Begegnung mit Jesus

Wie (die Jünger) in Emmaus wünschen wir gar oft, dass Jesus bei uns bleibe, uns Ratschläge erteile, Trost und Zuneigung erweise. Dieser Artikel will dazu ermuntern, Christus in der Eucharistie zu suchen.

(Herr), bleibe bei uns: denn es wird Abend, der Tag hat sich schon geneigt !1Dies sind die eindringlichen Worte der Einladung, mit denen sich die beiden Jünger, die am Abend des Auferstehungstages nach Emmaus unterwegs sind, an den Wanderer wenden, der sich auf dem Weg zu ihnen gesellt hatte. Mit trüben Gedanken beladen, konnten sie sich nicht vorstellen, dass dieser Unbekannte ihr Meister sein würde, der schon von den Toten auferstanden war. Dennoch verspürten sie, während er mit ihnen redete und ihnen den Sinn der Schrift ‚erschoss’, ein inneres ‚Brennen’ (vgl. ebd. V. 32). Das Licht des Wortes löste die Blindheit ihres Herzens und ließ ihnen die Augen aufgehen (vgl. ebd. V 31). Unter dem Schatten des zu Ende gehenden Tages und in der Dunkelheit, die ihr Herz zu umhüllen drohte, war jener Wanderer ein Lichtstrahl, der Hoffnung zu wecken vermochte und ihren Geist für den Wunsch nach der Fülle des Lichtes öffnete. ‚Bleib doch bei uns’, drängten sie ihn. Und er akzeptierte. Kurz darauf war das Antlitz Jesu verschwunden. Der Herr jedoch war ‚geblieben’, und zwar unter dem Schleier des ‚gebrochenen Brotes’, vor dem ihnen die Augen aufgegangen waren2.

So beginnt das von Johannes Paul II. anlässlich des Eucharistischen Jahres verfasste Schreiben. Die Szene der Emmaus - Jünger ist sehr aktuell: Gott lässt sich finden, um den Menschen auf seinem Lebensweg zu begleiten. Er ist stets bereit, ihn zu trösten und schenkt den Herzen in schlimmen Situationen von neuem die verlorene Freude und Hoffnung.

Sobald Er das erreicht hat, entschwindet der Herr und lässt jene zwei Jünger in Emmaus allein zurück. Es handelt sich aber nur um ein scheinbares Alleinsein, für denjenigen, der nur mit den Augen des Körpers sieht. In Wirklichkeit ist Er für alle und für immer in der Eucharistie gegenwärtig geblieben. Dadurch ereignet sich die Szene von Emmaus immer wieder in unserem Leben, immer dann, wenn wir es brauchen.

Jesus ist in der Eucharistie geblieben, um unsere Schwachheit, unsere Zweifel, unsere Befürchtungen und Ängste zu heilen; um unsere Einsamkeit, unser Zaudern und unsere Mutlosigkeit aufzuheben; um uns auf dem Weg zu begleiten und im Kampf zu stützen. Vor allem aber, um uns zu lehren, wie man liebt, und uns in Liebe an sich zu ziehen 3.

Wie leicht fällt es doch, sich dem Tabernakel zu nähern, wenn man das Wunder des Mensch gewordenen Gottes betrachtet, der bei uns geblieben ist. Besuchen wir Ihn, um Ihm unser Herz zu öffnen und wie die Jünger von Emmaus von ihm gestärkt und getröstet zu werden. Wenn wir uns dem Herrn mit diesem Vertrauen nähern, begreifen wir, wie sehr wir die Eucharistie brauchen. Sie bildet die Mitte und Wurzel unseres Innenlebens und – was sich notwendigerweise daraus ergibt – die Seele unseres Apostolates.

Brannte uns nicht das Herz?

Der Erfolg unseres Apostolates hängt von unserer Verbindung mit Christus ab. Wir allein können nichts erreichen: Sine me nihil potestis facere. 4 Jeder kennt seine eigene Armseligkeit und macht häufig die Erfahrung seines eigenen Elends. Außerdem können gelegentlich konkrete Situationen auftreten, in denen wir – sei es wegen Ermüdung nach einem harten Arbeitstag oder aufgrund von bei der apostolischen Tätigkeit aufgetretenen Probleme – die Größe unserer christlichen Berufung aus den Augen verlieren und das Feuer für das Apostolat in uns erlischt.

