DER TAG DES HERRN erinnert an das Leiden, den Tod und die Auferstehung Jesu Christi und macht uns klar, dass wir jetzt Kinder Gottes sind, weil Jesus für uns gestorben ist und sein Tod uns losgekauft hat1. Es reicht uns nicht, das zentrale Geheimnis unseres Glaubens nur hin und wieder zur historischen Erinnerung zu feiern und wie Außenstehende zu betrachten, es eventuell noch in der Phantasie auszuschmücken. In der Taufe oder schon vorbereitend im Wunsch nach der Taufe wird der Christ und Mensch mit dem göttlichen Leben des Vaters, des Sohnes und des Heiligen Geistes, die einander in Liebe zugetan sind, unauslöschbar verbunden. Deshalb schreibt der heilige Paulus, indem er sich an die Christen und ihre Freunde in Galatien wendet: Alle seid ihr durch den Glauben Söhne Gottes (...). Denn ihr alle, die ihr auf Christus getauft seid, habt Christus angezogen (Gal 3,26-27). Paulus kommentiert hier nicht nur mit gewissem, berechtigten Stolz das Zeugnis der neu hinzugekommenen Christen für den Auferstandenen, sondern lässt auch, seinen “Glauben an den Sohn Gottes” durchscheinen.Wenn der heilige Paulus von seinem neuen Leben in Christus spricht, bezieht er sich auf den »Glauben an den Sohn Gottes, der mich geliebt und sich für mich hingegeben hat« (Gal 2,20). Dieser „Glaube an den Sohn Gottes" ist sicherlich der Glaube des Völkerapostels an Jesus, doch er setzt auch die Verlässlichkeit Jesu voraus, die sich zwar auf seine Liebe bis in den Tod gründet, aber auch darauf, dass er Sohn Gottes ist. (...) Unsere Kultur, legt Papst Franziskus den Finger in eine offene Wunde, damit wir reagieren, hat die Wahrnehmung dieser konkreten Gegenwart Gottes, seines Handelns in der Welt, verloren. Wir meinen, Gott befinde sich nur jenseits, auf einer anderen Ebene der Wirklichkeit, getrennt von unseren konkreten Beziehungen. Wenn es aber so wäre, wenn Gott unfähig wäre, in der Welt zu handeln, wäre seine Liebe nicht wirklich mächtig, nicht wirklich real und wäre folglich nicht einmal eine wahre Liebe, die das Glück zu vollbringen vermag, das sie verspricht. Dann wäre es völlig gleichgültig, ob man an ihn glaubt oder nicht. Die Christen bekennen dagegen die konkrete und mächtige Liebe Gottes, der wirklich in der Geschichte handelt und ihr endgültiges Los bestimmt — eine Liebe, der man begegnen kann, die sich im Leiden und Sterben und in der Auferstehung Christi vollends offenbart hat2.
Die Wahrnehmung der Welt, wie sie aus den Händen Gottes hervorgegangen ist, unsere Welt heute, wird durch Akte des Glaubens geschärft und reicher. Der heilige Josefmaria, als erfahrener Beobachter, weist darauf hin, wie sich Kinder allgemein vor ihren Eltern keine Blöße geben wollen in dem, was sie gerade lernen und tun. Durch den Glauben sind wir Kinder Gottes, denen die Welt anvertraut ist, Kinder eines Königs. (...) Und wie sehr mühen sie sich, vor ihrem Vater, dem König, die königliche Würde zu wahren! Und du... Weißt du nicht, daß du immer vor dem großen König stehst, deinem Vater Gott? Manchmal scheint es, Gott ist zu groß, ich bin zu klein. Frage dich, fehlt es mir da nicht an Identifikation mit Christus, dem Erlöser der Welt? »Alle Menschen sind Kinder Gottes, ihres Schöpfers. Aber die Christen wissen es - oder sie sollten es wissen -, und zwar nicht theoretisch, sondern existentiell: Jesus Christus hat ihnen Gott als den Vater gezeigt, nicht “im Bilde”, sondern in Fleisch und Blut, nämlich in sich selbst3. Als Kinder Gottes zu glauben führt uns notwendigerweise dazu, das Kreuz zu lieben, wenn ein Plan nicht aufgeht, eine Krankheit sich einstellt oder auch nur kleine, aber häufige Widerwärtigkeiten das Leben begleiten. Die Wurzel aller Wirksamkeit liegt dann darin, uns in Christus kindlich vertrauensvoll an den Vater zu wenden, wie Christus überzeugend alle gelehrt hat: Wenn einer hinter mir hergehen will, verleugne er sich selbst, nehme täglich sein Kreuz auf sich und folge mir nach (Lk 9,23).
