NACHDEM sich die Menschenmenge zurückgezogen hat, bitten die Jünger Jesus, ihnen das Gleichnis vom Weizen und vom Unkraut nochmals auszulegen. Vor den vielen Zuhörern hatte Jesus die Tatsache betont, dass Gutes und Böses auf Erden bis zum Ende der Zeit nebeneinander existieren werden. Nun verweist er auf weitere Aspekte und zeigt die allegorische Bedeutung seiner Worte auf: Derjenige, der die gute Saat sät, ist der Menschensohn, das Feld ist die Welt, die gute Saat sind die Kinder des Reiches Gottes und das Unkraut die Kinder des Bösen. Dieses Unkraut wurde von niemandem anderem als vom Teufel gesät, den Christus als den Feind (Mt 13,39) bezeichnet.
Das Böse, das in der Welt und in unserem eigenen Leben präsent ist, ist Werk des Teufels. Dessen größte List besteht darin, uns glauben zu lassen, dass er nicht existiert. Wie der Feind im Gleichnis sät er seinen Samen aus, wenn die anderen schlafen, unbemerkt, oder, wie Papst Franziskus sagt, „geräuschlos wie die Schlange, die still das Gift bei sich trägt“1. Deshalb ist es wichtig, auf unser Herz und unser Handeln zu achten, denn oft versucht er uns in kleinen Dingen des Alltags zu täuschen, um uns vom Herrn zu entfernen.
Der Teufel ist mit Eifer dabei, Unkraut auf die Felder der Welt zu säen, das heißt, Misstrauen und Spaltung zu fördern und die Liebe und die Gemeinschaft unter den Menschen zu zerstören. Es gibt persönliche Aufzeichnungen des heiligen Josefmaria, die den Kampf des jungen Priesters widerspiegeln, den Bösen davon abzuhalten, Unkraut in sein Herz zu säen: „Ich will bei allem, was mit der Beurteilung von Menschen zu tun hat, sehr vorsichtig sein und keinen schlechten Gedanken an jemanden zulassen, selbst wenn die Worte oder Taten des Betreffenden zu einer solchen Beurteilung Anlass geben.“2 Und dann noch einige praktische Vorsätze: „1/ Bevor ich ein Gespräch beginne oder einen Besuch mache, mein Herz zu Gott erheben. 2/ Nicht streiten, auch wenn ich Recht habe. Nur wenn es zur Ehre Gottes ist, meine Meinung sagen, ohne stur zu sein. 3/ Keine negative Kritik üben: Wenn ich nicht loben kann, schweige ich.“3 Wie können wir in unserer inneren Welt und in unserem Umfeld die Liebe und Gemeinschaft mit den anderen besser pflegen und damit die Aussaat des Bösen unfruchtbar machen?
WIR ALLE haben Erfahrung mit den Verlockungen, die der Teufel in unseren Herzen schürt. Jesus erlebte Versuchungen am eigenen Leib, als er sich in die Wüste zurückzog. Gleichzeitig wissen wir, dass die Macht und der Einfluss des Bösen begrenzt sind, weil Gott auf die Erde gekommen ist, um durch den Tod jenen zu entmachten, der die Gewalt über den Tod hat, nämlich den Teufel, und um jene zu befreien, die durch die Furcht vor dem Tod ihr Leben lang der Knechtschaft verfallen waren (Hebr 2,14-15). Christus und nur er ist der Herr. Der Satan ist letztlich auch nur ein Geschöpf. Es stimmt, dass er Böses tun darf – aus Gründen, die wir vielleicht nicht ganz verstehen und die letztlich mit dem Geheimnis der Freiheit zusammenhängen –, es stimmt aber auch, dass Gott uns ausreichend Kraft gibt, um jeder Versuchung zu widerstehen, und Gottes Barmherzigkeit, sollten wir der Versuchung erliegen, größer ist als jede Sünde.
