70 Jahre Opus Dei in Deutschland: Am 10. August 1952 erreichte Alfons Par Saarbrücken

Der 30-jährige Priester Alfons Par überquerte am 10. August 1952 mit dem Zug die Grenze des Saarlands. Er war im Jahr zuvor zum Priester geweiht worden. Im April hatte er vom hl. Josefmaria den Auftrag erhalten, in Bonn die deutsche Sprache zu erlernen und mit der Verbreitung der Botschaft von der Berufung der Laien jeden Standes zur Heiligung des Alltags in Deutschland zu beginnen.

Dr. Par mit Fernando Inciarte im Jahre 1955

„Im Jahre 1952 kamen die ersten drei Mitglieder des Opus Dei nach Deutschland: Der Diplomingenieur und 1951 zum Priester geweihte Alfons Par (1922-2002), der Diplomkaufmann Fernando Echeverría (1924–2015) – und der Philosoph Fernando Inciarte (1929–2000), der später Ordinarius in Münster war,“ so steht es in der Kurzfassung einer Geschichte des Opus Dei in Deutschland [i]. Später kam Jordi Cervós hinzu.[ii] Die Anekdoten und Umstände der Reise von Alfons Par über Saarbrücken nach Bonn sind in einem „Zeitzeugen-Mosaik“ festgehalten, das Josep Arquer (1930-2018) zu Lebzeiten zusammengestellt hat. Dort heißt es: „Der Herausgeber hält es für angemessen, die Erzählungen von Zeitzeugen über die ersten Zeiten in Deutschland mit der Schilderung des eigentlichen Anfangs beginnen zu lassen. Es war am 10. August 1952.“[iii]

Saarbrücken war die erste Stadt hinter der Grenze

Gemeint ist mit dem Datum das Eintreffen von Dr. Alfons Par in Saarbrücken, das damals politisch nicht zu Deutschland gehörte. In Bonn traf er tags darauf, am 11. August 1952, ein. Diese Reise hatten José Maria Albareda und Santiago Escrivá vorbereitet. Sie waren im April in Köln und Bonn gewesen und hatten im Auftrag des Gründers den Kölner Erzbischof Josef Kardinal Frings besucht. Dieser hatte sein Einverständnis erklärt, dass das Opus Dei im Erzbistum Köln beginnen könne.[iv] Schon bei seiner Kardinalserhebung im Jahr 1946 hatte der Kölner Kardinal in Rom Gelegenheit gehabt, sich ein Bild vom Opus Dei zu machen. Anderthalb Stunden sprach er in Rom mit dem später seliggesprochenen Alvaro del Portillo, der ihm vom Opus Dei und seiner Spiritualität berichtete. Später hielt er einige Eindrücke von den Kontakten in seiner Biografie fest.[v]

Eine Fahrt im Bummelzug an der Mosel entlang

Zurück zur Reise von Alfons Par: In der Niederschrift eines geselligen Beisammenseins ist eine Erzählung über die damalige Bahnfahrt an der Mosel entlang festgehalten. Im August des Jahres 2002 erinnerte er sich, was sich damals abgespielt hatte: In Saarbrücken „habe ich die Messe gelesen, sehr schön; und dann nachher Frühstück mit dem Kaplan. Ich habe mich verabschiedet, aber ich bin so dumm gewesen, ich bin spazieren gegangen ohne Eile, ich habe eine Illustrierte gekauft, über die Olympiade von Helsinki, ich habe die Zeit etwas vertrödelt, und als ich zum Bahnhof ging, da war der günstige Zug, der direkt über Trier und Koblenz nach Bonn fuhr, schon weg, seit fünf Minuten. … Der nächste Zug kam etwa zwei Stunden später. Es war ein kleiner Zug, der nur bis Trier fuhr; dann an der Mosel entlang. Er hat überall gehalten, ich habe gebetet und gebetet. Um halb neun waren wir in Koblenz. Auf dem anderen Gleis stand der damals modernste Zug, der TEE (Trans Europa Express). Damit ging es phantastisch, von Koblenz direkt bis Bonn, ohne zu halten. Gegen neun oder halb zehn kam ich in Bonn an. Jetzt war ich am Ziel meiner Fahrt, endlich …“

Erste Kontaktaufnahme in der Bonner Stiftskirche

Die ersten Schritte in Bonn führten ihn zur Stiftskirche. Der damalige Pfarrer Backhaus nahm ihn freundlich auf und bot ihm ein Gästezimmer an. Für den nächsten Tag sagte er ihm die Messfeier zu und meinte noch, er könne so lange bleiben, wie er wolle. Dann suchte Alfons Par einige Personen auf, deren Namen ihm der hl. Josefmaria samt Adresse mitgegeben hatte, als ersten den Kirchenhistoriker Professor Wilhelm Neuss. Später hat der Gründer bei einem seiner Besuche (30.11.1955) die Bonner Zeit als „Vorgeschichte“ des Opus Dei in Deutschland bezeichnet, weil danach auch in anderen Städten der Alten Bundesrepublik mit der Arbeit des Werkes begonnen wurde.