WIR SIND ALSO berufen, die Liebe Christi zu leben4 und wirklich eins zu werden mit Gott mitten in der Welt. Mit der gläubigen Einsicht können wir die Dinge realistisch einschätzen lernen, beginnend damit, dass wir den Erlöser der Welt anrufen: Herr, nur du weißt, was zwischen Geburt und Tod für mich am besten ist. Ich überlasse mich dir. Diese Haltung bestimmt dann das Alltagsgeschehen und führt zu einem friedvollen Sich-Überlassen, das dem Schmerzvollen im eigenen Leben, dem Unverständlichen im Leben anderer und dem oftmals Unfaßlichen im Weltgeschehen seine Unerbittlichkeit nimmt.Um diese Sicht nicht zu verpassen oder an der falschen Stelle zu suchen und beispielsweise eine Art stoische Gemütsruhe, unberührt von lästigen Kleinkram des Tages anzustreben, rät der heilige Josefmaria in kleinen Dingen des alltäglichen Lebens immer wieder auf etwas zu verzichten, woraus kein materieller Schaden entsteht oder die Gerechtigkeit verletzt wird. Die Arbeit mit dem Blick auf Gott verrichten wird uns helfen, die Zeit gut auszunutzen, denn der Herr hat ein Recht darauf - und für uns ist es eine Pflicht -, daß wir Ihn "zu jeder Zeit" verherrlichen.5 Mit Glaube an die Gegenwart Gottes im Sakrament der Eucharistie, das alle Erquickung in sich birgt, läßt sich Freude und Freundschaft in Freiheit ohne Angst erleben und wir lassen uns fragen, warum suchst du nicht jeden Tag umso nachhaltiger die Gesellschaft und Unterhaltung d e s Freundes, der nie Verrat übt?6 (...) Der Glaube führt uns zur Loslösung von den Dingen, die wir haben und benutzen, wie Christus sich von allem loslösen konnte, sodass nicht einmal das Grab sein eigen ist7.
WENN WIR UNS wirklich an das Kreuz des Herrn nageln lassen (vgl. Gal 2,19-20), werden wir viel Frucht in Heiligkeit und Apostolat bringen.Der Herr steht an unserer Seite. Wir müssen treu und loyal sein, unseren Pflichten nachkommen und in Jesus die Liebe und den Ansporn dazu finden, die Fehler der anderen zu verstehen und unsere eigenen Fehler zu überwinden. Und so wird selbst noch alle Verzagtheit - deine, meine und die aller Menschen - das Reich Christi tragen helfen8. Die natürliche Reaktion vor Schmerz im Inneren wird für gewöhnlich die Zurückweisung sein oder eine Frage nach dem Gut, das damit bewirkt werden soll. Maria, der schon unmittelbar nach der Geburt ihres Sohnes Schmerz verheißen wurde, untrennbar mit ihm verbunden, leidet nicht nur unter dem Kreuz, sondern wird zur Miterlöserin im Glauben, gerade im “Tag ein Tag aus” ihrer Arbeit und ihres Familienlebens. Rufen wir sie an, Meisterin des verborgenen und schweigenden Opfers! Und sehen wir mit dem Licht des Glaubens, wie sie, fast immer verborgen, mit ihrem Sohn zusammenarbeitet: wissend und schweigend. Die Werke des Glaubens lesen wir nicht in der großen Öffentlichkeit, sondern im Verborgenen; im Inneren, wo sein Vater, der auch das Verborgene sieht, es dir vergelten wird (Mt 6,4), gelangen auch wir mit dem Herrn zur Erfüllung.
1 Hl. Josefmaria, Kreuzweg, 14. Station.
2 Papst Franziskus, Lumen fidei, 17.
3 Peter Berglar, Opus Dei - Leben und Werk des Gründers Josemaría Escrivá, Köln 1992, S. 94-95.
4 Hl. Josefmaria, Allein mit Gott, Nr. 186.
5 Hl. Josefmaria, Spur, Nr. 508.
6 Hl. Josefmaria, Weg, Nr. 88.
7 Hl. Josefmaria, Kreuzweg, 14. Station.
8 Hl. Josefmaria, Christus begegnen, Nr. 160.