In der Eucharistie finden wir die uns stützende Kraft, weil wir Ihn finden. Es handelt sich um eine persönliche Begegnung, in der sich Jesus uns gibt und uns seine wirksame Hilfe gewährt. Jedes Mal, wenn wir in unseren Nöten vor dem Tabernakel beten, schenkt uns Christus – wie den Jüngern von Emmaus – die übernatürliche Sicht wieder, zeigt uns den Sinn unseres Lebens, stärkt uns in unseren Schwierigkeiten und erfüllt uns mit apostolischem Eifer. Omnia possum in eo qui me confortat5, mit dem Herrn schaffen wir alles, quia tu es fortitudo mea6. In diesem Sakrament wird offenbar, dass das Blut Christi erlöst und zugleich ernährt und erquickt. Es ist das Blut, das alle Sünden abwäscht (vgl. Mt 26,28) und die Seele reinigt (vgl. Sach 9,17), das Blut, das trunken macht vom Heiligen Geist und die Zungen löst, damit sie die ‚magnalia Dei’ (Apg 2,11), die Großtaten Gottes erzählen und besingen7.

Die Einheit mit Christus berauscht uns mit dem Heiligen Geist und erfüllt unser Herz – Brannte uns nicht das Herz in der Brust, als er unterwegs mit uns redete und uns den Sinn der Schrift erschloss? 8 und er treibt uns an, die Großtaten des Herrn zu verkünden und die anderen mit unserer Freude, mit dem Eifer Christi anzustecken. Nonne cor nostrum ardens erat in nobis, dum loqueretur in via? Brannte uns nicht das Herz in der Brust, als er unterwegs mit uns redete? Diese Worte der Emmausjünger müssten unwillkürlich, wenn du Apostel bist, von den Lippen deiner Berufskollegen kommen, nachdem sie dich auf dem Weg ihres Lebens getroffen haben 9.

Ein Christ kann in der Liebe zu Gott wachsen, wenn er den zahlreichen Frömmigkeitsübungen aus der Tradition der Kirche folgt: Heilige Messe, Gebet (wann immer das möglich ist, vor dem Tabernakel), Besuch beim Allerheiligsten, häufige Betrachtung des Gesanges Adoro te devote, geistige Kommunionen, Freude, die man empfindet, wenn man unterwegs Heiligtümer entdeckt etc. All das ist eine wirkliche Begegnung mit Christus, aus der wir neue Kraft für unseren inneren Kampf und das Apostolat schöpfen.

Caravaggio, Supper at Emmaus, National Gallery, London

Der Höhepunkt der Einheit mit Christus wird erreicht, wenn wir ihn in der heiligen Kommunion empfangen. In diesem Augenblick begegnen wir Ihm ganz und in intimster Weise und er macht uns jedes Mal mehr zum ipse Christus. Wir nützen das, um mit Ihm über unsere Freunde zu sprechen und Ihn zu bitten, dass er ihre Herzen bewege. Der heilige Josefmaria hat uns das eingeschärft: Für uns hat der Herr sich in der Heiligen Hostie eingeschlossen. Er will an unserer Seite bleiben, uns stützen, uns geleiten. - Und Liebe kann man nur mit Liebe vergelten. Wie sollten wir da nicht täglich den Tabernakel aufsuchen, und sei es nur für wenige Minuten, um Ihm unseren Gruß zu bringen und unsere Liebe als seine Kinder und seine Brüder?10

Diese Wirklichkeit ist auch mit Situationen vereinbar, in denen wir keinen spürbaren Trost aus dem Umgang mit Gott erhalten oder im Innenleben eine größere Trockenperiode durchmachen. Das ist dann der Augenblick, in dem wir auf den Herrn am Kreuz treffen, was ein unerlässliches Element des Apostolats ist. Um wirklich eucharistische, betende Seelen zu werden, dürfen wir nicht vergessen, gewohnheitsmäßig mit dem Kreuz verbunden zu sein – auch durch die Abtötungen, die wir suchen oder annehmen 11.

