Der Freiheit entgegen

„Paradoxerweise erreicht die Freiheit ihre Fülle, wenn sie sich entscheidet, zu dienen“, heißt es in diesem Artikel über die Freiheit im Leben des Christen, eine Freiheit die in der Liebe zu Gott reift.

Es gibt keine bessere Wahl, als sich aus Liebe in die göttliche Knechtschaft zu begeben. In demselben Augenblick, da wir das tun, ändert sich unsere Stellung, und wir werden aus Sklaven zu Freunden und Kindern. Hier liegt der Unterschied: Wir widmen uns allen guten weltlichen Anliegen mit dem gleichen Einsatz und Eifer wie die anderen, aber die Seele ist dabei erfüllt von tiefem Frieden, von Freude und Gelassenheit - auch inmitten der Widerwärtigkeiten; denn nicht das Vergängliche, sondern das Ewig-Bleibende trägt uns: Wir sind nicht Kinder der Magd, sondern der Freien (Gal 4,31) (1).

Paradoxerweise erreicht die Freiheit ihre Fülle, wenn sie sich entscheidet zu dienen. Dagegen mündet die Forderung einer absoluten Freiheit, losgelöst von Gott und den anderen Menschen, ohne irgendwelche Grenzen, in ein Leben, das sich dem Geld, der Macht, dem Erfolg oder anderen mehr oder weniger glänzenden, aber vergänglichen und wertlosen Götzen unterwirft.

„Die Freiheit eines menschlichen Wesens ist die Freiheit eines begrenzten Wesens, und daher ist sie selbst begrenzt. Wir können sie nur als eine geteilte Freiheit besitzen, in der Gemeinschaft der Freiheiten: Die Freiheit kann sich nur entfalten, wenn wir, wie wir sollen, mit den anderen und für die anderen leben“ (2).

Wir brauchen die anderen, nicht nur, um von ihnen etwas zu empfangen, sondern auch, weil wir geschaffen sind, um zu geben. Es gibt kein persönliches Wachstum unabhängig von den uns umgebenden Personen: Der Gatte verwirklicht sich, indem er seiner Frau und seinen Kindern dient, und dasselbe gilt für die Gattin. Der Rechtsanwalt übt seinen Beruf aus, um dem Klienten und dem Gemeinwohl der Bürger zu dienen; der Kranke überlässt sich den Händen des Arztes, und dieser muss sich dem Patienten anpassen… Welcher von beiden ist größer: wer bei Tisch sitzt oder wer bedient? Natürlich der, der bei Tisch sitzt. Ich aber bin unter euch wie der, der bedient (3).

Der Dienst, den Christus von seinen Jüngern verlangt, besteht nicht bloß darin, etwas zu geben, sondern sich selbst zu geben, die Freiheit radikal aufs Spiel zu setzen. Wie Benedikt XVI. in seiner ersten Enzyklika geschrieben hat: „Das persönliche, innere Teilnehmen an der Not und am Leid des anderen wird so Teilgabe meiner selbst für ihn: Ich muss dem anderen, damit die Gabe ihn nicht erniedrigt, nicht nur etwas von mir, sondern mich selbst geben, als Person darin anwesend sein“ (4).

Mich selbst ganz schenken, mich ganz hingeben, bedeutet einfach, meine Freiheit hingeben: sie aus Liebe hingeben. Wenn wir die Freiheit aus Liebe hingeben, so werden wir fähiger zur Liebe und zur Hingabe, und daher freier; das ist das Spiel des persönlichen Schenkens: Man gibt, ohne zu verlieren; ja man gewinnt sogar, indem man gibt.

Wenn die Freiheit ganz in Gott hinterlegt wird, ohne weitere Sicherheiten als seinen Willen zu suchen und zu erfüllen, so ist die Identifizierung mit Christus der Gewinn, und die Freiheit wird auf einem tieferen Niveau wiedererlangt: als vertraute, kindliche Freiheit, die keine Umstände noch irgendeine Macht bezwingen können. Seinetwegen habe ich alles aufgegeben und halte es für Unrat, um Christus zu gewinnen und in ihm zu sein (5).

