Betrachtungstext: 5. Sonntag im Jahreskreis (C)

Christus kann unser Leben zum Guten verändern - Viele haben, wie die Apostel, ihr Boot Jesus überlassen - Liebe Gott so, wie er geliebt werden will

ES GAB VIELE, die die Gelegenheit hatten, den Herrn zu sehen, ihn zu hören und sich von seiner Gegenwart nähren zu lassen. Als die Volksmenge Jesus bedrängte und das Wort Gottes hören wollte, da stand er am See Gennesaret (Lk 5,1), heißt es im Evangelium. Das Verb, das Lukas verwendet ‒ ihn bedrängt ‒ gibt uns eine Vorstellung von der Vielzahl der Menschen, die am See Gennesaret versammelt waren. Sie mussten sich durchdrängen, um in die Nähe von Jesus zu gelangen. Wenn wir jedoch die gesamte Zeit des Herrn auf Erden betrachten, könnten wir uns fragen: Wie viele dieser Menschen haben zugelassen, dass die Botschaft Christi ihr Leben wirklich verändert? Vielleicht ist in vielen Fällen das eingetreten, was der heilige Josefmaria später beschrieben hat: dass es möglich ist, die Botschaft Jesu an sich selbst spurlos dahinfließen zu lassen wie Wasser über Granit fließt1.

Auch heute können wir ähnliche Szenen beobachten: Es gibt viele Menschen, auch Nichtchristen, die sich von der Botschaft Jesu angezogen fühlen; es gibt unzählige Quellen, die uns von seiner Person, seiner Gestalt, seiner Botschaft erzählen... und sie stoßen immer auf Interesse. Wie viele aber bekehren sich täglich durch diesen Kontakt mit Jesus? Wie viele öffnen sich für das Geschenk der Frömmigkeit, die unsere Beziehung zu Gott verwandelt? Der Herr bietet uns eine Freundschaft, die unser Leben verändert und uns mit Begeisterung, mit Freude erfüllt. Daher ruft die Gabe der Frömmigkeit in uns vor allem Lob und Dank hervor. Denn das ist der Grund und der wahrhaftigste Sinn unseres Gottesdienstes und unserer Anbetung. Wenn der Heilige Geist uns die Gegenwart des Herrn und seine ganze Liebe zu uns wahrnehmen lässt, dann erwärmt sich unser Herz und bringt uns gleichsam auf natürliche Weise zum Gebet und zur Feier2.

AN DEMSELBEN Ort und an demselben Tag ereignete sich auch das umgekehrte Phänomen. Alles begann mit einer Initiative Jesu: Jesus stieg in eines der Boote, das dem Simon gehörte, und bat ihn, ein Stück weit vom Land wegzufahren (Lk 5,3), damit die Menge ihn besser sehen und hören konnte. Diese einfache Geste war der Beginn einer gemeinsamen Geschichte. Zunächst dachten die Fischer, sie würden Jesus einen Gefallen tun. Doch nach und nach merkten sie, dass er das Ruder des Bootes übernahm. Wenige Minuten später wurde ihnen klar, dass sie Zeugen von etwas Außergewöhnlichem geworden waren: einem wundersamen Fischfang. Und am Ende, als sie an das Ufer zurückkehrten, verstanden sie, dass in Zukunft nichts mehr so sein würde wie vorher. Es war, als hätten sie zum ersten Mal die Augen geöffnet.

Was an jenem Abend in Gennesaret geschah, hat sich unzählige Male wiederholt. Viele haben leider nicht erkannt, dass es Jesus war, der sie um das Boot gebeten hat, und so hat sich ihr Leben vielleicht immer wie in einer einzigen Dimension, in einer Ebene, ohne Höhen und Tiefen, abgespielt. Glücklicherweise haben viele andere im Laufe der Geschichte Ja gesagt. So viele Christen, die uns im Glauben vorausgegangen sind, zeigen, dass Gott weiterhin ruft. Die Zustimmung der Heiligen leuchtet besonders hell. Vor Gennesaret noch hatte Gott Maria gerufen. Und Jahrhunderte später würde er in Mailand Augustinus, in Siena Katharina, in Pamplona Iñigo, in Uganda Karl oder in Logroño einen jungen Mann namens Josemaría erwecken. Sie alle sagten Ja und wie diese ersten Fischer entdeckten sie nicht nur alle weiteren Dimensionen ihres Lebens, sondern veränderten auch den Lauf der Geschichte.

WENIGE WORTE des heiligen Josefmaria geben uns den Schlüssel zum Verständnis, warum die beiden möglichen Wege, die im heutigen Evangelium beschrieben werden, so unterschiedlich sind: Ich will mich durchtränken lassen, mich bekehren, mich erneut dem Herrn zuwenden und Ihn lieben, wie Er geliebt werden will3. Vielleicht liegt der Unterschied zwischen den Menschen, die an jenem Tag einfach auf den Herrn hörten, und den Aposteln, die ihr Leben für immer verändert sahen, in dieser Intuition: Gott zu lieben, "wie er geliebt werden will". Während die einen nur eine Botschaft unter vielen hörten, verstanden die anderen, dass hinter dem Handeln Jesu die Liebe steht. Und im Angesicht der Liebe haben wir die Freiheit, vorüberzugehen, aber wir haben auch die Freiheit, unser Leben aufs Spiel zu setzen und uns auf ein Abenteuer einzulassen, das das größte Glück verspricht.

Die Betrachtung dieser Szene kann uns also unter anderem helfen, uns an die Berufung zu erinnern, uns,mit Worten des hl. Josefmaria, wie Menschen zu verhalten, die Gott lieben4. Wenn wir diese Einladung annehmen wollen, müssen wir uns jedoch eine Frage stellen: Wie will unser Herr geliebt werden? Wie will er, dass ich ihn liebe? Die Heilige Schrift bietet uns viele Hinweise, um die Antwort zu finden: Darum sollst du den HERRN, deinen Gott, lieben mit ganzem Herzen, mit ganzer Seele und mit ganzer Kraft (Dtn 6,5), heißt es im Deuteronomium; Liebt einander! Wie ich euch geliebt habe, so sollt auch ihr einander lieben (Joh 13,34), sagt uns Christus selbst. Kurz gesagt, die christliche Botschaft war nicht nur "informativ", sondern "performativ" – das heißt: Das Evangelium ist nicht nur Mitteilung von Wißbarem; es ist Mitteilung, die Tatsachen wirkt und das Leben verändert5.

Das beste Beispiel für diese verwandelnde Dimension der Gegenwart Christi ist Maria, die Allerseligste Jungfrau: Sie sagte: Mir geschehe, wie du es gesagt hast (Lk 1,38). Die Worte, die wir beim Angelus wiederholen, sind der beste Ausdruck der Fügsamkeit gegenüber dem Abenteuer Gottes. Es geht darum, zu erkennen, dass Jesusjeden Tagan unsere Seite tritt und von uns ‒ hier und jetzt ‒ erwartet, daß wir uns ernsthaft ändern6.

1 Hl. Josefmaria, Christus begegnen, Nr. 59.

2 Papst Franziskus, Generalaudienz, 4. Juni 2014.

3 Hl. Josefmaria, Christus begegnen, Nr. 59.

4 Ebd., Nr. 60.

5 Benedikt XVI., Spe Salvi, Nr. 2.

6 Hl. Josefmaria, Christus begegnen, Nr. 59.