Gott kam zu einer bestimmten Zeit, an einem bestimmten Ort auf die Welt (Teil II)

Gott hat uns mit seiner Menschwerdung nicht nur besucht, er wollte sich mit jedem Menschen auf dieser Welt vereinigen, schreibt Johannes Vilar im zweiten Teil seiner Besinnung zu Weihnachten.

Wie hat Jesus Christus gelebt?

Der menschgewordene Sohn Gottes ist, als wahrer Gott und als wahrer Mensch, in einer bestimmten Zeit, zu einem bestimmten Ort, auf einer bestimmten Weise gekommen. In allem uns gleich außer der Sünde (Hebr 4, 15; vgl. Phil 2, 6-8). Das 2. Vatikanische Konzil wollte es präzise feststellen: »Der Sohn Gottes, hat sich in seiner Menschwerdung gewissermaßen mit jedem Menschen vereinigt. Mit Menschenhänden hat er gearbeitet, mit menschlichem Geist gedacht, mit einem menschlichen Willen hat er gehandelt, mit einem menschlichen Herzen geliebt. Geboren aus Maria, der Jungfrau, ist er in Wahrheit einer aus uns geworden, in allem uns gleich außer der Sünde.«1Um dies zu erreichen, hat er sich bestimmter Menschen bedient und mit denen die Heilige Familie gegründet. Der heilige Josefmaria nannte sie »Dreifaltigkeit der Erde«2

Maria wurde von Ewigkeit her erwählt, von jeder Art von Sünde bewahrt und als Jungfrau und Mutter, als »Mutter Gottes«, erkannt und verehrt.3 Etwa sechs Monate nach der Empfängnis des Johannes des Täufers wurde der Engel Gabriel von Gott in eine Stadt in Galiläa namens Nazaret zu einer Jungfrau gesandt. Sie war mit einem Mann namens Josef vermählt, der aus dem Haus David stammte.Der Name der Jungfrau war Maria (Lk 1, 26f). Nach der Frage, die Maria stellte, antwortete ihr der Engel: Der Heilige Geist wird über dich kommen, und die Kraft des Höchsten wird dich überschatten. Deshalb wird auch das Kind heilig und Sohn Gottes genannt werden (Lk 1, 35).

Und Maria antwortete mit einem „Ja“ voll Vertrauen: Ich bin die Magd des Herrn; mir geschehe, wie du es gesagt hast (Lk 1, 38). So fängt Johannes sein Evangelium an: Das Wort ist Fleisch geworden und hat unter uns gewohnt und wir haben seine Herrlichkeit gesehen, die Herrlichkeit des einzigen Sohnes vom Vater, voll Gnade und Wahrheit (Joh 1,14).

Gott hat Pläne für Josef

Auch der heilige Josef wurde hier einbezogen. Wir haben nur zwei zuverlässige Quellen zu diesen Ereignissen: Matthäus und Lukas. Daher müssen wir auch die zweite Quelle berücksichtigen.

Ehe als sie zusammenkamen, wurde sie [Maria] gefunden als eine im Mutterleib Habende vom Heiligen Geist. Josef, ihr Mann (ho anèr autês), der gerecht war und sie nicht bloßstellen wollte, hatte vor, sie heimlich zu entlassen (Mt 1, 18f). Aber Gott hat andere Pläne. Josef bekam von oben nicht nur eine Erklärung für das, was er schon wusste, d. h. warum es so war: Die Worte des Engels an Josef, Jes 7, 14 zitierend, waren: Man wird ihm den Namen Immanuel geben, das heißt übersetzt: Gott mit uns (Mt 1, 23). Darüber hinaus sollte Josef, damit verbunden, eine Aufgabe wahrnehmen: dem Kind den Namen geben4 und Haupt der Heiligen Familie sein mit allen praktischen und rechtlichen Folgen, die daraus hervorgehen (vgl. Mt 1, 20-23). Das war seine Berufung. Als er das erfuhr, änderte er sein Vorhaben, da er innerlich flexibel war, »sofort«: Als Josef erwachte, tat er, was der Engel des Herrn ihm befohlen hatte(Mt 1, 24). Von ihm wird auch berichtet: Da stand Josef in der Nacht auf und ... (Mt 2, 14). Josef ist ein Mann der Tiefe und ein Mann der Tat. Das Verhalten Josefs in Betlehem vor der Geburt Jesu und der Zwischenaufenthalt in Ägypten zeigen es deutlich. Papst Franziskus veröffentlichte 2020das Apostolische Schreiben Patris corde (8.12.2020), einen ausführlichen Bericht über seine Initiativen und Verantwortungsbewusstsein bei der Suche nach Lösungen vor außerordentlichen Schwierigkeiten, das auch Beispiel für die Christen heute sein soll.

