Betrachtungstext: 34. Woche im Jahreskreis – Christkönig (A)

Jesus ist König des Universums und jedes einzelnen von uns – Ohne Angst vor dem Gericht – Christus identifiziert sich mit seinen Schafen

MIT DEM CHRISTKÖNIGSFEST geht das liturgische Jahr zu Ende. In diesen Wochen, in denen uns die Kirche dazu ermutigt, über die letzten Wahrheiten nachzudenken, gelangen wir zu einer klaren Erkenntnis: Jesus Christus ist der Herr über die Welt- und zugleich über jede persönliche Geschichte. Im Tagesgebet beten wir: „Allmächtiger, ewiger Gott, du hast deinem geliebten Sohn alle Gewalt im Himmel und auf Erden gegeben und ihn zum Haupt der neuen Schöpfung gemacht. Befreie alle Geschöpfe von der Macht des Bösen, damit sie allein dir dienen und dich in Ewigkeit preisen.“ Nichts, was geschieht, entgeht seiner Kenntnis. Keine unserer Sorgen oder Wünsche sind umsonst, denn er herrscht über allem.

Regnare Christum volumus. Dies war der bischöfliche Wahlspruch des seligen Álvaro del Portillo: Wir wollen, dass Christus herrsche. Es ist eines der Stoßgebete, die der heilige Josefmaria schon in jungen Jahren verwendete. „Christus soll herrschen, vor allem in unserer Seele“, sagte er. „Doch was würden wir antworten, wenn er uns fragte: Willst du, dass ich in dir herrsche? Ich würde ihm erwidern, dass ich dazu reichlich Gnade von ihm benötige. Denn nur so wird sich auch noch der letzte Herzschlag, der letzte Atemzug, der flüchtigste Blick, das einfachste Wort, die elementarste Empfindung in ein Hosanna, in einen Freudenruf auf Christus, meinen König, verwandeln.“1

Papst Franziskus ermutigte uns einmal am heutigen Festtag, uns klar zu positionieren: „Jesus verlangt von uns heute, dass wir zulassen, dass er unser König wird. Ein König, der uns mit seinem Wort, mit seinem Beispiel und mit seinem am Kreuz geopferten Leben vom Tod gerettet hat. Dieser König weist dem verlorenen Menschen den Weg und schenkt unserem von Zweifel, Furcht und alltäglichen Prüfungen geprägten Dasein neues Licht. Wir dürfen jedoch nicht vergessen, dass das Königtum Jesu nicht von dieser Welt ist. Er wird unserem bisweilen auch durch unsere Fehler und Sünden hart geprüften Leben einen neuen Sinn geben können, jedoch unter der Bedingung, dass wir nicht den Logiken der Welt und ihrer ,Könige‘ folgen.“2


IM HEUTIGEN EVANGELIUM kündigt Jesus das Weltgericht an und schildert, wie er selbst auf dem Thron seiner Herrlichkeit die Menschen voneinander scheiden wird, wie der Hirt die Schafe von den Böcken scheidet (Mt 25,32). Es mag überraschen, dass der Herr sich in diesem Zusammenhang nicht als furchterregender Richter, sondern als barmherziger Hirte präsentiert. Jesus ist als erster an unserem Heil interessiert. Er ist der Hirte, der alles tut, um die verirrten Schafe zur Herde zurückzubringen. Ich, ich selber werde meine Schafe weiden und ich, ich selber werde sie ruhen lassen – Spruch Gottes, des Herrn. Das Verlorene werde ich suchen, das Vertriebene werde ich zurückbringen (Ez 34,15-16).

Der heilige Josefmaria betonte, dass der Herr „kein tyrannischer Herrscher und kein strenger, unversöhnlicher Richter ist: Er ist unser Vater. Er spricht uns zwar auf unsere mangelnde Großzügigkeit, unsere Sünden und Fehler an; dies aber, um uns davon zu befreien und uns seine Freundschaft und Liebe anzubieten. Unsere Umkehr vollzieht sich im freudigen Bewusstsein unserer Gotteskindschaft. Dieses sagt uns, dass wir zum Haus des Vaters heimkehren.“3 Daher ist das Bild vom Letzten Gericht, wie Papst Benedikt unterstrich, „zuallererst nicht ein Schreckbild, sondern ein Bild der Hoffnung“4.

