„Vieles blieb kein Traum, sondern hat sich bewahrheitet“

Die Frauen im Opus Dei feiern am 14. Februar den 90. Jahrestag ihrer Gründung. Mercedes Vidal (Köln) trägt als Regionalsekretärin Verantwortung für die Arbeit, die die Frauen der Prälatur Opus Dei in Deutschland leisten. Mit ihr sprach Rebekka Schulze-Zumloh.

Frau Vidal, vor eineinhalb Jahren hat das Opus Dei seinen 90. Geburtstag gefeiert. Warum gibt es heute eine Neuauflage?

Vidal: Als das Opus Dei 1928 mit seinem Wirken begann, hatte unser Gründer zunächst nur an Männer gedacht. Erst am 14. Februar 1930 erhielt der heilige Josefmaria Escriva von Gott die Eingebung, dass auch Frauen ihre christliche Berufung als Mitglieder des Opus Dei leben können. Obwohl Escriva dies zunächst ausgeschlossen hatte, sprach er später vom unverzichtbaren Beitrag der Frauen im Opus Dei.

Worin besteht dieser unverzichtbare Beitrag?

Vidal: Das Opus Dei rückt die ersten 30 Jahre im Leben Jesu in den Mittelpunkt. Das sind seine „verborgenen Jahre“, als Jesus in Nazareth lebte und als „Sohn des Zimmermanns“ bekannt war. Die Mitglieder des Opus Dei versuchen genau das: Gott im Alltag begegnen – dort wo sie sind: in der Familie, im Beruf, in der Freizeit. Und einen Alltag ohne Frauen gibt es nicht. Er wäre auch nicht erstrebenswert. Männer und Frauen ergänzen sich. Dass unser Gründer die Rolle der Frau in Gesellschaft und Kirche bereits in den 30er Jahren des vergangenen Jahrhunderts so sehr gewürdigt hat, halte ich im Übrigen für visionär.

Was meinen Sie damit?

Vidal: Der heilige Josefmaria hat den Frauen, die sich in den ersten Jahren dem Opus Dei anschlossen, deutlich mehr zugetraut als damals in der Gesellschaft üblich war. Wahrscheinlich ist so mancher Frau schwindelig geworden, als er voller Überzeugung aufzählte, was sie mit der Zeit alles auf die Beine bringen würden. Aber vieles ist eben kein Traum geblieben, sondern hat sich bewahrheitet.

Können Sie ein Beispiel nennen?

Vidal: Weltweit sind Initiativen entstanden, die die Bildung – gerade auch der Frau – in den Mittelpunkt stellen, etwa das AMAD Projekt in Nigeria, das Baytree Centre in London, Colegio Montefalco in Mexico oder die SAFI in Rom. Unser Gründer hat sich immer dafür stark gemacht, dass Frauen Zugang zu höherer Bildung erhalten. In Deutschland ist das normal. Aber Mitglieder des Opus Dei haben dafür schon vor Jahrzehnten in Ländern wie Mexiko oder Kenia gearbeitet.

Es gab in der Vergangenheit Kritik, das Frauenbild im Opus Dei knüpfe an das alte Rollenverständnis an, wonach die Frau vor allem für niedrige Arbeiten im Haushalt zuständig ist.

Vidal: Das ist aus zwei Gründen falsch. Erstens sind es im Opus Dei relativ wenige Frauen, die sich beruflich für die Hauswirtschaft entscheiden. Zweitens zählt die Arbeit in der Hauswirtschaft nicht zu den niedrigen Jobs – auch wenn sie leider oft schlecht entlohnt wird. Ein Zuhause zu schaffen, ist ohne hauswirtschaftliche Tätigkeit nicht möglich. Aber das ist natürlich nicht nur eine Aufgabe der Frauen, sondern auch der Männer. Weil jeder Mensch ein Zuhause braucht, ist diese Arbeit für die Gesellschaft so wichtig.

Stehen den Frauen im Opus Dei Leitungsämter offen?