Wie der Gründer die Anfänge in anderen Ländern vorbereitete

Was Alfons Par über seine Reise und die Pläne des hl. Josefmaria, ihn nach Deutschland zu senden, erzählte, liest sich wie folgt: „Seit ich im Oktober 1951 ins Römische Kolleg vom Heiligen Kreuz eingezogen war und somit mit Escrivá im selben Haus wohne, hat er uns angehalten, in der freien Zeit eine Fremdsprache zu lernen, jeder nach seiner Wahl. Er machte des Öfteren die Bemerkung: „Wenn ihr hier fertig sein werdet, werde ich euch in die ganze Welt schicken, ausstreuen, wie der Sämann den Samen auf den Feldern ausstreut". An einem Novembertag waren wir, etwa zwölf Studenten, mit ihm zusammen. Er sprach wieder von den Fremdsprachen und fragte diesmal jeden der Reihe nach, welche Sprache er lerne. Die ersten beiden studierten Französisch beziehungsweise Englisch. Dann kam ich an die Reihe.“

Was es mit dem „Betonkalender“ und „Deutsch ohne Mühe“ auf sich hat

„Hier möchte ich vorausschicken, dass ich vor meiner Priesterweihe in einer Baufirma in Bilbao als Bauingenieur gearbeitet hatte. Dabei benutzte ich für die statischen Berechnungen ein deutsches Buch, nämlich den „Betonkalender“. Es war sehr praktisch und anschaulich, so dass man es – auch ohne Deutsch zu verstehen – benutzen konnte. Um die Überschriften der vielen Tabellen zu verstehen, hatte ich mir eine deutsche Grammatik besorgt, das optimistischste Buch, das ich je gesehen habe; es hieß: „Deutsch ohne Mühe“. Vielleicht habe ich es deshalb gekauft! Dieses Buch hat mich jahrelang begleitet, auch nach Rom. Als ich nun an der Reihe war und gefragt wurde, sagte ich: „Vater, ich lerne Deutsch.“ Da geschah etwas Unerwartetes. Escrivá blieb stehen und sah mich lange und unbewegt an und sagte dann langsam: „Mein Sohn…, mein Sohn – sehr gut, sehr gut, studiere weiter!“ Dann ging das Fragen weiter, aber bei keinem sonst hat er noch irgendeinen Kommentar gemacht. Unter ihnen gab es noch zwei weitere, die auch Deutsch lernten. Einer von ihnen ist nach Paraguay und der andere erst nach Irland und später nach England gegangen. Als er alle gefragt hatte, verließ er das Zimmer und kaum war er draußen, stürzten sich alle auf mich und schimpften mich einen Schwindler. „Du hast doch von Deutsch gar keine Ahnung! Ich verteidigte mich: „Ich habe nicht gesagt, dass ich Deutsch kann, sondern nur, dass ich es lerne. Und das stimmt, selbst wenn ich noch beim „der, die, das“ bin.“

Alfons Par wird zusammen mit drei anderen nach Deutschland geschickt

Der Moment der Klarheit über sein Wirkungsfeld in Deutschland war dann im November 1951. Alfons Par berichtet: „Einen Monat später sagte mir der Vater: „Schon diesen Sommer wirst du nach Deutschland fahren, und zwar nach Bonn, und dort die Sommerferien verbringen. So kannst du besser die Sprache lernen und schon mit der apostolischen Arbeit beginnen. Es werden nach und nach andere Numerarier kommen, und so werden wir einen festen Brennpunkt des Werkes in Deutschland haben, selbst wenn du zunächst „pendeln“ wirst, bis du deine Promotion hier fertig hast.“ Und so war es: Die Sommer-, Weihnachts- und Osterferien habe ich in Bonn verbracht, wo ich mit Fernando Inciarte, Fernando Echeverría und später Jordi Cervós das Opus Dei in Deutschland begonnen habe.“[vi]

Voll Dankbarkeit blickte Alfons Par im Jahr 2002 auf diese Zeit der Anfänge zurück

Und Alfons Par blickt zurück: „Ich bin ihm sehr dankbar, dass er mich nach Deutschland geschickt hat, meine neue Heimat. Aber nicht nur ihm, sondern auch dem „Betonkalender“ und dem „Deutsch ohne Mühe“, denn ohne sie wäre ich vielleicht irgendwo anders gelandet. Leider habe ich das „Deutsch ohne Mühe“[1] verloren, sonst wäre es für mich wie eine Reliquie.“[vii]

