„Wendet euch in all euren leiblichen und geistlichen Anliegen an den heiligen Josefmaria“

Homilie, die Bischof Javier Echevarria, Prälat des Opus Dei, in der Pfarrei „Hl. Josefmaria“ in Rom am vergangenen 26. Juni gehalten hat.

Bischof Javier Echevarria, Prälat des Opus Dei

Liebe Brüder und Schwestern!

1. Der heilige Ambrosius schrieb „Der Geburtstag der Heiligen erfüllt alle mit Freude, denn die Heiligen sind ein Gut, das allen gehört“(1). Auch der 26. Juni, der „dies natalis“ des heiligen Josefmaria Escrivá, ist ein Tag der Freude und des Jubels für die Kirche und für die Hunderttausenden, die überall auf der ganzen Welt in Städten und Dörfern große Kirchen und kleine Kapellen füllen, um Gott, der immer „wunderbar in seinen Heiligen“ ist (2), dafür zu danken, daß er uns diesen Freund und Beschützer geschenkt hat. Auch wenn die Verehrung dieses heiligen Priesters überall auf der Welt verbreitet ist, denke ich, daß in Rom dieses Fest eine besondere Bedeutung hat, weil der Gründer des Opus Dei hier in Rom seine Seele in die Hände Gottes zurückgab, und weil sein Leichnam hier, in der Kirche der Mutter Gottes vom Frieden, ruht.

Nach seiner Heiligsprechung durch Papst Johannes Paul II. am vergangenen 6. Oktober verehren wir in diesem Jahr Josefmaria Escrivá an seinem Gedenktag zum ersten Mal mit dem Ehrentitel „Heiliger“. Aus diesem Grund enthält der heutige Tag eine besonders feierliche Note für uns, die wir unser christliches Leben nach seinem Geist und dem Vorbild seiner Botschaft ausrichten wollen, und die wir uns tief in seiner Schuld wissen wegen so vieler Gnadenerweise, die wir vom Himmel auf seine Fürsprache erhalten haben.

Der heilige Josefmaria ist uns sehr nahe, heute und zu allen Zeiten. Nicht nur wegen der großen historischen Bedeutung seiner Persönlichkeit, sondern auch, weil wir immer wieder seine Fürsprache in den kleinen alltäglichen Nöten anrufen, auch in den unscheinbarsten. Wir haben seine Vaterschaft erfahren, wir wissen, daß er uns zuhört, uns begleitet, uns hält. Er ist eine wahrhaft vertraute Gestalt, denn es sind noch nicht viele Jahre seit seinem Heimgang zu Gott vergangen. Einige von uns haben ihn persönlich kennengelernt; aber ich denke, daß wir alle uns im Innern unserer Seele an ihn wenden, wo er durch die Gnade Gottes gegenwärtig wird, um uns zu helfen, den Weg der Heiligkeit und des Apostolates zu gehen.

Gratias tibi, Deus, gratias tibi! Unsere Dankbarkeit ist heute ganz besonderes innig und tief. Wir danken zuerst der allerheiligsten Dreifaltigkeit, die der Welt und der Kirche diesen heiligen, fröhlichen, zutiefst apostolischen Diener geschenkt hat. Wir danken der Jungfrau Maria, denn alle Gnaden erreichen uns durch ihre mütterliche Vermittlung. Wir danken nicht zuletzt dem heiligen Josefmaria für seine treue, vollkommene Hingabe an die Sendung, die Gott ihm seit aller Ewigkeit zugedacht hatte: in der Welt einen Weg der Heiligung in der beruflichen Arbeit und in der Erfüllung der gewöhnlichen Pflichten des christlichen Alltags zu eröffnen, wie es in dem Gebet heißt, mit dem Millionen Menschen seine Fürsprache anrufen. Ein Weg, der von unzähligen Männern und Frauen unterschiedlichster Lebensverhältnisse beschritten werden kann und tatsächlich beschritten wird. Gratias tibi, Deus, gratias tibi!

