Gaben des Heiligen Geistes, von denen hier die Rede ist, „vervollständigen und vervollkommnen die Tugenden derer, die sie empfangen“, heißt es im Katechismus. „Sie machen die Gläubigen bereit, den göttlichen Eingebungen willig zu gehorchen.1 Wir betrachten heute die Gabe des Rates, die uns beim Fällen von Urteilen hilft, sodass wir in jedem Moment die beste Entscheidung treffen können.

„Es mangelt nie an Problemen, die manchmal unlösbar scheinen. Doch der Heilige Geist eilt uns in den Schwierigkeiten zu Hilfe und erleuchtet uns“, lehrte der heilige Johannes Paul II. „Man kann sagen, dass er eine unendliche Einfallskraft besitzt, wie sie dem Denken Gottes zu eigen ist, die auch die Schwierigkeiten der kompliziertesten und undurchdringlichsten menschlichen Schicksale zu lösen weiß.“2 Mit der Gabe des Rates macht uns der Beistand für seine Stimme empfänglich und „richtet unsere Gedanken, unsere Empfindungen und unseren Willen nach dem Herzen Gottes aus“3, so Papst Franziskus. Sooft in unserem Leben Schwierigkeiten oder Zweifel auftauchten, konnten wir erfahren, wie gut es ist, weise Menschen in unserer Nähe zu haben, die uns mit gesundem Menschenverstand berieten. Mit der Gabe des Rates steht uns Gott selbst zur Seite. So verhieß dies Jesus seinen Jüngern nach dem Letzten Abendmahl: Noch vieles habe ich euch zu sagen, aber ihr könnt es jetzt nicht tragen. Wenn aber jener kommt, der Geist der Wahrheit, wird er euch in der ganzen Wahrheit leiten (Joh 16,12-14).

Die Gabe des Rates wirkt wie frischer Wind im Gewissen, sie gibt uns ein, was das Beste ist, was der Seele am zuträglichsten ist, was uns zum wahren Glück führt. Johannes Paul II. griff zu einem weiteren Vergleich: „Das Gewissen wird dann zu dem gesunden Auge, von dem das Evangelium spricht (vgl. Mt 6,22), und erhält eine Art neue Pupille, mit der es besser sehen kann, was in einer bestimmten Situation zu tun ist.“4


LEHRE MICH tun, was dir gefällt, denn du bist mein Gott! (Ps 143,10), können wir mit dem Psalmisten ausrufen. Zeige mir, Herr, deine Wege, lehre mich deine Pfade! (Ps 25,4) Der Heilige Geist springt diesem demütigen Gebet mit der Gabe des Rates bei, der wie ein Kompass ist, der die Seele von innen her leitet, wie ein Licht, das unsere Entscheidungen erhellt, um unsere Berufung mit kreativer Treue zu leben. So lenkt uns der Heilige Geist dahin, Gottes Pläne für unser Leben zu entdecken.

Die Gabe des Rates vervollkommnet und bereichert die Tugend der Klugheit. Mit ihr entdecken und wählen wir die vernünftigsten Mittel, um ein unmittelbares Ziel zu erreichen, etwas Konkretes, das wir tun müssen, ohne das letzte Ziel aus den Augen zu verlieren, nämlich das Glück der Nähe Gottes. Klugheit ist weder Kleinmut noch Tollkühnheit: Sie ist ein Urteil der Vernunft über das, was zweckmäßig ist, und zugleich der Befehl zur Durchführung. Und die Rolle der Gabe des Rates besteht darin, die Tugend der Klugheit so zu vervollkommnen, dass uns diese beiden Aufgaben ‒ Urteil und Entscheidung ‒ leichter fallen und wir Freude dabei haben. Daher betont der heilige Josefmaria: „Der wahrhaft kluge Mensch achtet stets auf die Eingebungen Gottes und empfängt durch dieses wachsame Hinhören in der Seele Verheißungen und Tatsachen des Heils.“5

Der Ort, an dem sich diese kostbare Gabe entfaltet, ist das Gebet; dort schaffen wir Raum, sodass der Geist kommt und uns mit seiner Hilfe beisteht. Oft werden wir zu Gott sagen können: Herr, warum hilfst du mir nicht mehr? Was sollte ich da am besten tun? Was willst du, dass ich tue? Die Kirche lädt uns ein, mit dem Psalmisten vertrauensvoll zu beten: Ich preise den Herrn, der mir Rat gibt, auch in Nächten hat mich mein Innerstes gemahnt. Ich habe mir den Herrn beständig vor Augen gestellt, weil er zu meiner Rechten ist, wanke ich nicht (Ps 16,7-8).


DIE GABE des Rates hilft uns auch, andere auf den Weg des Guten zu führen. Als Paulus in Athen ankam, wurde er eingeladen, auf dem Areopag zu sprechen, wo man sich zu geistreichen Debatten traf. Dort sprach er sehr beredt: Männer von Athen, nach allem, was ich sehe, seid ihr sehr fromm. Denn als ich umherging und mir eure Heiligtümer ansah, fand ich auch einen Altar mit der Aufschrift: EINEM UNBEKANNTEN GOTT. Was ihr verehrt, ohne es zu kennen, das verkünde ich euch (Apg 17,22-23). Auf dieses Zeugnis hin schlossen sich ihm einige Männer an und wurden gläubig, unter ihnen auch Dionysius, der Areopagit, außerdem eine Frau namens Damaris und noch andere mit ihnen (Apg 17,34).

Paulus entfaltete eine Rede, die ein Beispiel für die Glaubensverkündigung in jeder Epoche sein kann: Er zeigte auf, wie vernünftig das Christentum dem Wesen nach ist und wie viel es zum menschlichen Denken beitragen kann. Er sprach zu ihnen zuerst von dem einen wahren und lebendigen Gott, in dem wir leben, uns bewegen und sind (Apg 17,28), und verkündete dann Jesus Christus, den Retter aller Menschen. Wie damals Paulus und den ersten Christen, so schenkt uns Gott auch heute die Gabe des Rates, damit wir Zeugen seien, die unserer Zeit das Evangelium verkünden. Der heilige Josefmaria bat den Herrn dazu täglich darum, „er möge uns die Sprachengabe gewähren“, und erklärte: „Ich meine nicht die Kenntnis verschiedenster Sprachen, sondern die Fähigkeit, sich den Voraussetzungen der Hörer anzupassen. Es geht nicht um Anbiederung im Straßenjargon, sondern um das Wort aus Weisheit, die wahrhaft christliche Rede, die alle zu erreichen vermag.6

Das Apostolat der Freundschaft und des Vertrauens ist ein privilegierter Ort, um mit dem Heiligen Geist zusammenzuarbeiten, denn, so schrieb der Prälat des Werkes in einem Hirtenbrief, „die Freundschaft selbst ist Apostolat, sie ist Dialog, in dem wir Licht geben und empfangen“7. Maria, die Mutter des guten Rates, wird uns bei unserer apostolischen Aufgabe ebenfalls Licht schenken.


1 Katechismus der Katholischen Kirche, Nr. 1831.

2 Hl. Johannes Paul II., Audienz, 24.4.1991.

3 Franziskus, Regina Coeli-Gebet, 7.5.2014.

4 Hl. Johannes Paul II., Audienz, 7.5.1989.

5 Hl. Josefmaria, Freunde Gottes, Nr. 87.

6 Hl. Josefmaria, Im Feuer der Schmiede, 634.

7 Prälat Fernando Ocáriz, Hirtenbrief, 9.1.2018, Nr. 14.