Betrachtungstext: 29. Woche im Jahreskreis – Sonntag (A)

Eine verfängliche Frage – Gebt dem Kaiser, was dem Kaiser gehört – Gebt Gott, was Gott gehört

DIE FÜHRER des Volkes Israel bemühen sich seit mehreren Tagen, in den Worten Jesu eine Ungereimtheit zu entdecken. Diesmal stellen sie ihm eine Frage, die ihrer Meinung nach eine eindeutige Stellungnahme verlangt: Ist es erlaubt, dem Kaiser Steuer zu zahlen, oder nicht? (Mt 22,17). Es sei daran erinnert, dass das jüdische Volk mit seiner Zugehörigkeit zum römischen Reich keineswegs glücklich war; nicht nur aus politischen, sondern auch aus religiösen Gründen, denn der Kaiserkult war ein Affront für einen gläubigen Juden. Die Frage war daher eine Falle, ein Versuch, den Herrn in die Enge zu treiben: Wenn er sagte, es sei rechtmäßig, galt er in den Augen seines Volkes als Verräter; wenn er sagte, es sei nicht rechtmäßig, konnte man ihn bei den römischen Behörden des Aufruhrs anklagen.

Mit seiner Antwort stellt sich Jesus über die Kontroverse: So gebt dem Kaiser, was dem Kaiser gehört, und Gott, was Gott gehört! (Mt 22,21). Einerseits erinnert er an die bürgerlichen Pflichten eines jeden gegenüber dem Staat: Er räumt ein, dass die Steuerabgabe zu zahlen ist, da das Bild auf der Münze das des Kaisers ist. Gleichzeitig betont er die Verantwortung eines jeden Menschen gegenüber Gott, da unseren Herzen und Seelen das göttliche Bild eingeprägt ist. Somit zeigt er, dass das von den israelischen Obrigkeiten aufgeworfene Dilemma nur scheinbar besteht.

Der heilige Josefmaria erinnerte häufig daran, dass es keinen Widerspruch gibt „zwischen dem Dienst an Gott und dem Dienst an den Menschen, zwischen den Rechten und Pflichten eines Staatsbürgers und den Rechten und Pflichten eines Christen, zwischen dem Einsatz für den Aufbau und die Verbesserung der irdischen Stadt und der Überzeugung, dass diese Welt ein Weg ist, der uns in die himmlische Heimat führt.“1 Im Gegenteil: Die beiden Sphären stützen sich gegenseitig, wenn sie in geordneter Weise gelebt werden. Gott die Ehre zu geben, wird dazu führen, dass wir uns um die Welt kümmern, die aus seinen Händen hervorgegangen ist und die er uns als Erbe gegeben hat; gleichzeitig beteiligen wir uns an Gottes Werk, wenn wir uns Seite an Seite mit unseren Mitbürgern für eine gerechtere Welt einsetzen.


GEBT DEM KAISER, was dem Kaiser gehört. Der heilige Josefmaria wiederholte oft, dass wir Christen unsere Arbeit in dieser Welt „mit den Füßen auf der Erde und mit dem Kopf im Himmel“ verrichten. Und er wies seine Kinder darauf hin, dass für sie, „Männer und Frauen der Welt, jede Flucht vor den ehrbaren Wirklichkeiten des alltäglichen Lebens im Gegensatz zum Willen Gottes“2 steht. Die Aufgaben und Pflichten gegenüber der Gesellschaft sind für den Christen ein Weg zur Heiligkeit; wir sind aufgerufen, mit unserer Arbeit dazu beizutragen, die Welt zu einem besseren Ort zu machen und alle Lebensräume und Berufe dieser Erde mit dem Licht Christi zu beleben.

Alles gehört euch; ihr aber gehört Christus und Christus gehört Gott (1 Kor 3,22-23), erklärte Paulus. „In Anbetracht dieser Wirklichkeit“, schrieb der Prälat des Opus Dei, „freuen wir uns, wenn andere sich freuen, genießen sämtliche guten Dinge, die uns umgeben, und fühlen uns von den Herausforderungen unserer Zeit angesprochen.“3 Aufgrund von Krieg und Armut leiden viele Menschen an verschiedenen Orten der Welt unter Bedrängnis und Entbehrungen. Die Worte des heiligen Paulus sind eine Einladung, uns die Nöte dieser Welt zu eigen zu machen, angefangen bei jenen, die sich in Reichweite befinden: eine schmerzhafte Familiensituation, ein Konflikt am Arbeitsplatz, die Mühe, andere in einem stockenden Projekt zum Weitermachen zu ermutigen, und so viele andere Situationen, die sich innerhalb unseres unmittelbaren Horizonts befinden.