Wie die erste Wohnung in Bonn gefunden wurde

Als klar war, dass auch Fernando, genannt Tito Inciarte nach Deutschland kommen würde und dauerhaft bleiben wollte, bestand im September 1952 die Notwendigkeit, eine Wohnung in Bonn zu finden. Alfons Par erzählt: „Es war wahrscheinlich Anfang September, da bekamen wir einen Brief vom Sekretariat des Werkes in Madrid, in welchem es hieß, dass Tito in Deutschland bleiben könnte, wenn er wollte. Dies hieß dann, uns auf Wohnungssuche zu machen. Sofort nach der Messe, die ich um 7 Uhr in der Münsterkirche feierte, gingen wir jeden Tag zum General-Anzeiger, um uns über Angebote im Wohnungsmarkt zu informieren. Nichts. Dazu kam das schreckliche Wort „Dringlichkeitsbescheinigung“. „Haben Sie eine Dringlichkeitsbescheinigung?“ Wegen der großen Wohnungsnot und wegen der Flüchtlinge aus der anderen Zone war, bevor jemand eine Wohnung mieten durfte, eine Genehmigung vom Wohnungsamt nötig. Im Newman-Haus [der katholischen Studentengemeinde] sagte man uns Ende September, wir sollten ab Anfang Oktober das Zimmer frei lassen. Wir hatten das Zimmer nur für die Zeit, in der die Studenten nicht da waren. Danach haben wir wieder beim Pfarrer gewohnt.

Eine Mietwohnung bei den „Theologinnen“ in Bonn

Unser Freund Clemens kam auf die Idee, mit dem Pfarrer von Sankt Elisabeth zu sprechen. Dieser verkündigte es am nächsten Sonntag. Dann meldeten sich „die Theologinnen“, wie wir sie nannten. Sie vermieteten uns ein Zimmer in ihrem Familienhaus in der Nähe von der Elisabethkirche an der Reuterbrücke. Unten im Parterre wohnten der Sohn und seine Frau. Er war Arzt und hatte seine Praxis dort. Oben wohnte die alte Mutter mit zwei Töchtern. Von diesen beiden Töchtern hatte eine, die älteste, Theologie studiert, und daher der Name „die Theologinnen“.

Den Umzug machten wir in der Straßenbahn. Mit unseren Koffern auf der Plattform stehend, haben Tito und ich laut den Rosenkranz gebetet, weil wir dachten, hier versteht uns keiner, wenn wir Spanisch beten. … Und als wir dann an dieser Kurve am Sportplatz ausgestiegen sind, da sprach uns ein sehr elegant gekleideter Mensch in perfektem Spanisch an und sagte „Puedo ayudarles?“ Er half, unsere Koffer zu tragen und hat uns zu den Theologinnen begleitet. Es war ein Herr Cohnen. Er wohnte in der Nähe. Diese neue Bekanntschaft hatte später einen besonderen Vorteil: Er hatte einen Fernseher, was damals noch eine Seltenheit war.“

Dr. Alfons Par wirkte bis ins Alter von 80 Jahren als Priester in Bildungseinrichtungen der Prälatur Opus Dei, zuletzt im Bildungszentrum Weidenau in München. Er starb 2002 völlig unerwartet bei einer Radtour an der Isar. Die Lokalpresse widmete dem ungewöhnlichen Todesfall auf dem Fahrrad einen eigenen Bericht.[viii]

[1] Assimil, Deutsch ohne Mühe, 1950 (im Internet verfügbar!)

[i] https://opusdei.org/de-de/article/kurzdarstellung-der-anfange-des-opus-dei-in-deutschland/

[ii] Vgl. Jordi Cervós: Cruzando el muro. Recuerdos sobre los inicios del Opus Dei en Alemania. Rialp, Madrid 2016, ISBN 978-84-321-4648-0

[iii] Zeitzeugen-Mosaik, Hrsg. von Josep Arquer, 2010 als Manuskript

[iv] Barbara Schellenberger: Begegnungen des hl. Josemaría mit deutschen Bischöfen 1949–1975.
In: Studia et documenta, Band 10, 2016, S. 261 – 293, Hrsg. Istituto storico San Josemaría Escrivá, Roma 2016, S. 269

[v] Vgl. Josef Frings: Für die Menschen bestellt. Erinnerungen des Alterzbischofs von Köln. Autobiographie, Bachem, Köln 1973.

[vi] Cesar Ortiz (Hg.): Josemaría Escrivá: Profile einer Gründergestalt. Adamas Verlag, Köln 2002, S. 377

[vii] ebenda S. 378

[viii] https://opusdei.org/de-de/article/er-ist-der-mann-der-opus-dei-in-deutschland-aufbaute/