EINIGE APOSTEL waren Fischer am See Genesaret. Da Jesus mit ihnen zusammen lebte, war er mit der Plackerei ihres Berufs vertraut; er kannte diese aber auch schon von früheren Aufenthalten in anderen Küstenstädten. Viele von denen, die kamen, um seine Predigt zu hören, lebten in den umliegenden Dörfern rund um den See. Daher ist es nicht verwunderlich, dass der Meister seine Lehren mit Beispielen von Booten, Netzen und Fischen illustriert: Wiederum ist es mit dem Himmelreich wie mit einem Netz, das ins Meer ausgeworfen wurde und in dem sich Fische aller Art fingen. Als es voll war, zogen es die Fischer ans Ufer; sie setzten sich, sammelten die guten Fische in Körbe, die schlechten aber warfen sie weg (Mt 13,47-48).
Jesus vergleicht sein Reich mit einem Netz, das Fische aller Art einfängt. Die Apostel wussten, dass es im See viele Arten von Fischen gab, jedoch nicht alle von gleicher Qualität waren. Wenn sie die Netze einholten, hielten sie sich dennoch nicht damit auf, die Fische zu sortieren: Das würden sie später tun, wenn sie zurück am Ufer waren. Dann ließen sie die Netze in den Sand fallen und begannen mit der Trennung: Die brauchbaren Fische kamen in Körbe, die minderwertigen wurden weggeworfen.
Das Schleppnetz ist in gewisser Weise ein Bild für die Kirche. Sie hat einen bedeutenden Anteil daran, das Reich Gottes auf die Erde zu bringen. Auch in der Kirche finden sich nebeneinander alle Arten von Fischen, und das wird bis zum Ende der Zeiten so sein. Wir selbst ringen darum, auf dem Weg der Demut nicht zu jener Gruppe zu gehören, die verworfen wird. Die Kirche ist „ein heiliges Volk, bestehend aus Geschöpfen mit Fehlern und Schwächen: Dieser scheinbare Widerspruch kennzeichnet einen Aspekt des Geheimnisses der Kirche“, betonte der heilige Josefmaria. „Die Kirche ist göttlich, aber auch menschlich, denn sie besteht aus Menschen, und wir Menschen haben Fehler: Wir alle sind Staub und Asche.“1 Gleichzeitig wissen wir, dass diese Schwäche nicht das endgültige Bild des Gottesvolkes bedeutet. Durch seine Gnade können wir in den Menschen, die uns umgeben und auf die wir uns stützen, stets Zeichen der Heiligkeit erkennen; sie zeigen uns, wie Papst Franziskus schrieb, „das schönste Gesicht der Kirche“2.
DIE KIRCHE ist heilig, weil ihr Gründer, Christus, heilig ist. Das II. Vatikanische Konzil schrieb über Jesu Gründung: „Er hat sich für sie hingegeben, um sie zu heiligen, er hat sie als seinen Leib mit sich verbunden und mit der Gabe des Heiligen Geistes reich beschenkt zur Ehre Gottes.“3 Ihre Kinder lieben die Kirche, weil in ihr Jesus lebt und sie in ihr die Mittel der Heiligung, die Lehre und die Sakramente finden.
Als Christen sind wir auch selbst zur Heiligkeit berufen. Dabei geht es nicht darum, ein perfektes, makelloses Leben zu führen, als ob die Kirche wegen uns heilig wäre. Sie ist heilig, auch wenn sich in ihrem Schoß Menschen mit Schwächen finden. Entscheidend für unsere persönliche Heiligkeit ist daher nicht so sehr die Abwesenheit von Fehlern, was ohnehin unmöglich ist, als vielmehr der lebendige Wunsch, mit Christus vereint zu sein, damit er die Zügel unseres Lebens eben so in die Hand nimmt, wie er die Kirche leitet.
Papst Benedikt sagte: „Das Maß der Heiligkeit ist durch das Format gegeben, das Christus in uns erlangt, dadurch, wie sehr wir in der Kraft des Heiligen Geistes unser ganzes Leben nach seinem Leben formen.“4 Jeder Heilige spiegelt das Antlitz Jesu wider. Deshalb bedeutet Heiligkeit in ihrem Kern, wie Papst Franziskus schrieb, „in Einheit mit ihm die Geheimnisse seines Lebens zu leben. Sie besteht darin, sich auf einzigartige und persönliche Weise mit dem Tod und der Auferstehung des Herrn zu verbinden, ständig mit ihm zu sterben und mit ihm aufzuerstehen. Sie kann aber auch bedeuten, im eigenen Leben verschiedene Aspekte des irdischen Lebens Jesu nachzubilden.“5 Die Betrachtung der Geheimnisse des Lebens Christi wird uns helfen, sie in unserem täglichen Leben zum Vorschein zu bringen, angepasst an unser Temperament und unser Wesen und diese zugleich läuternd. Durch die häufige Lektüre des Evangeliums können wir das Wesen Christi in uns aufnehmen und sein Bild in uns herausmeißeln, um es in der Welt widerzugeben.
IN DER KIRCHE findet sich ein Nebeneinander von Schönheit der Heiligkeit und Hässlichkeit der Sünde; die Größe der großzügigen Herzen und die Niedertracht anderer; die Stärke bis hin zum Heldentum und die Schwäche bis hin zum Verrat. Deshalb ist unsere Mutter heilig und in ihren Gläubigen zugleich immer läuterungs- und bekehrungsbedürftig. In jedem Fall sollten wir uns demütig nicht nur um unsere eigene Heiligkeit bemühen. „Wenn der Herr menschliche Schwäche zulässt“, sagte der heilige Josefmaria, „sollten wir so reagieren, wie wenn wir unsere Mutter krank oder missachtet sähen, und sie daher noch mehr lieben, ihr noch mehr äußere und innere Zeichen der Zuneigung zukommen lassen. Wenn wir die Kirche lieben, wird in uns niemals jenes krankhafte Interesse aufkommen, das Elend einiger Kinder als Schuld der Mutter anzulasten.“6
Jesus Christus hat bei zahlreichen Gelegenheiten gepredigt, er sei nicht gekommen, um die Gesunden zu heilen, sondern die Kranken. Mit Worten und Gesten zeigte er, dass er sich mehr für die Sünder als für diejenigen interessierte, die sich bereits für gerechtfertigt hielten. Deshalb zögerte der Meister in seinem täglichen Leben nicht, auf diejenigen zuzugehen, die äußerlich weit von Gott entfernt schienen: An sie richtete er sein Wort und lud sie ein, mit ihm zu leben und ihm zu folgen.
Die Familie, die Jesus mit seinen Jüngern bildete, war keine geschlossene Gemeinschaft von vollkommenen Männern und Frauen. Deshalb ist auch die Kirche berufen, ein Haus mit offenen Türen zu sein, damit alle, die eintreten wollen, ohne Unterschied eintreten können, denn Gottes Barmherzigkeit will, dass alle Menschen gerettet werden (1 Tim 2,4). Ihre Türen werden immer für alle offen stehen, damit jeder seinen Durst nach Gott stillen kann. Bitten wir Maria, die Mutter der Kirche, dass wir in unserem Leben das Antlitz des heiligen Gottesvolkes widerspiegeln.
1 Hl. Josefmaria, Liebe zur Kirche, Nr. 23.
2 Franziskus, Gaudete et exsultate, Nr. 9.
3 Lumen Gentium, Nr. 39.
4 Benedikt XVI., Audienz, 13.4.2011.
5 Franziskus, Gaudete et exsultate, Nr. 20.
6 Hl. Josefmaria, Liebe zur Kirche, Nr. 24.