Vidal: Selbstverständlich. Der Beitrag der Frauen im Opus Dei ist in Rom wie in den verschiedenen Ländern absolut notwendig, was Leitungsaufgaben angeht. Der Prälat übt sein Amt als Oberhirte des Opus Dei zusammen mit seinen Vikaren unter Mitarbeit von zwei Räten kollegial aus. Diese Räte bestehen hauptsächlich aus Laien, einer aus Frauen, einer aus Männern. Aber es ist nicht das Wichtigste im Opus Dei, ein Leitungsamt zu haben. Die meisten unserer Mitglieder sind verheiratet und leben ihre christliche Berufung in der Familie. Eigentlich sind sie die besseren Botschafter des Opus Dei. Wir sind ja angetreten, um Gott im Kleinkram des Alltags zu entdecken.

Welchen Beitrag leisten Frauen, die Mitglieder sind, in Sozialprojekten oder in Pfarreien?

Vidal: Das bleibt der Freiheit und Kreativität jeder Einzelnen überlassen. Die geistliche und theologische Bildung, die Frauen wie Männer im Opus Dei genießen, aktiviert sozusagen den Sendungsauftrag, den jeder Christ bei der Taufe empfängt. Wie? An erster Stelle, indem jede Frau eine intensive, lebendige und liebevolle Freundschaftsbeziehung zu Jesus Christus pflegt. Durch ihr Leben wollen die Mitglieder des Opus Dei die Liebe Gottes überall hintragen. Arbeitskollegen, Freunde, Nachbarn und viele mehr können in Tuchfühlung mit Gott kommen. Darüber hinaus tragen wir Frauen – Männer natürlich auch – Hand in Hand mit anderen Menschen zur Lösung gesellschaftlicher Fragen bei. Und natürlich übernehmen auch viele unserer Mitglieder Verantwortung in ihnen Pfarreien, indem sie beispielsweise Firmunterricht geben oder sich bei der Ehevorbereitung engagieren.

Welches Resümee ziehen Sie nach 90 Jahren Frauen im Opus Dei?

Vidal: Im Leben einer Frau sind 90 Jahre ein beachtliches Alter. Ich denke an Ana Quintana, eine der drei Frauen, die 1956 mit der Arbeit der Frauen des Opus Dei in Deutschland begonnen haben. Sie wird in diesem Jahr 92 Jahre alt und erfreut sich, Gott sei Dank, guter Laune und bester Gesundheit. Ihr und vielen anderen Frauen der Anfänge gilt unser aller Dank! Für ein „übernatürliches Unternehmen“ aber, das darauf angelegt ist, solange auf der Erde zu wirken, wie es Menschen gibt, sind 90 Jahre nichts. Ich bin vor allem dankbar, weil in den 90 Jahren sehr viel Gutes geschehen ist - im Dienst an der Kirche und den Menschen.

Was wünschen Sie sich für die Zukunft?

Vidal: Gelassenheit, Zuversicht und gute Laune. Ja, die Zeiten sind schwierig und die Herausforderungen groß, aber Gott hat uns seinen Beistand zugesichert. Trotz allem! Manchmal wünsche ich mir mehr Unternehmergeist. Stellen Sie sich mal vor, die Apostel hätten sich damals deprimiert zurückgezogen, ganz nach dem Motto: Was können wir zwölf Männekes schon für die ganze Welt ausrichten? Dennoch sieht die Realität heute so aus, dass viele Menschen scheinbar taub sind für Gott. Das ist auch eine kritische Anfrage an uns alle. Der heilige Josefmaria hat einmal gesagt: „Wären doch dein Verhalten und deine Worte so, dass jeder, der dich sieht oder mit dir spricht, unwillkürlich dächte: Der da beschäftigt sich mit dem Leben Jesu.“ Ein schöner Satz, aber leider sind wir oft weit davon entfernt. Das soll uns nicht traurig machen. Gott hält zu uns. Die Freude über diese Liebe Gottes zu jedem Menschen – das wünsche ich uns allen.