Das neue Frauenbild des Opus-Dei-Gründers

Gott zeigte dem heiligen Josefmaria Escrivá, am 14.2.1930 – wenige Monate nach der Gründung –, dass das Opus Dei Frauen wie Männern offen stehen soll. Escrivá war seiner Zeit weit voraus, als er Frauen für die Zukunft eine zentrale Rolle in der Gestaltung der Gesellschaft zuschrieb. Ermutigt durch seine Botschaft setzen sich heute Frauen des Opus Dei in aller Welt in Beruf, Gesellschaft und Familie ein und geben darin ein lebendiges Glaubenszeugnis.

Als der damals 26-jährige Josefmaria Escrivá das Opus Dei am 2. Oktober 1928 gründete, ging er davon aus, dass er sich damit nur an Männer wenden sollte. Nur anderthalb Jahre später, am 14. Februar 1930, schenkte Gott ihm die unmissverständliche Einsicht, dass das Opus Dei ebenso ein Weg für die Frauen mitten in der Welt sei. Der heilige Josefmaria begann auf der Stelle mit dem Aufbau der weiblichen Abteilung des Opus Dei. Heute, 93 Jahre später, gibt es mehr Frauen (57%) als Männer (43%) unter den knapp 93.000 Mitgliedern weltweit.

Ein großer Förderer der Emanzipation

Dass viele Frauen von der Botschaft des Opus Dei-Gründers angezogen wurden und werden, ist mit seinem für seine Zeit visionären Bild der Frau erklärbar. Escrivá war ein großer Förderer der Frau und ihrer Emanzipation. So war er bereits im Jahr 1939, als Frauen an Universitäten und im öffentlichen Leben unterrepräsentiert waren – der Frauenanteil der Studierenden an den Universitäten lag unter 15 Prozent – ganz überzeugt davon: „Es wird Töchter von mir geben, die Universitätsprofessorinnen, Architektinnen, Journalistinnen und Ärztinnen sind“.[1]

In einem Interview im Jahr 1967 nahm Escrivá Stellung zur Gleichberechtigung von Frauen und Männern: „Für mich gibt es keinen einsichtigen Grund, weshalb man bezüglich der Frau Unterscheidungen treffen sollte, wenn vom Laienstand, von der apostolischen Aufgabe, den Rechten, Pflichten usw. die Rede ist. Alle Getauften, ob sie nun Männer oder Frauen sind, besitzen ohne Unterschied die gleiche Würde, Freiheit und Verantwortung der Kinder Gottes. Wie bereits der heilige Paulus die ersten Christen lehrte, besteht in der Kirche eine radikale und grundlegende Einheit: […] da gilt nicht mehr Jude oder Heide, nicht mehr Knecht oder Freier, nicht mehr Mann oder Frau.[2]

Die Familie ist eine gemeinsame Aufgabe von Mann und Frau

Mehr noch, für ihn besitzen Mann und Frau nicht nur die gleiche Menschenwürde: Sie haben auch eine gemeinsame Aufgabe. Arbeit, Familie und Kultur sind keine jeweils einem Geschlecht vorbehaltenen Tätigkeitsgebiete, sondern in allen sollen beide ihre je eigene, tragende Rolle ausfüllen. Gerade die Familie ist für ihn immer gemeinsame Aufgabe von Mann und Frau gewesen, nicht bloß eine solche der Frau. Escrivá regte auch den Dialog mit den öffentlichen Instanzen an, um eine Politik zu fördern, „die Erziehungs- und Kommunikationsstrategien entwickelt, die das vermehrte Bewusstsein dafür schaffen, dass die familiären Aufgaben von allen mitgetragen werden müssen.“

Präsenz der Frauen in Politik und Kirche

Der heilige Josefmaria plädierte dafür, dass der Frau alle Berufe offenstehen sollten – wiederum zu einer Zeit, als die Gesellschaft organisatorisch wie mental noch weit davon entfernt war. Von maximaler Deutlichkeit war sein Eintreten für die Präsenz der Frau in der Politik. In einem Interview mit der bekannten spanischen Modefrauenzeitschrift Telva forderte im Jahr 1968 ohne Umschweife:„Eine moderne, demokratische Gesellschaft muss der Frau das Recht zugestehen, aktiv am politischen Leben teilzunehmen, und muss die notwendigen Bedingungen schaffen, damit alle, die es wollen, dieses Recht auch tatsächlich ausüben können.” Seine Position war klar:„Einer Frau mit der entsprechenden Vorbildung sollten auf jeder Ebene des öffentlichen Lebens alle Möglichkeiten offenstehen.“[3]