Auch für den Alltag, für die berufliche Arbeit, für das Familienlebens undsoweiter, ist das Leben der Heiligen Familie ein Referenzpunkt. Nicht ohne Grund hat Papst Pius IX. ihn feierlich zum Schutzpatron der Universalkirche ernannt.5Das Vertrauen der Christen an den Heiligen Josef ist im Laufe der Jahrhunderte gewachsen. Der heilige Josefmaria hat immer wieder angespornt, Zuflucht zu ihm zu suchen. Einmal berichtete er: »Schon seit langem rufe ich den heiligen Josef mit jenen Worten an, die die Kirche unter die Gebete zur Vorbereitung auf die heilige Messe aufgenommen hat: ›Josef, du Glückseliger, dir war vergönnt, Gott zu sehen und zu hören, den viele Könige sehen und hören wollten, aber weder sahen noch hörten. Du hast ihn nicht nur gesehen und gehört, sondern auf Händen getragen, geküßt, bekleidet und beschützt. Bitte für uns!‹«6

Licht vom Licht“ heisst es im Glaubensbekenntnis

Weihnachten 2007 predigte Papst Benedikt XVI.: »Gott ist Licht – sagt der heilige Johannes – und keine Finsternis ist in ihm (1 Joh 1, 5). Im Buch Genesis lesen wir, dass, als das Universum seinen Anfang nahm, die Erde wüst und wirr war und Finsternis über der Urflut lag. Und Gott sprach: Es werde Licht. Und es wurde Licht (Gen 1, 2f). Das schöpferische Wort Gottes – dabar auf Hebräisch, verbum auf Latein, logos auf Griechisch – ist Licht, Quelle des Lebens. Alles ist durch den Logos geworden und ohne Ihn wurde nichts, was geworden ist (Joh 1, 3). Das ist der Grund, warum alle Geschöpfe grundsätzlich gut sind und Gottes Spur in sich tragen, einen Funken seines Lichts. Dennoch, als Jesus aus der Jungfrau Maria geboren wurde, ist das Licht selbst in die Welt gekommen: ›Gott von Gott, Licht vom Licht‹ bekennen wir im Credo. In Jesus hat Gott angenommen, was er nicht war, während er blieb, was er war: Die Allmacht trat in einen Kindesleib ein und entzog sich nicht der Leitung des Weltalls«7Das Licht blendet so sehr, dass das Wort sich entäußern musste, um unter uns zu weilen (vgl. oben Phil 2, 6-8). »Endlich kommt die Fülle der Zeit. Doch es erscheint kein philosophisches Genie wie Platon oder Sokrates, um diese Aufgabe zu erfüllen. Ebensowenig zeigt sich ein mächtiger Welteroberer wie Alexander der Große. Ein Kind wird in Betlehem geboren. Es ist der Retter der Welt. Doch bevor es spricht, liebt es mit Werken. Es bringt keine Zauberformel mit, denn es weiß, dass die Erlösung, die es anbietet, sich nur in den Herzen der Menschen vollziehen kann. Zuerst geschieht nichts anderes als das Lachen und Weinen eines Kindes, der unschuldige Schlaf eines fleischgewordenen Gottes: dies alles, damit in uns die Liebe aufbricht und wir das Kind ohne Scheu in die Arme nehmen.«8Jesus ist wirklich der Immanuel (Gott mit uns, er erfüllt Jes 7, 14, von Mt 1, 23 zitiert). Wie Benedikt XVI. differenziert, als er von dem Namen Jesus spricht, »der zwar nicht mit Namen Immanuel heißt, aber Immanuel ist, wie die ganze Geschichte der Evangelien darzustellen versucht. Dieser Mensch – so zeigen sie uns – ist selber in Person das Mit-Ssein Gottes mit den Menschen. Er ist wahrer Mensch und zugleich Gott, Gottes wahrer Sohn.«9

