Betrachtungstext: 18. Woche im Jahreskreis – Dienstag

Ein bewegtes Meer – Petrus steigt aus dem Boot – Auf die Nähe Christi vertrauen

NACH der Speisung der Volksmenge zog sich Jesus auf den Berg zurück, um zu beten. Zuvor bittet er die Jünger, über den See zu fahren und auf der anderen Seite auf ihn zu warten (vgl. Mt 14,22-25). Petrus und die anderen Apostel queren also den See in der Dunkelheit. Sie sind bereits ein Stück weit vom Land entfernt, als das Boot in den Wellen zu schwanken beginnt und der Wind ihnen entgegenpfeift. Unter den Aposteln macht sich ein Unbehagen breit. Obwohl viele von ihnen langjährige Erfahrung auf See haben, hat dieser Stoß sie unvorbereitet getroffen.

Das Evangelium präsentiert uns das Boot der Jünger auf dem stürmischen See als ein Bild für das Leben der Kirche auf dem Meer der Geschichte, das der Gefahr scheinbar schutzlos ausgeliefert ist. Papst Benedikt kommentiert: „Der See symbolisiert das gegenwärtige Leben und die Unbeständigkeit der sichtbaren Welt; der Sturm verweist auf jede Art von Drangsal und Schwierigkeiten, die den Menschen bedrücken. Das Boot hingegen steht für die von Christus gestiftete und von den Aposteln geleitete Kirche. Jesus will die Jünger dazu erziehen, mutig die Widrigkeiten des Lebens zu ertragen und dabei auf Gott zu vertrauen.“1

Der heilige Josefmaria erwog, dass die Christen bei der Verbreitung des Evangeliums oft auf ähnliche Stürme treffen werden. Manchmal werden es äußere Umstände sein, die ein Hindernis darstellen, andere Male wird es das Gewicht unserer Schwäche und unserer Sünde sein. „Auch wir erfüllen einen gebieterischen Befehl Christi, wenn wir auf einem Meer segeln, das von den menschlichen Leidenschaften und Irrtümern aufgewühlt ist, und in unserem Inneren manchmal unsere ganze Schwäche spüren, jedoch dennoch fest entschlossen sind, dieses Boot des Heils, das der Herr uns anvertraut hat, an sein Ziel zu bringen. Zuweilen kann sich angesichts der Kraft des Gegenwindes die Stimme unserer menschlichen Ohnmacht aus der Tiefe unseres Herzens erheben: Sei mir gnädig, Gott, denn Menschen stellten mir nach, Tag für Tag bedrängen mich meine Feinde. Den ganzen Tag stellten meine Gegner mir nach, ja, es sind viele, die mich voll Hochmut bekämpften (Ps 56,2-3). Er verlässt uns nicht, und sooft es nötig war, war er zur Stelle, mit seiner liebenden Allmacht, um die Herzen der Seinen mit Frieden und Sicherheit zu erfüllen.“2


DIE ANKUNFT Jesu, der auf dem Wasser ging, wirkte auf die Apostel alles andere als beruhigend, und fügte der Situation nur noch einen weiteren Schrecken hinzu. Die Jünger waren entsetzt, riefen: Es ist ein Gespenst!, und begannen vor lauter Angst zu schreien. Doch dann versicherte ihnen Jesus: Habt Vertrauen, ich bin es; fürchtet euch nicht! In diesem Moment sagte Petrus voller Mut: Herr, wenn du es bist, so befiehl, dass ich auf dem Wasser zu dir komme! Und Jesus erwiderte ihm: Komm! Petrus stieg aus dem Boot, ging über das Wasser und schritt auf Christus zu (vgl. Mt 14,25-29). Die Geste des Petrus und die Antwort Jesu erinnern uns daran, dass Gott unsere mutigen Ideen liebt, vor allem wenn sie Ausdruck des Vertrauens in ihn sind. Irgendwie schwingen in dieser Szene der entschlossene Ton mit, mit dem die Söhne des Zebedäus auf die Frage Jesu nach ihrer Bereitschaft, ihm auf dem Leidensweg zu folgen, antworteten: „Wir können es!“, und viele weitere großmütige Handlungen im Leben der Heiligen. Gott schätzt solche Glaubenssprünge, solche Kühnheiten in der Nachfolge Christi, die uns in die Lage versetzen, über das Wasser eines stürmischen Sees zu gehen.