Christus suchen

„Jedem Menschen ist die Aufgabe übertragen, Gestalter seines eigenen Lebens zu sein“ (6). Jeder kann aus seinem Leben ein Meisterwerk der Liebe machen; mit Erfolgen, Irrtümern, Schwächen: Das spielt keine Rolle. Wichtig ist es, die Leuchte nicht aus den Augen zu verlieren, den Sinn, den, an dem sich das Herz erfreut (7), den Einzigen, der die Fähigkeit zu lieben erfüllen kann, auf den wir die Freiheit radikal ausrichten wollen.

Die konkreten Entscheidungen – einen Beruf ergreifen und ausüben, einen Stundenplan fest-legen, eine große oder kleine Verpflichtung eingehen – zielen letztlich auf ein in sich selbst geliebtes, nicht von einem anderen abhängiges Gut. Dieses Gut, das wir auf absolute Weise lieben, charakterisiert uns mehr als jede andere Sache.

Dieses Ziel gibt den kleinen Handlungen eines jeden Tages den letzten Sinn; es leitet das konkrete Verhalten, ist das Kriterium, das im Zweifel angibt, was zu tun oder zu lassen ist.

Letztlich gibt es – wie der Thomas in einem Kommentar zu Augustinus sagt – nur zwei Güter, die dem Menschen als absolut erscheinen und daher die übrigen Handlungen leiten können: die Ehre Gottes oder die eigene Wertschätzung. „Wie Gott selbst in der Liebe zu Gott das letzte Ziel ist, auf das sich alle Dinge hinordnen, die in rechter Weise geliebt werden, so findet man in der Liebe zur eigenen Vorzüglichkeit ein anderes letztes Ziel, auf das sich auch alle Dinge hinordnen. Denn wer in Bezug auf den Reichtum, die Wissenschaft, die Ehre oder irgendwelche anderen Güter hervorragen will, sucht durch all das seine eigene Vorzüglichkeit“ (8).

Nur Gott kann unserem Verlangen und unseren Tätigkeiten einen wahrhaft einheitlichen Sinn geben: „Du hast uns für dich geschaffen, und unruhig ist unser Herz, bis es ruht in dir“ (9). Diese Aussage des heiligen Augustinus zeigt den Ursprung und das Ziel der geschaffenen Freiheit, die zugleich Geschenk und Aufgabe ist. Gott hat uns die Freiheit geschenkt, damit wir die Fülle erlangen; und die Fülle ist das Resultat der Wahl der Liebe zu Gott, indem wir in den großen Entscheidungen und in den Kleinigkeiten des Alltags seinen Willen suchen.

Eine der Stellen, an denen das Evangelium die Ausrichtung der Existenz als Frucht der persönlichen Entscheidungen zeigt, ist die Erzählung vom reichen Jüngling. Die Unruhe des Herzens dieses Mannes treibt ihn dazu an, den Weg des wahren Glücks zu suchen.

Da er sich nicht mit weniger zufrieden geben will, wendet er sich an den, der endgültige Antworten geben kann, an Jesus: Guter Meister, was muss ich tun, um das ewige Leben zu gewinnen? (10). Die Antwort des Herrn ist nicht weniger radikal als die Frage. Zuerst weist er auf die Wege hin, die mit dem unvereinbar sind, was er sucht: Du sollst nicht die Ehe brechen, du sollst nicht töten, du sollst nicht stehlen, du sollst nicht falsch aussagen… (11).

Dann gibt er ihm die Richtung an, die zum Frieden und zur wahren Freude führen: Wenn du vollkommen sein willst, geh, verkauf deinen Besitz und gib das Geld den Armen; so wirst du einen bleibenden Schatz im Himmel haben. Dann komm und folge mir nach (12).