Frauen in allen Bereichen: von Industrie über Theologie, Mode, Haushaltsmanagement bis hin zur Forschung

Encarnación Ortega (1920-1995), eine der ersten Frauen im Opus Dei, hat zum Frauenbild des Gründers ein wertvolles Zeugnis hinterlassen. In ihren Erinnerungen kommt sie auf das Panorama zu sprechen, das Escrivá schon im Jahr 1942 den wenigen Frauen eröffnete, die dem Opus Dei damals angehörten: „Vom ersten Augenblick an sah er uns Frauen in allen Bereichen arbeiten: in der Lehre, in der Industrie, im Gesundheitswesen, im Handel, in der Forschung, in der Mode, im Journalismus... Auch war er sehr interessiert daran, dass wir Theologie studierten.“[4] Bereits 1954 gründete Escrivá ein privates Kolleg für Frauen zum Theologiestudium auf Hochschulniveau, während die päpstlichen Universitäten erst ab 1965 Studentinnen zuließen.[5]

Als Pionier, was den Zugang der Frau zu den höheren kirchlichen Studien betrifft, erlebte Escrivá mit Freuden, wie sich Anfang der 1970er einige Frauen des Opus Dei in der Theologischen Fakultät von Navarra immatrikulierten, um beruflich diesen Weg einzuschlagen. So erhielt die deutsche Theologin Jutta Burggraf (1952-2010), die selbst dem Opus Dei angehörte, im Jahr 1996 einen Ruf auf die Professur für Ekklesiologie, ökumenische Theologie und feministische Theologie an der Universität Navarra.

Humanisierung der Gesellschaft und die Rolle des Zuhauses

In dieser Vielfalt von Berufen wehrte sich Escrivá gleichzeitig gegen eine Abwertung der häuslichen und manuellen Arbeiten. Diese Berufe seien gleichrangig mit jeden anderen. Den Frauen des Opus Dei schlug er die Schaffung akademischer Zentren vor, um die fachlich anspruchsvolle Arbeit der Haushaltsführung mit Aspekten wie Diätetik, Lebensmittelwissenschaften, Arbeitsorganisation und Buchhaltung aufzuwerten und auf Universitätsniveau zu heben.

Dieses Anliegen wirkt bis heute nach. Die Home Renaissance Foundation (2006) mit Sitz in London zum Beispiel ist ein Thinktank, der eine Mentalitätsänderung herbeiführen möchte, damit die zentrale Bedeutung der Arbeit im Haushalt erkannt wird und man versteht, wie sehr die Humanisierung der Gesellschaft davon abhängt, dass die Menschen ein liebenswertes Zuhause haben. Der Thinktank führt interdisziplinäre wissenschaftliche Studien und Forschungsprojekte durch und veranstaltet internationale Konferenzen zur Bedeutung des privaten häuslichen Umfelds.

Frauen-Power: Unzählige Initiativen zur Förderung der Frau

Auf Anregung des Gründers sind seit den 1960er Jahren weltweit unzählige soziale Initiativen von Frauen des Opus Dei, zusammen mit Freunden und Förderern, ins Leben gerufen worden. Viele von ihnen stellen insbesondere die Bildung der Frau in den Mittelpunkt. Die Pharmazeutin Ebele Okoye kämpft gegen nigerianischen Machismus. Sie gründete den AMAD-Women's Board, ein Programm, das mittlerweile 1.000 Frauen mit Mikrokrediten ermöglichte, finanziell unabhängig ihr eigenes Unternehmen zu starten. Im Londoner Stadtteil Brixton steht das Baytree Centre (1988) für benachteiligte Jugendliche offen. Das im ländlichen Raum angesiedelte Colegio Montefalco (1958) in Mexiko ermöglichte 80 Prozent seiner Abgängerinnen ein Universitätsstudium zu beginnen können. Die Hotelfachschule SAFI (1965), die im Arbeiterviertel Tiburtino in Rom ins Leben gerufen wurde, bietet Mädchen aus sozial schwächeren Familien Zukunftschancen.