Papst Franziskus sagte in einer kritischen Situation: „Der Herr fordert uns heraus, und inmitten des Sturms lädt er uns ein, jene Solidarität und Hoffnung zu erwecken und zu aktivieren, die diesen Stunden, in denen alles unterzugehen scheint, Festigkeit, Halt und Sinn verleihen.“3 Petrus tat etwas, das auf den ersten Blick keiner menschlichen Logik entsprach. Er verließ die relative Stabilität des Bootes, um sich in die raue See zu stürzen. Und in diesem Akt fand er die wahre Sicherheit. Jesus ermutigt auch uns, uns nicht in unsere Absicherungen zu flüchten, uns nicht von der Welt und von den anderen zu isolieren, wenn wir spüren, dass die See wogt. Der Herr erwartet einen kühnen Akt des Glaubens wie den des Petrus, der uns dazu führt, vor den Problemen nicht davonzulaufen, sondern sie im Vertrauen auf die Nähe Christi anzunehmen. Papst Franziskus betete: „Durch sein Kreuz sind wir gerettet, damit wir die Hoffnung annehmen und zulassen, dass sie alle möglichen Maßnahmen und Wege stärkt und unterstützt, die uns helfen können, uns selbst und andere zu beschützen. Den Herrn umarmen, um die Hoffnung zu umarmen – das ist die Stärke des Glaubens, der uns von der Angst befreit und uns Hoffnung gibt.“4


TROTZ der Sicherheit, mit der Petrus über das Wasser ging, fing er zu rufen an, als er merkte, dass der Wind heftiger wurde und er unterzugehen drohte: Herr, rette mich! Jesus streckte sofort die Hand aus, ergriff ihn und sagte zu ihm: Du Kleingläubiger, warum hast du gezweifelt? (Mt 14,30-31). Petrus konnte nicht aus eigener Kraft auf dem Wasser gehen, sondern nur dank des Wortes Jesu. Und er begann zu sinken, nicht weil der Wind zu stark war, sondern weil er aufgehört hatte, auf den Herrn zu vertrauen. Papst Benedikt kommentierte: „Und dies gilt auch für uns: Wenn wir bloß auf uns selbst schauen, werden wir von den Winden abhängig sein und können nicht mehr durch die Stürme hindurch auf den Wassern des Lebens gehen.“5 Petrus mag geglaubt haben, dass er sich allein aufrechthalten könne, aber es war offensichtlich, dass er dazu nur fähig war, weil Christus ihn stützte.

Es wird Zeiten geben, in denen wir wie Petrus auf dem Wasser wandeln und den verschiedenen Stürmen ruhig und gelassen begegnen werden. Es wird auch Zeiten geben, in denen wir denken, dass wir untergehen. In beiden Situationen ist der Herr uns stets nahe, denn er befindet sich in der Tiefe unseres Wesens. Wir sollen unsere Beziehung zu Gott jedoch sowohl in der scheinbaren Ferne als auch in der Nähe erfahren. Wie Petrus wird Christus uns die Hand reichen, wenn wir das Gefühl haben, dass wir ertrinken, und uns ihm mit den Worten zuwenden: Herr, rette mich! (Mt 14,30). Die Erfahrung der Apostel zeigt uns, dass der Wind sich legt, wenn wir zulassen, dass Jesus in unser Boot steigt (vgl. Mt 14,32). Wir bitten Maria, dass die Worte ihres Sohnes inmitten der Stürme, die unseren Alltag aufwühlen, in unseren Herzen widerhallen mögen: Habt Vertrauen, ich bin es; fürchtet euch nicht! (Mt 14,27)


1 Benedikt XVI., Angelusgebet, 7.8.2011.

2 Hl. Josefmaria, Brief 2, Nr. 1.

3 Franziskus, Besondere Andacht in der Zeit der Epidemie, 27.3.2020.

4 Ebd.

5 Benedikt XVI., Angelusgebet, 7.8.2011.