Diese Worte relativieren die Wichtigkeit all dessen, was bis dahin im Zentrum des Interesses des jungen Mannes stand. Seine Freiheit stößt auf eine unvorhergesehene Alternative, einen Ruf, den Horizont seines Lebens zu weiten.

Er hat kein schlechtes Leben geführt - im Gegenteil; er hatte ein soziales und moralisches Prestige, das seine Eltern und Erzieher sicher mit Genugtuung erfüllte. Aber das schien ihm ungenügend; er strebte nach mehr…, und deshalb wendete er sich an den Meister. Jedoch, angesichts des neuen Panoramas, das Jesus ihm eröffnet, schweigt er. Er weiß, dass der gute Meister Recht hat, besonders nachdem er die mysteriösen Worte gehört hat, die irgendwie seine Gottheit offenbaren: Warum nennst du mich gut? Niemand ist gut außer Gott, dem Einen (Lk 18,19).

Trotz allem ist er nicht frei genug, um sich dem Herrn zur Verfügung zu stellen. Die mensch-liche Klugheit, die Furcht, etwas Wertvolles zu verlieren und vielleicht das Streben nach Si-cherheit, führen dazu, dass er sich mit dem, was er schon hat, zufrieden gibt, mit der unbegründeten Hoffnung, dass er sich vielleicht wohlfühlen könnte - ohne nach so viel zu streben, wie Jesus ihm vorschlägt, ohne seine Position, seinen Ruf, sein Geld und letztlich sich selbst zu riskieren.

Wenn man das Gute mit wenig Liebe zu tun versucht, wird man schwerlich den Weg finden. Mit Worten des heiligen Johannes vom Kreuz: „Wer Gott sucht und dabei seine Vergnügen beibehalten will, der sucht ihn in der Nacht, und in der Nacht wird er ihn nicht finden“ (13). Dann verkompliziert sich der Verstand mit begründeten Unsinnigkeiten (14), und das Gute wird unterlassen oder verzögert.

Wenn die Liebe sehr schwach ist, dann wird der Kampf schwerfällig, verstrickt in ein Wirrwarr von vielen kleinen Fesseln, unentschlossen: Wenn die Gründe der Liebe nicht ausreichend sind, um zu tun, was Gott will, dann sucht man andere Unsinnigkeiten, um seinen Willen nicht zu erfüllen.

Das Herz des jungen Mannes war nicht zufrieden. Niemanden befriedigt eine halbherzige Ant-wort, kein menschliches Herz findet sich mit Mittelmäßigkeiten ab; deshalb ging er traurig weg (15).

Zu Christus zurückkehren

In der Liebe ausharren besteht nicht in einem angespannten Kampf, nie zu versagen. Ge-wöhnlich gelangt ein Segelschiff nicht in gerader Linie zum Hafen, sondern versucht die Winde auszunützen und korrigiert ständig die Abweichungen, die die Navigationsgeräte angeben.

Wichtig ist es, zu wissen, wohin man kommen will und wachsam zu bleiben. Es ist notwendig, oftmals die Freiheit von neuem hinzugeben, vor allem, wenn wir bemerken, dass wir begonnen haben, anderen Herren zu dienen (16).

Um uns nicht zu verirren, müssen wir das konkrete Handeln im Licht der Berufung prüfen; sie ist wie eine göttliche Leuchte, die die Freiheit orientiert. „ Wir müssen bereit sein, neu anzufangen und in jeder neuen Situation, vor die uns das Leben stellt, das Licht und die Kraft der ersten Bekehrung wiederzufinden, uns durch eine gründliche Gewissenserforschung vorzubereiten und den Herrn um Hilfe zu bitten, damit wir Ihn und uns selbst besser kennen lernen. Es gibt keinen anderen Weg, wenn wir uns von neuem bekehren wollen “ (17).