Der Gründer der Limmat-Stiftung in Zürich, Toni Zweifel (1938-1989), dessen Seligsprechungsprozess im Gange ist, legte ebenfalls einen Schwerpunkt der Projekte in Förderung und Bildung der Frau. In Wien arbeitet der Verein AMAL (2016) für Migrantenfamilien aus dem Nahen Osten und setzt sich für die Integration von syrischen Frauen in den Arbeitsmarkt ein.

Gleichberechtigung auch in der Kirche

Für Escrivá war es klar, dass die Frau in der Kirche eine ebenso prominente Aufgabe hat wie in Familie und Gesellschaft. Sie ist in ihr Protagonistin – auch ohne offizielles Amt, was einem klerikalen Verständnis der Kirche entspräche. So forderte er, dass „der Frau in der Gesetzgebung, im inneren Leben und apostolischen Wirken der Kirche die gleichen Rechte und Pflichten zuerkannt werden wie dem Mann: das Recht also, Apostolat auszuüben, Vereinigungen zu gründen und zu leiten, das Recht, in allem, was das Wohl der Kirche anbelangt, verantwortungsbewusst ihre Meinung zu äußern usw.“[6]

Eigenes Leitungsorgan für Frauen im Opus Dei

Escrivá setzte seine Auffassung von der Rolle der Frau in der Kirche auch unmittelbar in den Leitungsstrukturen des Opus Dei um, in denen die Frauen den Männern gleichgestellt sind in der Zahl der Ämter und Funktionen. Von Beginn an übertrug er den Frauen dieselbe Verantwortung wie den Männern, und zwar auf allen Ebenen. Der Prälat übt sein Amt als Oberhirte des Opus Dei zusammen mit seinen Vikaren unter Mitarbeit von zwei Räten kollegial aus. Diese Räte – einer aus Frauen, einer aus Männern – bestehen hauptsächlich aus Laien und arbeiten auf zentraler wie regionaler Ebene unabhängig mit eigenen Leitungsstrukturen.

Frauen verfügen über ein großes spirituelles Erbe

Isabel Sánchez, amtierende Sekretärin des Zentralrates des Opus Dei, nimmt die wichtigste Position im weiblichen Gremium ein, das aus rund vierzig Frauen verschiedener Nationalitäten besteht. In einem Interview (El Mundo, 19.5.2021) erläuterte sie die spezifische Note, die die Frauen in die Leitungsarbeit einbringen: „Wir Frauen bringen Antrieb und Fantasie hinein, weil Frauen dem Leben, dem konkreten Leben besonders nahe sind. Daher sind sie immer auf der Suche nach neuen Lösungen.“ Es gäbe „viele Themen und Aufgaben, in denen die weibliche Sicht ihren Beitrag leisten kann. Frauen verfügten über ein großes spirituelles Erbe, und es wäre traurig, wenn wir das in Kirche und Gesellschaft nicht zu nutzen wüssten“, so die Juristin und ergänzt: „Wenn wir unter Feminismus das Prinzip der Gleichberechtigung von Mann und Frau verstehen, gleiche Würde und gleiche Chancen, bin ich eine Feministin und eine Super-Feministin.“

[1] Zeugnis von Narcisa González Guzmán, Madrid, 5.9.1975, in AGP, Serie A.5, 216-3-1.

[2] Interview von Pedro Rodriguez, veröffentlicht in Palabra, Madrid, Oktober 1967, in: Gespräche mit Msgr. Escrivá de Balaguer, Nr. 14 (Adamas…)

[3] Interview von Pilar Salcedo, veröffentlicht in Telva, Madrid, 1. Februar 1968, in: Gespräche mit Msrg. Escrivá de Balaguer, Nr. 90 (Adamas….)

[4] Vgl. ALVA Inmaculada und MONTERO Mercedes, El hecho inesperado. Madrid, Rialp 2021 (“Nacimiento y desarrollo de la Administración en los centros”)

[5] José Luis González Gullón / John F. Coverdale, Historia del Opus Dei, Madrid 2021, S. 124.

[6] Vgl. Fußnote 257 Gespräche mit Msgr. Escrivá de Balaguer, Nr. 14