Wer allein aus Angst handelt – sei es vor einer möglichen Bestrafung, vor Gesichtsverlust oder aus anderen Gründen –, wird seinem Tun nicht den vollen Sinn geben können. Er mag äußerlich korrekte Handlungen vollziehen, wird sich aber wegen seiner ungenügenden Motivation schwerlich an dem Guten erfreuen, das diese für sein Leben bedeuten. Sein Verhalten ist bloß dadurch motiviert, negative Folgen zu vermeiden. Indem Jesus sich als Richter-Hirte vorstellt, ruft er uns auf, furchtlos auf diese endgültige Begegnung mit ihm zuzugehen. Es wird außerdem ein lang ersehnter Moment sein, denn wir werden die Liebe betrachten, die allen unseren Handlungen einen Sinn gegeben hat: Jesus Christus. Wir wollen uns daher oft das Motto des heiligen Josefmaria vor Augen halten: „Funkelt in deiner Seele nicht der Wunsch, deinem Vater Gott Freude zu machen, wenn er dich richten soll?“5


IN DIESEM Gericht lobt der Herr diejenigen, die ihn in ihrer Not erkannt haben und ihm zu Hilfe geeilt sind. Als ihn die Gerechten fragen, wann sie solch gute Taten vollbracht haben sollten, weil sie sich nicht daran erinnern können, versichert Jesus ihnen: Amen, ich sage euch: Was ihr für einen meiner geringsten Brüder getan habt, das habt ihr mir getan (Mt 25,40). In ähnlicher Weise, aber in umgekehrter Richtung, sagt er zu denen, die sich nicht um die Schwächsten gekümmert haben: Amen, ich sage euch: Was ihr für einen dieser Geringsten nicht getan habt, das habt ihr auch mir nicht getan (Mt 25,45). So stellt sich Christus nicht nur als der Hirte vor, sondern identifiziert sich auch mit den Schafen seiner Herde: Jede Geste der Zuneigung oder Ablehnung gegenüber unseren Brüdern und Schwestern, insbesondere gegenüber den Bedürftigsten, wird so gewertet, als ob sie ihm persönlich zuteil geworden wäre.

Der Herr schließt mit der Ankündigung des Gerichts: Diejenigen, die die Bedürfnisse ihrer Mitmenschen ignoriert haben, werden weggehen zur ewigen Strafe, die Gerechten aber zum ewigen Leben (Mt 25,46). So betont Jesus, wie Papst Franziskus es ausdrückte, dass wir „am Ende unseres Lebens nach der Liebe gerichtet werden, das heißt nach unserem konkreten Bemühen, Jesus in unseren geringsten und bedürftigsten Brüdern und Schwestern zu lieben und zu dienen. Jener Bettler, jener Bedürftige, der die Hand ausstreckt, ist Jesus; jener Kranke, den ich besuchen muss, ist Jesus; jener Gefangene ist Jesus; jener Hungrige ist Jesus.“6 So macht uns Christus sein Königtum sichtbar: indem er in den Schwachen gegenwärtig wird. Wir bitten die Jungfrau Maria, uns zu helfen, ihren Sohn in den Menschen zu erkennen, denen wir begegnen, im Bewusstsein, dass wir durch unseren Wunsch, ihnen zu dienen, den König des Universums lieben.


1 Hl. Josefmaria, Christus begegnen, Nr. 181.

2 Franziskus, Angelus-Gebet, 25.11.2018.

3 Hl. Josefmaria, Christus begegnen, Nr. 64.

4 Benedikt XVI., Spe Salvi, Nr. 44.

5 Hl. Josefmaria, Der Weg, Nr. 746.

6 Franziskus, Angelus-Gebet, 26.11.2017.