1 Konst. Gaudium et spes, Nr. 22

2 Den Ausdruck »Dreifaltigkeit« in diesem Zusammenhang zu benutzen, kommt selten vor, dennoch ist er nicht unbekannt. In einer Predigt auf dem Konzil von Konstanz hat Johannes Charlier (1363–1429; ab 1395 Kanzler der Pariser Universität und unter dem Namen Gerson bekannt) die Heilige Familie mit dem Namen »Trinität« bezeichnet. Kardinal Meisner sprach manchmal über die Trinitas increata und die Trinitas creata. In seinem Buch über Johannes Paul II. erklärt er den Zusammenhang dieser Bezeichnungen aus einem Gespräch mit diesem Papst: »Er erinnerte an jene Trinitätsikone, die in seiner polnischen Heimat und in der Ukraine weit verbreitet ist.«

3 Der Titel »Mutter Gottes« ist die höchste theologische Bezeichnung Mariens: »Theotókos«, Gottesgebärerin. Nur sie verdient diesen Titel. Es entspricht dem Kern ihrer Berufung – ihre ewige Auserwählung –, Mutter Jesu zu sein. Daraus entspringt alles andere in ihrem Leben. – Diese Gottesmutterschaft Mariens war eine besondere Freude des christlichen Volkes. Als Nestorius Maria den Titel Gottesgebärerin absprach, gab es Unruhe unter dem Volk, und es wurde ein Konzil in Ephesus im Jahr 431 einberufen, das festlegte: »Jesus Christus w urde nicht zuerst wie ein gewöhnlicher Mensch aus der heiligen Jungfrau geboren, sondern er war schon im Mutterschoß geeint«. (Jesus Christus ist eine einzige Person, nämlich die Person des Logos. Das ewige Wort als Person mit göttlicher Natur nahm in der Zeit im Schoß einer Frau die menschliche Natur an). Als Folge dessen haben die Väter dieses Konzils bestimmt, das diese Frau, die heilige Jungfrau Maria, Gottesgebärerin genannt werden kann und soll. Vgl. Konzil von Ephesus (3. Ökum.). DH 250-264.

4 So wird Josef auch mitgeteilt, warum das Kind Jesus heißen soll, denn Ješua‘ aus dem Hebräisch, Abkürzung von Jehôšūa‘, bedeutet: »der Herr ist das Heil«. Jesus wird auch Christus genannt (Mt 1, 16); Christòs (gr.) entspricht mašíah (hebr.) bzw. mešiha‘ (aram.), »der Gesalbte«.

5 Am 8. Dezember 1870 wurde während der heiligen Messe in der Lateranbasilika, in Santa Maria Maggiore und im Petersdom zugleich das Dekret der Ritenkongregation vorgelesen, mit dem der Papst das Patrozinium des heiligen Josefs über die ganze Kirche proklamierte. Ritenkongregation: Dekret Quemadmodum Deus Josephum, 8.12.1870. Pii IX P. M. Acta 1/V, 282f; ASS 6 (1870-1872) 193f, und Pius IX.: Apost. Schr. Inclytum Patriarcham, 7.7.1871. ASS 6(1870.-872) 324-327.

Besonders über das Leben Jesu und die Ehe zwischen Maria und Josef, kurz: über das soggenannte »verborgenes Leben Jesu« wird ausführlich berichtet in: Vilar, Johannes: Nazaret. Leben und Arbeit der Heiligen Familie. Bernardus Verlag, Aachen 2016.

6 Betrachtung am 19.3.1963, aufgenommen in: Christus begegnen, Nr. 54.

7 Vgl. Augustinus: Sermo 184, 1 über Weihnachten.

8 Escrivá, Josemaría: Betrachtung am 25.12.1963, aufgenommen in: Christus begegnen, Nr. 36. Dieser Gedanke fußt auf seiner eigenen Erfahrung als Rektor des »Patronats von Santa Isabel« in Madrid. Die Nonnen hatten eine kleine Figur des Jesuskindes, die dem heiligen Josefmaria besonders gefiel. Er nahm diese Figur in seine Arme, sangt, wiegte sie usw. Siehe den Text in seinem Buch Der Rosenkranz (3. freudenreiches Geheimnisse), das er im Jahr 1931 schrieb. Adamas, Köln, 5. Aufl. 1994.

9Jesus von Nazareth, Prolog. Herder, Freiburg 2012, 57.

Johannes Vilar