Zur Begegnung mit der Eucharistie hinführen

Nachdem die beiden Emmausjünger den Herrn erkannt hatten, brachen sie noch in derselben Stunde auf (vgl. Lk24,33), um über das Gesehene und Gehörte zu berichten. Wer eine wahre Erfahrung des Auferstandenen gemacht hat und sich durch seinen Leib und sein Blut nährt, kann die erlebte Freude nicht für sich behalten. Die Begegnung mit Christus, die in der Vertrautheit mit der Eucharistie stetig vertieft wird, erweckt in der Kirche und in jedem Christen den Drang zum Zeugnisgeben und zur Evangelisierung“12.

Das ist die logische Reaktion von jemandem, der etwas Gutes – in diesem Fall das Gute – entdeckt hat, das auch anderen geliebten Personen zugutekommen kann. Wir müssen in unserer apostolischen Arbeit so viele Menschen wie möglich ‚anstecken’, damit auch sie diese unvergleichliche Freundschaft suchen und pflegen 13. Apostolisch wirken heißt, Menschen mit Christus konfrontieren: sie zu einer Begegnung mit dem Meister bringen, so wie Andreas das mit Petrus und Philippus mit Natanaël gemacht haben 14. Dazu müssen wir unsere Freunde an Orte bringen, wo Jesus vorüberkommt. Wir müssen unterwegs ein Treffen herbeiführen, damit sie wie der Blindgeborene geheilt werden können, Trost erfahren wie die Emmausjünger oder eine Berufung erhalten wie Matthäus.

Ein tiefes Apostolat der Beichte und Eucharistie mit Menschen aus unserer Umgebung erfüllt sich unser Herz mit Freude. Wenn echte Freundschaft besteht, ist es leicht, mit unseren Freunden über Gott zu sprechen. Wie dem Kleophas und seinem Begleiter gehen uns die Augen auf, da Christus das Brot bricht. Mag Er auch unseren Blicken wieder entschwinden, fortan werden wir fähig sein, uns von neuem auf den Weg zu machen, während die Nacht hereinbricht, um zu den anderen über Ihn zu sprechen, denn soviel Freude kann ein Herz allein nicht fassen 15.

Eine ‚Kultur der Eucharistie’ herbeiführen

Für viele Menschen ergibt sich die erste Begegnung mit Jesus durch unser Beispiel, durch unser Leben, in dem wir die Identifikation mit Christus anstreben und so zu Instrumenten werden, um sie zum Meister zu bringen. Das Beispiel eines wahrhaft christlichen Lebens ist mitreißend. Deshalb dürfen wir uns nicht scheuen, uns als Christen zu bekennen und inmitten der Welt wie solche zu agieren. Das ist einer der Vorschläge, die Johannes Paul II bei vielen Gelegenheiten wiederholte: Die Christen sollen sich dafür einsetzen, „ mit größerer Kraft die Gegenwart Gottes in der Welt zu bezeugen. Wir sollen keine Furcht haben, von Gott zu reden und die Zeichen des Glaubens auf hoher Stirn zu tragen. Die ‚Kultur der Eucharistie’ fördert eine Kultur des Dialogs, die in ihr Kraft und Nahrung findet. Hier irren diejenigen, die meinen, dass der öffentliche Verweis auf den Glauben ein Angriff auf die rechte Autonomie des Staates und der öffentlichen Einrichtungen sei oder dass dieser sogar zu einer Haltung der Intoleranz ermutigen könnte16.

