Betrachtungstext: 13. Woche im Jahreskreis – Samstag

Das Gastmahl Gottes mit seinem Volk – Ein Fasten, das verborgen bleibt – Der neue Wein Jesu

JESUS WAR kein gewöhnlicher Lehrer. Mit seiner freimütigen Art zu handeln und der Autorität, mit der er lehrte, sorgte er für Erstaunen bei seinen Zeitgenossen. Denn diese waren anderes gewöhnt: Die Lehrer Israels waren damals zumeist akribisch damit befasst, die Gebote auszulegen, die das Volk Israel befolgen sollte. Und dies ging mitunter so weit, dass sie zwischen wesentlich und unwesentlich nicht mehr unterschieden. Das Ergebnis waren komplizierte Verhaltensregeln, die gelernt und befolgt werden mussten. Die Lehre Jesu hatten einen anderen Ton: Er führte die Tradition des Volkes Israel fort, doch beschränkten sich sein Handeln und seine Lehre nicht auf die äußerliche Einhaltung der Gebote. Er suchte vielmehr danach, die Umkehr des Menschen von innen heraus zu erwecken.

Dass weder Jesus noch seine Jünger etwa bei bestimmten Gelegenheiten fasteten, führte bei einigen Beobachtern zu Verwunderung. Jesus antwortet auf ihre Anfrage mit einem zeitgemäßen Bild: Könnt ihr denn die Hochzeitsgäste fasten lassen, solange der Bräutigam bei ihnen ist? (Lk 5,34). Bei den damaligen Hochzeiten hatten die engsten Freunde des Bräutigams die Aufgabe, für fröhliche Festlichkeit zu sorgen. Das Gesetz sah sogar vor, dass diese Männer von bestimmten gesetzlichen Vorschriften befreit waren, wenn diese die freudige Atmosphäre der Hochzeitsfeier beeinträchtigten. Mit diesem Vergleich wies Jesus auf sich selbst als den Bräutigam hin und auf seine Jünger als dessen Freunde. Er hatte die Freude der Erlösung in die Welt gebracht.

Gott möchte unser Glück, und befiehlt uns nichts, was uns von diesem Ziel abbringen könnte. Allerdings ist wahr  weil es ein anspruchsvolles Ziel ist , dass es oft Mühe kosten wird; und manchmal werden wir seine Wege nicht verstehen, da sie auch mit Leid verbunden sein können. Dennoch führen uns die Gebote Gottes zu einem freien und glücklichen Leben. Papst Franziskus gibt uns hier zu bedenken: „Ein Philosoph sagte einmal etwas von der Art: ,Ich verstehe nicht, dass man heutzutage noch glauben kann, denn diejenigen, die sagen, dass sie glauben, laufen mit einem Gesicht herum wie bei einer Totenwache. Sie legen kein Zeugnis von der Freude über die Auferstehung Jesu Christi ab.‘ Tatsächlich gibt es viele Christen mit einem Gesichtsausdruck wie bei einer Totenwache, … Aber Christus ist auferstanden! Christus liebt dich! Und du freust dich nicht? Lasst uns ein wenig darüber nachdenken und uns fragen: ,Und ich? Freue ich mich, weil der Herr mir nahe ist, weil der Herr mich liebt, weil der Herr mich erlöst hat?‘“1


DAS BILD von der Hochzeit verwendet Jesus auch für eine prophetische Ankündigung seines Todes: Es werden aber Tage kommen, da wird ihnen der Bräutigam weggenommen sein: dann (…) werden sie fasten (Lk 5,35). Der weggenommene Bräutigam am Kreuz, dessen Anblick die Herzen seiner Jünger bis zum Rand mit Trauer erfüllen wird, ist der Inbegriff des Fastens. Fasten und Kreuz bedeuten Trauer und Entbehrung; doch sind Fasten und Kreuz ebenso durchdrungen von Freude und Hoffnung: von der Freude, den Willen Gottes zu erfüllen, und von der Hoffnung auf ein neues Leben. Deshalb ist Fasten nicht reine Entbehrung, endet nicht bei sich selbst, sondern dient uns dazu, uns vom Willen des Vaters zu ernähren. So wie Jesus sagte: Meine Speise ist es, den Willen dessen zu tun, der mich gesandt hat, und sein Werk zu vollenden (Joh 4,34). Diese Entbehrung, dieser erste Akt des Verzichts auf sich selbst, verhindert, dass sich das Herz an Bequemlichkeiten hängt, und hilft uns, geistig wach und empfänglich zu sein; so werden wir die Güter Gottes entdecken und genießen können.