Wir alle können dazu beitragen, die Probleme in unserer Zeit und unserer Umgebung zu lindern. Durch die Gemeinschaft der Heiligen wissen wir, dass wir uns durch das Gebet und die Sakramente gegenseitig stützen können. Darüber hinaus können wir mit unseren persönlichen Talenten aktiv werden und das Leben der Bedürftigen, denen wir begegnen, im Rahmen unserer Möglichkeiten verbessern. „Inmitten von Krisen und Stürmen appelliert der Herr an uns“, sagt Papst Franziskus, „und lädt uns ein, die Solidarität neu zu erwecken, die in der Lage ist, festen Boden, Halt und den Stunden, in denen alles Schiffbruch zu erleiden scheint, Sinn zu geben. Möge die Kreativität des Heiligen Geistes uns ermutigen, neue Formen familiärer Gastfreundschaft, fruchtbarer Geschwisterlichkeit und universaler Solidarität zu entwickeln.“4


GEBT GOTT, was Gott gehört. Nachdem er bekräftigt hat, dass es rechtmäßig ist, dem Kaiser Abgaben zu zahlen, hebt Jesus eine viel tiefere Realität hervor: Wir gehören Gott. Die Beziehungen, die wir in einer Gesellschaft eingehen, sind wichtig, sie sind Teil unserer Persönlichkeit sowie der Freuden und Sorgen des Lebens. Doch der Herr erinnert uns daran, dass wir allem zuvor nach dem Bild Gottes geschaffen sind. „Auch wenn auf den römischen Münzen das Bildnis des Kaisers eingeprägt war“, führt Papst Benedikt den Gedanken weiter aus, „und diese deshalb an ihn erstattet werden mussten, so trägt doch das Herz des Menschen das Prägemal des Schöpfers, des einzigen Herrn unseres Lebens. Wahre Laizität bedeutet daher nicht, von der geistlichen Dimension abzusehen, sondern anzuerkennen, dass gerade diese von ihrer Wurzel her Garant unserer Freiheit und der Autonomie der irdischen Wirklichkeiten ist, dank der Gebote der schöpferischen Weisheit, die das menschliche Bewusstsein zu empfangen und zu verwirklichen vermag.“5

Gott hat uns alles geschenkt, was wir sind. Daher können wir unser Leben Tag für Tag, wie Papst Franziskus sagt, „in der Anerkennung dieser unserer grundlegenden Zugehörigkeit und in der Dankbarkeit des Herzens gegenüber unserem Vater leben, der einen jeden von uns einzeln, unwiederholbar, doch immer nach dem Bild seines geliebten Sohnes Jesus geschaffen hat.“6 Das Wissen um unsere Abhängigkeit von Gott macht uns nicht weniger menschlich und schwächt auch nicht unsere Beziehungen, sondern offenbart uns eine andere Wirklichkeit: Indem wir uns als geliebte Kinder des Schöpfers erkennen, entdecken wir unsere höchste Würde, was dazu führt, dass wir uns als Brüder und Schwestern verstehen. Wenn wir uns als Christen für die irdischen Wirklichkeiten einsetzen, geben wir Gott zurück, was ihm gehört: So können wir immer hoffnungsfroh in die Zukunft blicken und mit Tatkraft auf die Herausforderungen unserer Zeit antworten. Bitten wir Maria, Sitz der Weisheit, Ursache unserer Freude, dass wir es verstehen, mit Gottes Hilfe die Welt zu einem besseren Ort zu machen, so wie sie es in ihrem Haus und in Nazareth getan hat.


1 Hl. Josefmaria, Freunde Gottes, Nr. 165.

2 Hl. Josefmaria, Die Welt leidenschaftlich lieben.

3 Msgr. Fernando Ocáriz, Hirtenbrief, 19.3.2022, Nr. 7.

4 Franziskus, Audienz, 2.9.2020.

5 Benedikt XVI., Audienz, 17.9.2008.

6 Franziskus, Angelus-Gebet, 22.10.2017.