JESUS, MEISTER, sei uns gnädig! (Lk 17,13). Es ist der Schrei mehrerer Aussätziger, denen es vielleicht nach Überwindung verschiedener Hindernisse gelungen war, an den Herrn heranzukommen. In der Antike war der Aussatz ein großes Unglück. Zunächst war damit ein heftiges physisches Leiden verbunden. Unter den Juden war die Krankheit unter dem Namen „Peitschenhieb“ bekannt. Dazu kam der moralische Schmerz: Die Krankheit löste Panik aus, da sie als hochgradig ansteckend galt. Daher gab es genaue Vorschriften für die Diagnose und den Ausschluss der Erkrankten aus der Gesellschaft. Es gab auch eine Reihe von Bedingungen für die Bescheinigung einer Heilung. Außerdem wurde die Krankheit auf die Sünden des Betroffenen zurückgeführt.
So können wir uns das Ausmaß des Leidens und der Trostlosigkeit jener zehn Aussätzigen, denen Jesus auf dem Weg begegnete, besser vorstellen. Sie lebten in der Umgebung eines Dorfes. Angehörige, Freunde und andere mitleidige Menschen versorgten sie täglich mit Essen. Wahrscheinlich hatten sie durch diese von Jesus gehört: einem Rabbi – einem Meister –, der mit Vollmacht predigte und Wunder tat. Als der Herr sich dem Dorf näherte, gab ihnen jemand einen Hinweis und sie kamen, um Jesus von ferne zu grüßen, in der Hoffnung, dass er sie heilen könnte. „Die Männer blieben in der Ferne stehen“, kommentiert ein mittelalterlicher Heiliger, „weil sie es wegen ihres Zustandes nicht wagten, näher an ihn heranzutreten. So ist es auch mit uns: Solange wir in unseren Sünden verharren, halten wir uns fern. Um wieder gesund zu werden und vom Aussatz unserer Sünden geheilt zu werden, sollten wir also mit lauter Stimme inständig bitten: Jesus, Meister, hab Erbarmen mit uns! Freilich sollte dieses Flehen nicht aus unserem Mund, sondern aus unserem Herzen kommen, denn das Herz spricht mit lauterer Stimme. Das Gebet des Herzens dringt bis in den Himmel und steigt hoch empor bis zum Thron Gottes.“1
DIE AUSSÄTZIGEN rufen laut, damit Jesus sie heilt. Und der Herr sagt ihnen, sie sollen zu den Priestern gehen und sich ihnen zeigen. Die Priester waren nach dem Gesetz dazu berufen, eine mögliche Heilung festzustellen. Wenn sie sich also im Gehorsam gegenüber dem Meister auf den Weg machten, stellten sie ihren Glauben unter Beweis. Und auf dem Weg dorthin stellen sie fest, dass sie tatsächlich geheilt sind. Allerdings kehrt nur einer von ihnen, ein Samariter, zurück, um Jesus aufzusuchen: Einer von ihnen aber kehrte um, als er sah, dass er geheilt war; und er lobte Gott mit lauter Stimme. Er warf sich vor den Füßen Jesu auf das Angesicht und dankte ihm (Lk 17,15-16). Der Herr beklagt, dass die anderen neun nicht zurückgekehrt sind, um Gott die Ehre zu geben und sich für ihre Heilung zu bedanken. Er sagt zum Samariter: Steh auf und geh! Dein Glaube hat dich gerettet (Lk 17,19).
Wenn wir das heutige Evangelium betrachten, lässt uns der Bericht, wie Papst Benedikt XVI. erläuterte, „vor allem an zwei Stufen der Heilung denken: die eine und oberflächlichere betrifft den Leib; die andere und tiefere berührt das Innerste des Menschen – das, was die Bibel das ,Herz‘ nennt –, und von dort aus strahlt sie auf das ganze Dasein aus. Die vollständige und radikale Heilung ist das ,Heil‘. Indem selbst die Umgangssprache zwischen ,Gesundheit‘ und ,Heil‘ unterscheidet, hilft sie uns zu verstehen, dass das Heil bedeutend mehr ist als die Gesundheit: Es ist nämlich ein neues, volles, endgültiges Leben. Darüber hinaus spricht Jesus hier wie zu anderen Gelegenheiten das Wort aus: Dein Glaube hat dir geholfen. Es ist der Glaube, der den Menschen rettet, indem er ihn in seiner tiefen Beziehung zu Gott, zu sich selbst und zu den anderen wiederherstellt; und der Glaube kommt in der Dankbarkeit zum Ausdruck.“2 Wir wissen nicht, was mit den anderen Aussätzigen geschah. Ja, sie wurden von ihrer körperlichen Krankheit geheilt. Doch eine geistige Heilung bestätigt Jesus, wie das Evangelium bezeugt, nur für den Samariter, der vom Glauben des auserwählten Volkes scheinbar weiter entfernt war.