Dabei sind Versuchungen an sich nichts Schlechtes: Sie sind Prüfungen, in denen wir in der Liebe zu Gott oder in einer bestimmten Tugend wachsen können. Wenn wir sie also als das ansehen, was sie sind – Gelegenheiten, Gott näher zu kommen –, werden sie uns weder ängstigen noch überraschen. Der Sieg des Teufels besteht nicht immer darin, dass er uns zu Fall bringt, sondern darin, dass er uns in Unruhe versetzt, weil er uns glauben lässt, dass es nicht möglich ist, mit diesen Neigungen in der Nähe des Herrn zu leben. Der heilige Josefmaria sagte von sich, er fühle sich „aller Greueltaten und Irrtümer fähig, die die gemeinsten Menschen begangen haben“4. Er fügte jedoch hinzu, dass wir gerade im Eingeständnis unserer Schwäche unsere Stärke finden: Sie führt uns dazu, aufrichtig zu sein und den Herrn und andere um Hilfe zu bitten, aber auch mehr Verständnis für die Unzulänglichkeiten und Kämpfe anderer aufzubringen und auf Gottes barmherzige Liebe zu vertrauen.
DAS CHRISTLICHE LEBEN beschränkt sich nicht auf den Kampf gegen das Böse. Der heilige Josefmaria sah die ersten Christen gerne als Säleute des Friedens und der Freude. So schildert er die ersten Christen: „Familien, die aus Christus lebten und Christus verkündeten; kleine christliche Gemeinschaften, die wie Brennpunkte die Botschaft des Evangeliums ausstrahlten. Es waren Familien wie so viele andere Familien jener Zeit, doch sie waren von einem neuen Geist beseelt, der alle ansteckte, mit denen sie verkehrten.“5 Sie waren sich zwar des Wirkens des Bösen in der Welt bewusst und erlebten es sogar in ihrem eigenen Leben, doch diese Realität machte sie weder pessimistisch noch ängstlich. In der Apostelgeschichte sehen wir sogar, wie sie die Angriffe, die sie seitens der Obrigkeit einer Stadt erlitten, dazu brachten, das Evangelium an anderen Orten zu verkünden (vgl. Apg 8,1-4).
Die ersten Christen wussten, dass sie nicht alleine kämpften. Sie waren Teil einer Gemeinschaft, die sie anspornte, Frieden und Freude zu säen. Im Teilen des Brotes und Wortes fanden sie die Kraft, die ihnen half, geeint zu bleiben. Sie wussten, dass sie von einem Bruder oder einer Schwester ermutigt werden konnten, und gleichzeitig fühlten sie die Verantwortung, die täglichen Gesten zu pflegen, die ihre Zugehörigkeit zu dieser Familie stärkten. Franziskus schrieb: „Die Gemeinschaft, die die kleinen Details der Liebe bewahrt, wo die Mitglieder sich umeinander kümmern und einen offenen und evangelisierenden Raum bilden, ist Ort der Gegenwart des Auferstandenen, der sie entsprechend dem Heilsplan des Vaters heiligt. Gelegentlich werden uns – durch ein Gnadengeschenk des Herrn – inmitten dieser kleines Details tröstliche Erfahrungen Gottes geschenkt.“6 Maria hilft uns, ein aufmerksames Herz für diese Gesten zu haben, damit wir Frieden und Freude in die Seelen unserer Mitmenschen säen können.
1 Franziskus, Audienz, 15.5.2019.
2 Hl. Josefmaria, Aufzeichnungen, Nr. 389, 14.11.1931, Zitiert in: Camino, kritisch-historische Ausgabe, S. 607.
3 Hl. Josefmaria, Aufzeichnungen, Nr. 399, 18.11.1931. w.o.
4 Hl. Josefmaria, Der Kreuzweg , 14. Station, Nr. 5.
5 Hl. Josefmaria, Christus begegnen, Nr. 30.
6 Franziskus, Gaudete et exsultate, Nr. 145.