Rom, 26. Juni 2003, Pfarrei 'Heiliger Josefmaria'

2. Das heutige Evangelium ist eine Einladung, den Ruf Jesu an die ersten Apostel noch einmal zu betrachten. Der Herr will Petrus und Andreas mitten in ihrer beruflichen Tätigkeit berufen. Er bittet sie, in ihr Schiff steigen zu dürfen und etwas vom Ufer wegfahren, damit er zu der Menge sprechen kann. Als er seine Rede beendet hat, lädt er sie ein, auf den See hinauszufahren und die Netze zum Fang auszuwerfen. Simon Petrus, der seinen anfänglichen Widerstand durch seinen Glauben an das Wort Jesu erst überwinden mußte, wird Zeuge des Wunders eines außerordentlichen Fischfangs. Danach reift in ihm – auf die Einladung des Herrn hin: „Von jetzt an wirst du Menschen fangen“ (3) – die Entscheidung, Jesus für immer zu folgen, zusammen mit den anderen Elf. „Und sie zogen die Boote an Land, ließen alles zurück und folgten ihm nach“ (4).

Der heilige Josefmaria hat oft diese Passage betrachtet, in der er eine klare Bestätigung des Auftrags Gottes an ihn selbst sah: allen Menschen zu zeigen, daß die berufliche Arbeit, die weltlichen Angelegenheiten, Gelegenheit für eine persönliche Begegnung mit Christus sein können, der alle zur Heiligkeit und zum Apostolat ruft. In einem Punkt von „Der Weg“ faßt er diese Gedanken wie folgt zusammen: „Was dich wundert, scheint mir ganz natürlich. Daß Gott dich beim Ausüben deines Berufes aufgesucht hat?

So suchte Er die Ersten auf: Petrus, Andreas, Johannes, Jakobus bei ihren Netzen. Matthäus an der Zollstelle. ... Und, staune! Paulus mitten in seinen Bemühungen, die Saat der Christen auszurotten.“ (5).

Seit dem Jahr 1928 hat der Gründer des Opus Dei unermüdlich diese Botschaft verkündet und sich tatkräftig für ihre Verbreitung und ihre praktische Umsetzung eingesetzt. Darin bestand das Ziel seines irdischen Lebens, die Aufgabe, der er alle seine Kräfte gewidmet hat, die menschlichen und übernatürlichen Gaben, die Gott ihm geschenkt hatte. Jetzt, vom Himmel aus, arbeitet er weiter an dieser Sendung, als Fürsprecher vor Gottes Thron, damit viele Männer und Frauen mit all ihren Kräften Christus nachfolgen, damit sie die Einswerdung mit Christus – denn darin besteht die Heiligkeit – in ihren alltäglichen Lebensumständen suchen.

In den achtundzwanzig Jahren, die seit dem Tod des Gründers des Opus Dei vergangen sind, haben die Büros der Prälatur über 120.000 Berichte von Gnadenerweisen erhalten, die der Fürsprache des heiligen Josefmaria zugeschrieben werden. Sie kommen aus allen Teilen der Welt: vom Regenwald des Amazonas bis zum ewigen Eis der Antarktis, aus großen Städten wie aus kleinsten Dörfern. Wenn man diese Unzahl an Zeugnissen auswertet, sieht man sofort, daß der hl. Josefmaria sich nicht nur der unterschiedlichsten Bitten annimmt, sondern vor allem den Menschen, die sich an ihn wenden, viele geistliche Gnaden zukommen läßt. So erfüllt er das Versprechen, das er so oft in den letzten Jahren seines Lebens wiederholt hat: Vom Himmel aus werde ich euch noch besser helfen können!

Euch, die ihr mir zuhört, rate ich folgendes: Wendet euch an den heiligen Josefmaria in all euren Anliegen, den kleinen und großen, den leiblichen wie geistlichen. Der Vater schaut auf euch mit Liebe, mit Aufmerksamkeit, und wird gewiß viel mehr für euch von Gott erhalten, als ihr von ihm erbittet. Bittet gläubig und beharrlich, mit dem festen Vorsatz, euch mit dem göttlichen Willen zu identifizieren, ihn euch zu eigen zu machen und ihn zu erfüllen. Empfangt auf die Fürsprache des heiligen Josefmaria regelmäßig die Sakramente, die Gefäße der göttlichen Gnade sind.

