Der Weg der Ökumene – Dialog mit Gott und den getrennten Brüdern und Schwestern

Da, wo Spaltungen und Zerrissenheit herrschen, gilt es den Weg der Versöhnung einzuschlagen.

„Alle sollen eins sein: Wie du, Vater, in mir bist und ich in dir bin, sollen auch sie in uns sein, damit die Welt glaubt, dass du mich gesandt hast.“ (Joh 17, 21)

Dieses Wort der Schrift macht deutlich: Die Glaubwürdigkeit des Zeugnisses der Christen für ihren Herrn hängt von ihrer Einheit untereinander ab. Da, wo die Christen zerstritten sind, verblasst das Bekenntnis zu dem einen Herrn Jesus Christus. „Ist denn Christus zerteilt?“ (1 Kor 1, 13) So fragte Paulus die in sich zerstrittene Gemeinde in Korinth. Dieser Frage muss sich auch die heutige Christenheit angesichts der unterschiedlichen Konfessionen und Gruppierungen, die sich auf Jesus Christus berufen, stellen. „Eine solche Spaltung widerspricht aber ganz offenbar dem Willen Christi, sie ist ein Ärgernis für die Welt und ein Schaden für die heilige Sache der Verkündigung des Evangeliums vor allen Geschöpfen.“[1] Gerade in Deutschland, dem Land der Reformation, sind die Wunden dieser Spaltung im Glauben bis in die Familien hinein spürbar.

„Alle sollen eins sein“ (Joh 17, 21) Wie können die Christen dieser eindringlichen Bitte Jesu entsprechen? Wie kann der Weg zur Einheit gestaltet werden?

„Es gibt keinen echten Ökumenismus ohne innere Bekehrung. Denn aus dem Neuwerden des Geistes aus der Selbstverleugnung und aus dem freien Strömen der Liebe erwächst und reift das Verlangen nach der Einheit.“[2] „Diese Bekehrung des Herzens und die Heiligkeit des Lebens ist in Verbindung mit dem privaten und öffentlichen Gebet für die Einheit der Christen als die Seele der ganzen ökumenischen Bewegung anzusehen; sie kann mit Recht geistlicher Ökumenismus genannt werden.“[3] Diese Zitate aus dem Ökumenismusdekret des letzten Konzils machen deutlich, dass der Weg zur Einheit in erster Linie ein geistlicher Weg ist.

Der Einheit der Christen untereinander geht die Einheit der Christen mit Christus voraus. Beides „ist ein Geschenk, das von oben kommt, das aus der Liebesgemeinschaft zwischen Vater, Sohn und Heiligem Geist entspringt und in ihr wächst und sich vervollkommnet. Die Entscheidung, wann und wie sich diese Einheit voll verwirklichen wird, liegt nicht in unserer Macht. Gott allein wird es vollbringen können! Wie der hl. Paulus setzen auch wir unsere Hoffnung und unser Vertrauen »in die Gnade Gottes zusammen mit uns«. Liebe Brüder und Schwestern, dies will das Gebet erflehen, das wir gemeinsam zum Herrn erheben, damit er uns bei unserer ständigen Suche nach Einheit erleuchte und beistehe.“[4]

Da, wo Spaltungen und Zerrissenheit herrschen, gilt es den Weg der Versöhnung einzuschlagen. Viele Schritte in diese Richtung sind schon unternommen worden. So sind die Konfessionskriege vergangener Jahrhunderte bei uns heute unvorstellbar. Die Christen der verschiedenen Konfessionen sind aufgerufen, sich brüderlich zu begegnen. „Der ehrliche und aufrichtige Dialog stellt das unabdingbare Instrument für die Suche nach der Einheit dar. Das Dekret des Zweiten Vatikanischen Konzils über den Ökumenismus hat unterstrichen, dass Fortschritte auf dem Weg der Gemeinschaft nicht einmal vorstellbar sind, wenn die Christen einander nicht kennen. Im Dialog nämlich hört man aufeinander und teilt sich mit; man stellt sich einander gegenüber und kann mit der Gnade Gottes zur Übereinstimmung über sein Wort gelangen, indem man die Anforderungen dieses Wortes, die für alle gültig sind, annimmt.“[5]

Der Dialog ist nicht von der Wahrheit zu trennen. Wer die eigenen Überzeugungen über Bord wirft, verrät nicht nur seine Position, sondern nimmt auch sein Gegenüber nicht ernst. Auch wenn die katholische Kirche weiterhin darauf besteht, dass die Kirche Jesu Christi in ihr verwirklicht (subsistit in) ist[6], so ist sie gleichzeitig sensibel für vielfältige Elemente der Heiligung und der Wahrheit außerhalb ihrer sichtbaren Grenzen: „...'das geschriebene Wort Gottes, das Leben der Gnade, Glaube, Hoffnung und Liebe und andere innere Gaben des Heiligen Geistes und sichtbare Elemente' (UR 3; vgl. LG 15). Der Geist Christi bedient sich dieser Kirchen und kirchlichen Gemeinschaften als Mittel zum Heil.“[7]

Dass Ökumene in diesem Sinn möglich ist, sieht man z. B. an der Gebetswoche für die Einheit der Kirche, die von vielen Kirchen und kirchlichen Gemeinschaften im Januar gehalten wird. Viele Projekte auf internationaler, nationaler oder regionaler Ebene zeigen, dass das gemeinsame Eintreten für grundlegende christliche Werte möglich und hilfreich ist. Der hl. Josefmaria Escrivá macht diesbezüglich auf zwei wirksame Prinzipien aufmerksam: „Die Treue zur Wahrheit und die Freundschaft. Es kann kein fruchtbarer Dialog entstehen, ohne dass ein echtes Klima der Freundschaft, der Aufrichtigkeit und klarer Überzeugungen existiert oder geschaffen wird. (...) Ich habe es euch so oft mit Worten des hl. Paulus gesagt: veritatem facientes in caritate (Eph 4, 15): die Wahrheit in Liebe tun, das ist die einzige Art und Weise, wie man einen Dialog führen, die Lehre Christi mitteilen kann.“[8] Der katholischen Personalprälatur Opus Dei sind viele nichtkatholische Christen freundschaftlich verbunden. Einige von ihnen sind sogar Mitarbeiter des Opus Dei und unterstützen aktiv gesellschaftliche und apostolische Initiativen des Opus Dei. Die korporative Einrichtungen des Opus Dei stehen auch Christen anderer Konfession offen.

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[1] Zweites Vatikanisches Konzil, Dekret über den Ökumenismus Unitatis redintegratio, 1.

[2] Zweites Vatikanisches Konzil, Dekret über den Ökumenismus Unitatis redintegratio, 7.

[3] Zweites Vatikanisches Konzil, Dekret über den Ökumenismus Unitatis redintegratio, 8.

[4] Papst Benedikt XVI – Predigt am 25. 01. 2008 in Sankt Paul vor den Mauern, Rom.

[5] Papst Benedikt XVI – Predigt am 25. 01. 2007 in Sankt Paul vor den Mauern, Rom.

[6] vgl. Katechismus der Katholischen Kirche, 870.

[7] Katechismus der Katholischen Kirche, 819.

[8] Hl. Josefmaria Escrivá, Brief vom 24. 10. 1965, 15 und 75.

von Klaus Klein-Schmeink