Wir nähern uns dem Heiligen Geist, der Quelle innerer Kraft

Für die Tage von Christi Himmelfahrt bis Pfingsten empfiehlt Andreas Kuhlmann ein Gebet zum Heiligen Geist, das der heilige Josefmaria 1934 niederschrieb. Dieses Gebet hat schon vielen Christen geholfen, Verstand, Herz, und Willen dem Heiligen Geistes zu öffnen, seelische Leere und Kälte zu überwinden, neue Vitalität zu schöpfen und Gott und die Mitmenschen großherzig zu lieben

Vor kurzem sagte mir eine ältere Dame, dass ihr Bruder als Landwirt sehr darunter leidet, wie die Rotbuchen der altehrwürdigen Allee zum Elternhof nach und nach austrocknen und gefällt werden müssen. So scheint es in unseren Breiten immer öfter zu geschehen. In vielen Bäumen fließt der „Lebenssaft“ nicht mehr ausreichend, Vitalität geht verloren und mit ihr die Widerstandskraft gegen Schädlinge. Viele Bäume fallen in unseren Breiten vermutlich dem Klimawandel zum Opfer. Die Trockenheit hat sie anfällig gemacht, zum Beispiel für Borkenkäfer.

Auch viele Christen drohen „auszutrocknen“. Sie spüren eine gewisse innere Leere und seelische Kälte. Zwar können Antriebsschwäche, Lebensunlust und Perspektivlosigkeit Anzeichen für eine Erkrankung sein, die ärztliche oder psychologische Behandlung nötig macht. Dahinter kann aber auch ein spirituelles und kein medizinisches Problem stecken: Verzagtheit und wenig Hoffnung, Leerlauf im Gebetsleben und kaum missionarischer Drive deuten nicht selten darauf hin, dass der Umgang mit Gott im Argen liegt. Wenn es so steht, lohnt es sich, den Heiligen Geist näher kennenzulernen, den der heilige Josefmaria den „großen Unbekannten“, nannte zum Beispiel in seinem bekannten Buch Der Weg (Nr. 57). Der Heilige Geist will Lebensspender, Impulsgeber, Muntermacher und Kraftquelle für uns sein. Ein Christ ist seiner Umwelt nie derart ausgeliefert, dass er innerlich vertrocknen oder ausbrennen müsste. Im Gegenteil kann er vor geistlichem Feuer sprühen und voll Vitalität sein, wenn er die Liebe Gottes, die der Heiligen Geist ist, in sich aufsaugt wie die Bäume das Wasser.

Wie der Geist Gottes im Christen wirkt, sagen uns viele Heilige. Der heilige Josefmaria Escrivá beschäftigte sich schon als junger Priester in den Jahren 1932 bis 1934 sehr intensiv mit der Dritten Person des Dreifaltigen Gottes und näherte sich ihm in seinem Beten und durch das Studieren geistlicher Bücher. Eins davon war das „Decenario al Espíritu Santo“, eine Hinführung zum Pfingstfest in zehn Tagen, die eine einfache spanische Schneiderin verfasst hatte, Francisca Javiera del Valle (1856–1930). Unter diesem Eindruck schrieb der Gründer des Opus Dei im April 1934 folgendes Gebet nieder:

Komm, Heiliger Geist! Erleuchte meinen Verstand, damit ich deine Gebote erkenne.

Stärke mein Herz gegen die Nachstellungen des Feindes.

Entflamme meinen Willen...

Ich habe deine Stimme vernommen und möchte mich nicht verhärten und dir widerstehen. Ich will nicht sagen: Morgen... Nunc coepi!Jetzt beginne ich – denn es könnte kein Morgen mehr für mich geben.

Oh Geist der Wahrheit und der Weisheit, Geist des Verstandes und des Rates, Geist der Freude und des Friedens: Ich will, was du willst, ich will, weil du willst, ich will, wie du willst, ich will, wann du willst.

Mit der direkten Ansprache des Heiligen Geistes ist der heilige Josefmaria wohl einem Rat seines geistlichen Begleiters sowie einer persönlichen inneren Eingebung gefolgt. Das vermutet Pedro Rodriguez, der Autor eines historisch-kritischen Kommentars zu Escrivás Schrift Der Weg (Camino. Edición crítico-histórica. Rialp, Madrid 2002, Seite 269 zu Punkt 57).

Verstand, Herz, Wille. – Nach dem heiligen Josefmaria wirkt die belebende und verwandelnde Kraft des Heiligen Geistes auf diese zentralen Schaltstellen im Inneren des Menschen ein. Den Christen verhilft Gott zu einer leichteren und entschiedenen Nachfolge Jesu, der seinen Jüngern den Geist seines Vaters versprochen hat: „Der Beistand aber, der Heilige Geist, den der Vater in meinem Namen senden wird, der wird euch alles lehren und euch an alles erinnern, was ich euch gesagt habe. Frieden hinterlasse ich euch, meinen Frieden gebe ich euch“ (Joh 14,26). Der Geist Gottes gießt den Frieden Christi in unsere Seele ein, doch müssen wir uns freiwillig für ihn öffnen. Dazu können wir uns dieses Gebet des heiligen Josefmaria zu eigen machen oder wie Maria ein aufrichtiges „Mir geschehe, wie Du gesagt hast“ sprechen oder unseren Glauben an Gottes Güte mit unseren eigenen Worten erneuern.

Dann erleuchtet göttliches Licht unseren Verstand, und wir können im Laufe des Lebens Gottes Willen immer wieder neu erkennen und befolgen. Seine Gnade geht über jedes Menschmaß hinaus und stärkt unsere Herzen, damit sie fest in seiner Liebe verankert bleiben, ohne sich den Einflüssen der Welt zu entziehen. Wir dürfen, können und sollen „die Welt leidenschaftlich lieben“, wie der heilige Josefmaria gern sagte – und zugleich ganz in der Liebe Christi bleiben (vgl. Joh 15,9). Denn der Christ stammt nicht von der Welt, sondern von Gott (vgl. Vers 19). Der Geist der Wahrheit kräftigt die Freiheit des Christen, denn er aktiviert unseren freien Willen und lädt uns sanft ein, Gott und die Menschen großherzig zu lieben. Gerade so hat er alle seine Heiligen christusförmig gemacht – auch den damals 32jährigen Priester Josefmaria Escrivá bis zu seinem Heimgang mit 73 Jahren.

An Pfingsten betet die Kirche dem Heiligen Geist, „tränke, was da dürre steht“, damit wir nicht austrocken wie hierzulande die Bäume, damit wir mit seiner belebenden Kraft jede Sinnleere, jede seelische Kälte überwinden. – „Komm, Heiliger Geist! Erleuchte meinen Verstand, stärke mein Herz. Ich will, was du willst, ich will, weil du willst, ich will, wie du willst, ich will, wann du willst.“

Andreas Kuhlmann