3. Seit dem 2. Oktober 1928, dem Tag, an dem Gott ihm die unermeßliche Aufgabe enthüllte, die er für ihn vorgesehen hatte, war dem heiligen Josefmaria vollkommen klar, daß diese Mission nicht auf ein konkretes Land oder auf eine bestimmte Zeit beschränkt war, sondern daß sie eine weltweite und bleibende Bedeutung besaß. Das alltägliche Leben – die Familie, die Arbeit, die gesellschaftlichen Beziehungen usw. – sind bleibende Wirklichkeiten. Am Tag der Heiligsprechung faßte der Papst die Botschaft des heiligen Josefmaria wie folgt zusammen: „Die Arbeit und alles andere Tun wird mit Hilfe der Gnade zu einem Mittel der täglichen Heiligung“ (6).

Die Universalität der Gestalt und der Botschaft des heiligen Josefmaria spiegelt sich wieder in der Vielzahl unterschiedlicher Gegenden, in denen er verehrt wird. Heute und in den nächsten Tagen werden Gottesdienste zu seinem Gedenken in hunderten von Städten in allen fünf Kontinenten stattfinden, viele davon werden von den jeweiligen Diözesanbischöfen gefeiert.

Wenn wir im Evangelium die Aufforderung Christi hören: „Duc in altum“!, erinnern wir uns noch einmal an die Einladung des Papstes, in dem gerade begonnenen Jahrhundert eine christliche Spur zu hinterlassen: “Gehen wir voll Hoffnung voran!“ schrieb er uns im Jahr 2001. „Ein neues Jahrtausend liegt vor der Kirche wie ein weiter Ozean, auf den es hinauszufahren gilt. Dabei zählen wir auf die Hilfe Jesu Christi. Der Sohn Gottes, der aus Liebe zum Menschen vor zweitausend Jahren Mensch wurde, vollbringt auch heute sein Werk. Wir brauchen aufmerksame Augen, um es zu sehen, und vor allem ein großes Herz, um selber seine Werkzeuge zu werden“ (7).

In seiner Predigt in der Heiligsprechungsmesse erinnerte Johannes Paul II. daran, wie der heilige Josefmaria, “ohne zu zögern, die von Jesus an den Apostel Petrus ergangene Einladung annahm (...): Duc in altum!“. Er gab sie an seine ganze geistliche Familie weiter, damit sie der Kirche einen gültigen Beitrag der Gemeinschaft und des apostolischen Dienstes darbringe. Diese Einladung richtet sich heute an uns alle. ‚Fahr hinaus auf den See’, sagt uns der göttliche Meister, ‚dort werft eure Netze zum Fang aus!’ (Lk 5,4)“ (8).

Wir alle sind eingeladen, Christus nachzufolgen, die meisten von euch, ohne die Familie, die Arbeit oder die eigene Stellung in der Gesellschaft aufzugeben. Wir sollten keine Angst haben, in all unserem Tun auf die hohe See hinauszufahren, wirkliche Apostel Christi zu sein, Christus zu erlauben, daß Er in unser Schiff einsteigt – dass Er tatsächlich in unser Leben eintritt - und dass Er derjenige ist, der es prägt.

Vertrauen wir der Jungfrau Maria, unserer Mutter, auf die Fürsprache des heiligen Josefmaria diese Wünsche an, die der Meister selbst in unser Herz gelegt hat. Amen

(1) Hl. Ambrosius, Expositio Evangelii secundum Lucam, II, 30

(2) Ps 67 (68), 36 (Vg)

(3) Lk 5, 10

(4) Ebd., 11

(5) Hl. Josefmaria Escrivá, Der Weg, Nr. 799

(6) Johannes Paul II., Homilie in der Heiligsprechungsmesse des hl. Josefmaria, 6.10.2002

(7) Johannes Paul II., Apostolisches Schreiben Novo millenio ineunte, 6.1.2002, Nr. 58

(8) Johannes Paul II., Homilie in der Heiligsprechungsmesse des hl. Josefmaria, 6.10.2002