Papst Benedikt fährt fort: „Wer es wie der geheilte Samariter versteht zu danken, beweist, dass er nicht alles so ansieht, als hätte er einen Anspruch darauf, sondern als ein Geschenk, das auch, wenn es von den Menschen oder der Natur kommt, letztlich von Gott stammt. Der Glaube bringt also die Offenheit des Menschen für die Gnade Gottes mit sich; die Erkenntnis, dass alles Geschenk, dass alles Gnade ist. Welch großer Schatz birgt sich in einem kleinen Wort: ,Danke!‘“3
DANKT FÜR ALLES; denn das ist der Wille Gottes für euch in Christus Jesus (1 Thess 5,18). Die Antiphon der heutigen Messe ist den Lehren des heiligen Paulus entnommen. Sie lädt uns ein, dem Herrn häufig unsere Dankbarkeit zu bekunden. Zweifellos können wir täglich, schon wenn wir aufwachen, danken, auch für die Dinge, die uns selbstverständlich erscheinen, die wir aber sehr vermissen würden, wenn wir ihrer beraubt würden: das Atmen, das Fühlen, das Sehen, das Gehen; die Schönheit der Natur, das Licht und die Wärme der Sonne, eine Familie zu haben, lieben zu können und geliebt zu werden ... Als Christen danken wir dem Herrn auch für die Wunder seiner Gnade, für alles, was wir unverdienterweise erhalten haben und jeden Tag weiterhin erhalten, um auf dem Weg der Heiligkeit voranzukommen.
„Es ist noch nicht lange her“, schrieb Franz von Sales, „da warst du noch nicht auf der Welt. (...) Gott hat dich aus diesem Nichts hervorgehen lassen, um dich zu dem zu machen, was du bist, ohne dass er dich gebraucht hätte, einzig durch seine Güte. Deshalb gab er dir den Verstand, ihn zu erkennen; das Gedächtnis, dich seiner zu erinnern; den Willen, ihn zu lieben; die Phantasie, seine Wohltaten dir vorzustellen; die Augen, seine wunderbaren Werke zu sehen; die Zunge, ihn zu preisen; … Er hat dich nach seinem Bild erschaffen (...). Erwäge die Gaben des Geistes, des Leibes, der Seele: die Gesundheit, erlaubte Freuden, deine Freunde, … Wie oft hat er dir seine heiligen Sakramente gespendet! Wie oft Einsprechungen, innere Erleuchtungen, Mahnungen zur Umkehr gegeben! Wie oft deine Fehler verziehen!“4
„Wie schön ist, was wir täglich in den Preces sagen!“, sagte der heilige Josefmaria. „Ihr könnt es als Stoßgebet verwenden: Gratias tibi, Deus, gratias tibi! Denn wenn wir Gott danken, wird er uns noch mehr geben; wenn sich hingegen unser Hochmut etwas von dem zu eigen macht, was gar nicht von uns ist, verschließen wir uns für den Empfang der Hilfe des Herrn.“5 Wenden wir uns an Maria; gerade wegen ihrer Demut und weil sie alles als Geschenk Gottes erachtete und dafür dankbar war, erhielt sie wunderbare Geschenke, die sie sich nie ausdenken hätte können.
1 Bruno von Segni, Kommentar zum Evangelium nach Lukas, 2, 40.
2 Benedikt XVI., Angelus, 14.10.2007.
3 Ebd.
4 Hl. Franz von Sales, Anleitung zum frommen Leben (Philothea), 1. Teil, Kap. 9ff., III, 34.
5 Hl. Josefmaria, Notizen aus einem Familientreffen, 19.3.1971.