Ein anderes Mal lädt Jesus die Menschen ein, nur vor dem Angesicht des Vaters im Himmel Almosen zu geben, zu beten und zu fasten; die anderen sollen es nicht einmal bemerken. Auch damit überraschte er einige Zuhörer, denn solche guten Taten wurden damals oft nur deshalb vollbracht, um bei den anderen Ansehen zu erlangen. Jesus erinnert uns daran, dass der Wert einer Handlung nicht davon abhängt, was andere darüber meinen. Oftmals wird Gott allein ein Gebet, ein Opfer oder eine großzügige Geste wahrnehmen – und das genügt. Der heilige Josefmaria wusste, dass das nicht immer leicht, dafür aber verdienstvoll ist: „Zu lächeln kann für dich manchmal die beste Abtötung und sogar die beste Buße sein: dieses alter alterius onera portate (Gal 6,2), die Lasten der anderen tragen und darauf zu achten, dass deine Hilfe unbemerkt bleibt, dass man dich nicht lobt, dass man es nicht sieht und so das Verdienst vor Gott nicht verlorengeht.“2 Indem er verborgen bleibt wie das Salz, würzt der Christ alle Lebensbereiche und sorgt dafür, dass „alles übernatürlich liebenswert und schmackhaft wird“3.


AUCH füllt man nicht jungen Wein in alte Schläuche. Sonst reißen die Schläuche, der Wein läuft aus und die Schläuche sind unbrauchbar. Jungen Wein füllt man in neue Schläuche, dann bleibt beides erhalten (Mt 9,17). Der Schlauch, von dem hier die Rede ist, war eine Art Ledertasche. Nach der Gerbung wurde er ringsherum zugenäht, bis auf eine Öffnung am Hals, durch die die Flüssigkeit eingefüllt wurde. Diese Schläuche wurden verwendet, um den jungen Wein abzufüllen und zu lagern. Während der Gärung dehnte sich der Schlauch aufgrund der entstehenden Gase aus. Alte Schläuche waren hart und unflexibel. Wenn man also neuen Wein in alte Schläuche abfüllte, konnte die Gärung dazu führen, dass der Schlauch aufplatzte und sowohl der Schlauch als auch der Wein verloren gingen.

Jesus bringt immer neuen Wein. Dieser steht symbolisch für den Heiligen Geist, er ist die gute Nachricht von der Erlösung. Die Anwesenheit des Heiligen Geistes in einem Menschen zeigt sich vor allem in dessen Freude. Es ist kein Zufall, dass Jesus sein öffentliches Leben damit beginnen wollte, dass er bei einer Hochzeitsfeier Wasser in erlesenen Wein verwandelte. Christus ist gekommen, um uns mit einem Leben zu erfüllen, das unser Herz erfreut, ähnlich wie der Wein zur frohen Stimmung eines Festmahls beiträgt. Doch dieser neue Wein muss in neue Schläuche gefüllt werden, und das sind unsere Herzen. Aus diesem Grund bereitet Jesus die Herzen seiner Jünger vor, damit sie die Kraft und Neuheit seines göttlichen Lebens fassen können.

Mit ihrer Kasuistik und äußerlichen Wachsamkeit repräsentieren die Lehren mancher Schriftgelehrter und Pharisäer Israels die alten Schläuche. Das neue Leben der Christen hingegen besitzt ein inneres Prinzip, das weit darüber hinaus geht. Um mit dem neuen Wein gefüllt zu werden, muss das Herz lernen, auf den Heiligen Geist zu hören und ihm gegenüber fügsam sein, denn er ist die Quelle ständiger Erneuerung. Deshalb bitten wir die heiligste Jungfrau Maria, uns ein Herz wie das ihre zu schenken, ein Herz, das fähig ist, sich dem neuen Wein dem Leben Gottes in uns – zu öffnen.


1 Franziskus, Angelusgebet, 13.12.2020.

2 Hl. Josefmaria, Allein mit Gott, Nr. 122.

3 Ebd.