Als Lehrer die Corona-Krise meistern

Geschlossene Schule, geschlossene Kirche: Wie der Mittelschullehrer Thomas R. aus der Not eine Tugend macht

Ich heisse Thomas, bin seit 29 Jahren verheiratet und arbeite seit 30 Jahren als Hauptlehrer für Französisch am kantonalen Gymnasium in St. Gallen. Nach einer besonderen Unterrichtswoche Mitte März freute ich mich darauf, meine Schüler an der Kantonsschule wieder begrüssen zu dürfen. Dann kam der Beschluss unserer Landesregierung, alle weiterführenden Schulen zu schliessen. Wir Lehrer mussten uns von heute auf morgen an die ganz neue Situation anpassen.

Wir Lehrer mussten uns von heute auf morgen an die völlig neue Situation anpassen.

Ich bin jetzt überbeschäftigt!

Statt die Arme sinken zu lassen, stellten wir auf Fernunterricht um – auf „Home Office“. Wer denkt, das sei langweilig, weil man ständig zu Hause sitzt und nicht zur Arbeit gehen kann, täuscht sich grundlegend. Ich jedenfalls bin jetzt überbeschäftigt: Der Fernunterricht bringt unter dem Strich einiges mehr an Aufwand mit sich als normaler Unterricht im Schulzimmer. Ich muss alle Dokumente auf ein Schulprogramm laden und auch Dokumente digitalisieren, und auch dafür sorgen, dass die Schüler viele Aufgaben selber korrigieren können. Um eine möglichst hohe Unterrichtsqualität zu garantieren, müssen die Schüler viele Aufgaben auf ihrem iPad aufnehmen und mir elektronisch zukommen lassen. Dies wiederum bedeutet, dass ich lange Zeit die Schülerbeiträge abhören muss, und sie möglichst auch benoten, da keine schriftlichen Prüfungen stattfinden.

Dazu kommen Videokonferenzen mit einzelnen Schülern, wo ich eine 10-minütige mündliche Prüfung mache. Ständig kommen Rückmeldungen und Fragen von Schülern rein, so dass ich das Gefühl habe, stets beschäftigt zu sein und irgendwie an kein Ende zu kommen. Das braucht auch viel Geduld und eine stets liebevolle Reaktion: Es ist eine gute Gelegenheit, um sich in Geduld und Freundlichkeit zu üben!

Ich bleibe möglichst immer zu Hause, da ich wegen Herz-Kreislaufproblemen zur Corona-Risikogruppe gehöre. Allerdings werde ich ab sofort täglich einen halbstündigen Spaziergang machen, um auszulüften und aufzutanken. Zudem ist ein Spaziergang ideal, um den Rosenkranz zu beten. Bewegung ist umso notwendiger, als ich zurzeit stundenlang sitze

Glaubensleben und Glaubensbildung gehen weiter

Damit der Tag trotzdem strukturiert abläuft, versuche ich, mein geistliches Leben besonders bewusst zu pflegen und möglichst jeden Morgen pünktlich und zur gleichen Zeit aufzustehen. Mein Tag beginnt um 7 Uhr mit der heiligen Messe über live stream mit Papst Franziskus in Santa Marta in Rom. Anschliessend folgen Gebet und Frühstück, dann beginnt der mehr oder weniger normale Arbeitstag.

Neben meinem beruflichen und familiären Engagement erteile ich Glaubenskurse für befreundete Personen. Die werden nur per Video statt, konkret mit unserem Schulprogramm „Teams“; das ist möglich, weil alle Teilnehmer Lehrer an unserer Schule sind. Dazu kommt ein weiterer Kurs für Mitarbeiter des Opus Dei; der läuft jetzt über Skype.

Die Vorteile der Coronavirus-Zeit

Die Zeit mit dem Coronavirus bringt auch Vorteile: Dank Live Stream war es noch nie so einfach, an einer heiligen Messe teilzunehmen. Ich kann das zurzeit im eigenen Haus tun, obwohl dies natürlich die physische Präsenz in der Gemeinde nicht aufwiegt. Am Sonntag versammelt sich die ganze Familie zur Messe – mindestens jene, die noch zu Hause wohnen. Und da alle öffentlichen Aktivitäten und Veranstaltungen abgesagt sind, verbringen meine Frau und ich viel mehr Zeit miteinander als sonst, v.a. am Abend mit einem guten Glas Wein. Auch am Mittag essen wir, wenn immer möglich, gemeinsam mit den Kindern. Die Lage erlaubt es mir auch, via Telefon, WhatsApp oder E-Mail mit den Freunden Kontakt zu pflegen und sogar alte Bekanntschaften zu erneuern. So rief letzthin ein alter Bekannter aus der Jugendzeit an wegen einer Kleinigkeit; ich freue mich darauf, ihn wiederzusehen!