Das Fehlen der Freude ist einer jener Indikatoren, die uns zu entdecken erlauben, wenn der Wille die Ausrichtung auf Gott zu verlieren beginnt. Mit dem Licht des Heiligen Geistes werden wir erkennen können, wo wir unser Herz haben, um gegebenenfalls den Weg zu berichtigen.

Das Gleichnis vom verlorenen Sohn ist ein wahrer Führer auf dem Weg zur Bekehrung. Der Ausgangspunkt ist der Augenblick, in dem der Sohn seine materielle Bedürftigkeit, und vor allem die geistliche – das Fehlen der Freude – erkennt. Da wird er sich bewusst, seine Freiheit als Sohn missbraucht zu haben.

Er beginnt nun seine Situation objektiv zu prüfen. Er blickt in sein Inneres, in se autem rever-sus (18), ohne Angst, die harte Wahrheit der Tatsachen anzuerkennen. Das Panorama zeigt Hunger, Einsamkeit, Traurigkeit, Mangel an Liebe… Wie bin ich in diese Lage geraten?, wird er sich gefragt haben. Er hätte die Schuld auf ein unglückliches Schicksal oder auf die Hungersnot in dieser Region abwälzen können. Er wagt es jedoch, seine früheren Entscheidungen auf sich zu nehmen, ohne der Verantwortung auszuweichen.

Er selbst ist es gewesen, der frei die Treue zu seinem Vater gegen die Illusion eines unwirkli-chen Glücks eingetauscht hat. In ihm reifte die Idee heran, dass die ihm zustehenden Güter, in diesem Fall das väterliche Erbe, fähig wären, seine Sehnsüchte nach Wohlergehen, nach per-sönlicher Verwirklichung, zu stillen. Sein Wille hatte sich auf seinen kleinen Schatz – seine Ansprüche, sein Vergnügen, seine Zeit, seine Sinnlichkeit, seine Faulheit – konzentriert.

Die lebendige Erfahrung seines Elends ließ ihn reagieren und erkennen, wie wenig er auf sich allein gestellt wert war, welch grausamer Knechtschaft er ohne seinen Vater ausgeliefert war: Wie viele Tagelöhner im Haus meines Vaters haben mehr als genug zu essen, und ich komme hier vor Hunger um (19).

Das Haus des Vaters: die heilige Kirche Gottes, dieser kleine Teil der Kirche, der das Werk ist… Er hat die Angst verloren, die Dinge bei ihrem Namen zu nennen, und der Kontakt mit der Wahrheit über sich selbst führt ihn auf den Weg zur Freiheit: Die Wahrheit wird euch frei machen (20). Angesichts der Realität der Dinge nimmt die Sehnsucht nach der Liebe des Vaters Gestalt an: Es ist die Rückreise nach Hause.

Nach Hause muss man oft im Leben zurückkehren, immer wieder, denn es ist der Ort der Wiederbegegnung mit uns selbst. Dort entdecken wir wieder, was wir sind: Kinder Gottes. Das Haus ist auch das Gewissen, innerstes Heiligtum der Person. Und der verlorene Sohn, der so entschieden seine Rechte eingefordert hatte, verzichtet nun angesichts der nackten Wahrheit über sich selbst auf jedes Recht: Ich will aufbrechen und zu meinem Vater gehen und zu ihm sagen: „Vater, ich habe mich gegen den Himmel und gegen dich versündigt. Ich bin nicht mehr wert, dein Sohn zu sein; mach mich zu einem deiner Tagelöhner“. Dann brach er auf und ging zum Haus seines Vaters (21).

Schon auf dem Rückweg beginnt die Freude der Bekehrung. Die Reue hat die Tür der Hoffnung geöffnet und in der Entscheidung zurückzukehren hat die Freiheit ihre Ausrichtung auf die Liebe wiedergewonnen. Außerdem aber übertrifft die Begegnung mit dem Vater die kühnsten Erwartungen.

Das arme menschliche Herz, das wegen seiner Vergehen gedemütigt ist, wird von der unend-lichen Barmherzigkeit der Liebe überflutet: Der Vater sah ihn schon von weitem kommen, und er hatte Mitleid mit ihm. Er lief dem Sohn entgegen, fiel ihm um den Hals und küsste ihn (22).