Unseren Glauben öffentlich zu bezeugen ist ein Bürgerrecht und eine Pflicht des Christen. Es ist ein der persönlichen Würde des Menschen entsprechendes Verhalten und entspricht der Herzenssehnsucht aller Menschen nach Erkenntnis der Wahrheit. Du (Herr) hast uns auf dich hin geschaffen, und ruhelos ist unser Herz, bis es ruhet in dir 17. Die Menschen mit der Wahrheit zu konfrontieren, ist das Beste, was wir für sie tun können. Es handelt sich um ein befreiendes Gut, das nie in Intoleranz ausartet: Dann werdet ihr die Wahrheit erkennen und die Wahrheit wird euch befreien 18. Unser Zeugnis als eucharistische Seelen gibt das Licht, das anderen ermöglicht, sich diesem Licht zu nähern. Als sie jenes Dorf erreichen, tut Jesus, als wolle Er weitergehen. Die beiden Jünger halten Ihn fest und drängen Ihn zu bleiben. Sie erkennen Ihn dann beim Brotbrechen. Der Herr war bei uns, rufen sie aus. (...). Jeder Christ muss Christus unter den Menschen vergegenwärtigen; er muss so handeln, dass seine Mitmenschen den bonus odorChristi, den Wohlgeruch Christi verspüren, dass durch die Werke des Jüngers das Antlitz des Meisters hindurchschimmert 19.

Die Berufung, Frucht der Begegnung

Angesichts der traurigen Unwissenheit, die auch unter vielen Katholiken anzutreffen ist, wollen wir bedenken, dass es sehr wichtig ist, vielen Menschen zu erklären, was die heilige Messe ist und welchen Wert sie hat, welche Voraussetzungen für den Empfang der Kommunion nötig und angebracht sind, wie wichtig es ist, ihn im Tabernakel aufzusuchen, wie sich Sinn und Bedeutung der ‚Etikette der Frömmigkeit’ äußern. Hier öffnet sich uns ein weites fruchtbares Feld für das Apostolat 20.

Wenn unser Leben wirklich eucharistisch ist und unser ganzer Tag um das heilige Opfer und um den Tabernakel kreist, wird es für uns zur Selbstverständlichkeit, dass wir allen in unserem Umfeld die Lehre weitergeben und sie zu einer Begegnung mit Christus in der Eucharistie führen. Wenn wir uns vor dem Altar versammeln, während das heilige Messopfer gefeiert wird, wenn wir die heilige Hostie betrachten, die in der Monstranz ausgesetzt ist, oder wenn wir sie im Tabernakel verborgen anbeten, dann sollen wir unseren Glauben neu beleben, an diese neue Existenz denken, die auf uns zukommt, und uns von der Liebe und Zuneigung Gottes bewegen lassen 21. Der Mensch, der sich der Eucharistie nähert, begegnet Christus persönlich und begibt sich in eine Lage, in der er seinen Ruf vernehmen kann, so wie ihn die ersten zwölf und so viele andere empfangen haben, die nach der Erzählung des Evangeliums Jesus auf ihrem Weg begegnet sind: Kommt her, mir nach!

L. Fernández Vaciero


1Lk 24,29.

2 Johannes Paul II., Ap. Schr. Mane nobiscum Domine , 7.10.2004, Nr. 1.

3 Brief des Prälaten vom 6.10.2004, Nr. 8.

4 Joh 15,5.

5 Phil 4,13.

6 Ps 43 (42), 2 (Vg).

7 Brief des Prälaten, 6.10.2004, Nr. 33.

8 Lk 24,32.

9 Der Weg, Nr. 917.

10 Die Spur des Sämanns, Nr. 686.

11 Brief des Prälaten, 6.10.2004, Nr. 36.

12 Johannes Paul II., Ap. Schr. Mane nobiscum Domine , 7.10.2004, Nr. 24.

13 Brief des Prälaten, 6.10.2004, Nr. 35.

14 Vgl. Joh 1,40-45.

15 Freunde Gottes, Nr. 314.

16 Johannes Paul II., Ap. Schr. Mane nobiscum Dominum , 7.10.2004, Nr. 26.

17 Augustinus, Bekenntnisse, 1.1.1.

18 Joh 8,32.

19 Christus begegnen, Nr. 105.

20 Brief des Prälaten, 6.10.2004, Nr. 35.

21 Christus begegnen, 153.