Die Freiheit reift in der Liebe zu Gott. Die Freiheit des Kindes wird nicht in einer Bilanz von Erfolgen und Irrtümern errechnet, sondern die Irrtümer verwandeln sich in Erfolge, in eine Gelegenheit, mehr zu lieben, wenn wir es verstehen, zu berichtigen und um Verzeihung zu bitten, mit vollem Vertrauen auf die Barmherzigkeit Gottes.

Lernen wir, an der Hand unseres Vaters neu zu beginnen: Ihr werdet bei eurer Gewissenserforschung bestimmte, immer wiederkehrende Rückschläge festgestellt haben, die an sich geringfügig sind, euch aber fast übergroß erscheinen, weil ihr in ihnen den Mangel an Liebe, an Hingabe, an Opfergeist, an Feingefühl erkennt. Auch mir ergeht es so. Entschuldigt diesen erneuten Hinweis auf meine Person, aber auch ich bespreche, während ich mit euch rede, mit dem Herrn die Dinge meiner Seele. Bereut in solchen Situationen aufrichtig, habt den festen Wunsch zu sühnen, aber verliert deshalb nicht den Frieden! (23).

Verliert den Frieden nicht! Diese bewegende väterliche Bitte geht Hand in Hand mit einem Aufruf zur Reue, die das Wichtigste bei der Gewissenserforschung ist. Der heilige Josefmaria öffnete sein Herz, um uns die Nahrung seiner Erfahrung im Umgang mit Gott zu geben.

Jetzt ist die Seligkeit seine Erfahrung, und seine Teilhabe an der Vaterschaft Gottes ist intensiver. Wenden wir uns an seine Fürsprache, um eine gelassene und kindliche Reue zu erlangen; damit er uns lehre, eine reuevolle Gewissenserforschung zu machen, die uns den Frie-den nicht raubt, sondern ihn uns schenkt. Jeder Reueakt ist ein Neubeginn. Wie viel Friede vermittelt uns die Überzeugung, dass – solange es Leben gibt – kein Versagen endgültig ist!

In Christus leben

Der heilige Johannes beschreibt in der Offenbarung eine große Schar, die niemand zählen konnte. Sie standen in weißen Gewändern vor dem Thron und vor dem Lamm und trugen Palmzweige in den Händen (24). Die Palme ist Symbol der Freude und des Triumphs, der Freude, Gott zu ehren und des Sieges derer, die ihm für immer Ehre erweisen. Diesem Bild folgend könnten wir sagen, dass die Palme der Freiheit in ihrer Ausrichtung auf Gott besteht, bis sie zum definitiven Sieg der erreichten Heiligkeit gelangt.

Wie erreichen wir einen so kostbaren Sieg? Das II. Vatikanische Konzil lehrt, dass „die Freiheit des Menschen, die durch die Sünde verwundet ist, nur mit Hilfe der Gnade Gottes die Hinordnung auf Gott zur vollen Wirksamkeit bringen kann“ (25).

Deshalb sandte Gott seinen Sohn, der uns zu Hilfe gekommen ist, um uns an seinem Sieg am Kreuz teilhaben zu lassen, und damit wir die Gabe des Heiligen Geistes empfangen. Unsere Freiheit ist auf dem Kalvarienberg befreit worden: „ Zur Freiheit hat uns Christus befreit (Gal 5, 1). In ihm haben wir teil an der „Wahrheit“, die frei macht (Joh 8,32). Uns wurde der Heilige Geist geschenkt, und wo der Geist des Herrn wirkt, da ist Freiheit (2 Kor 3, 17), lehrt der hl. Paulus. Schon jetzt rühmen wir uns der ’Freiheit und Herrlichkeit der Kinder Gottes’ (Röm 8,21)“ (26).

Gott hatte seinem Volk ein neues Lebensprinzip verheißen, ein in das Herz geschriebenes Gesetz, das nicht nur die Richtung weist, sondern das auch die Kraft gibt, um auf dem Weg der Liebe zu Gott zu wandeln: Ich schenke euch ein neues Herz und lege einen neuen Geist in euch. Ich nehme das Herz von Stein aus eurer Brust und gebe euch ein Herz von Fleisch. Ich lege meinen Geist in euch und bewirke, dass ihr meinen Gesetzen folgt und auf meine Gebote achtet und sie erfüllt (27).

Dieses Versprechen wurde durch die Sendung des Heiligen Geistes Wirklichkeit, denn die Liebe Gottes ist ausgegossen in unsere Herzen durch den Heiligen Geist, der uns gegeben ist (28). Nur auf diesem neuen Prinzip können wir ein von der Knechtschaft des Egoismus befreites Leben aufbauen, ein Leben freier Söhne. Denn alle, die sich vom Geist Gottes leiten lassen, sind Söhne Gottes (29).

Der Wille soll sich auf den übernatürlichen Felsen der Gotteskindschaft stützen und nicht auf den Sand der eigenen Kräfte. Dann können die eigenen Beschränkungen bewältigt werden, indem man die Hindernisse demütig mit der Kraft Gottes überwindet.

Der übernatürlich gute Wille lebt so vergöttlicht und sucht in allem den Willen Gottes zu erfüllen. Wie? Durch das Vergessen seiner selbst mit der Stärke Christi. Viel lieber also – sagt der heilige Paulus – will ich mich meiner Schwachheit rühmen, damit die Kraft Christi auf mich herabkommt. Deswegen bejahe ich meine Ohnmacht, alle Misshandlungen und Nöte, Verfolgungen und Ängste, die ich für Christus ertrage; denn wenn ich schwach bin, dann bin ich stark (30).

Das Bewusstsein der Gotteskindschaft ist ein realistisches Fundament für die Freiheit; es lehrt, von der Realität der eigenen Kleinheit aus, die zugleich die Größe eines vielgeliebten Kindes Gottes ist, wieder neu zu beginnen. Sie ist Quelle der Gelassenheit und des Optimismus für den Kampf.

Das Kind Gottes weiß sich durch die Allmacht eines Vaters, der es mit seinen Fehlern liebt, gestützt. Und er hilft ihm zugleich, gegen die Fehler zu kämpfen, und spornt es zur Freiheit an.

C. Ruiz

(1) Freunde Gottes, Nr. 35.

(2) Benedikt XVI., Homilie, 8.12.2005.

(3) Lk 22,27.

(4) Benedikt XVI., Enz. Deus caritas est, Nr. 34.

(5) Phil 3,8.

(6) Hl. Johannes Paul II., Brief an die Künstler, 4.4.1999, Nr. 2.

(7) Vgl. Ps 33,21.

(8) Hl. Thomas von Aquin, De Malo, q. 8, a. 2, c.

(9) Hl. Augustinus, Bekenntnisse, 1, 1, 1.

(10) Lk 18,18.

(11) Lk 18,20.

(12) Mt 19,21.

(13) Hl. Johannes vom Kreuz, Cántico espiritual, 3, 3.

(14) Freunde Gottes, Nr. 37.

(15) Mt 19,22.

(16) Vgl. Lk 16,13.

(17) Christus begegnen, Nr. 58.

(18) Lk 15,17.

(19) Ebd.

(20) Joh 8,32.

(21) Lk 15,18-20.

(22) Lk 15,20.

(23) Freunde Gottes, Nr. 13.

(24) Vgl. Offb 7,9.

(25) II. Vatik. Konzil, Pastoralkonst. Gaudium et spes, Nr. 17.

(26) Katechismus der Katholischen Kirche, Nr. 1741.

(27) Ez 36,26-27.

(28) Röm 5,5.

(29) Röm 8,14.

(30) 2 Kor 12,9-10.