Pfingsten lädt uns Christen ein, den Heiligen Geist kennenzulernen

Wenn wir uns seinem Wirken öffnen und überlassen, wirken wir aktiv an der Sendung Jesu Christi mit. Dazu ermuntert Andreas Kuhlmann.

Gaudete et exsultate, Freut euch und jubelt! Der Titel des Apostolischen Schreibens von Papst Franziskus „über den Ruf zur Heiligkeit in der Welt von heute“ greift die Osterbotschaft auf. Sie hat besonders die verzagten, bedrängten und erniedrigten Menschen schon immer hellhörig und bereit gemacht, Gott in ihr Leben aufzunehmen. „Habt keine Angst, ich bin es!“ Mit diesen Worten beruhigt und stärkt der auferstandene Herr seine Anhänger. Aber nach vierzig Tag verlässt er sie bis zu seiner Wiederkunft am Ende der Zeiten. Und nach seiner Himmelfahrt brauchen die verlassenen Jünger seinen Zuspruch „Freut euch! Habt keine Angst! mehr als zuvor, denn nun müssen sie sich der harten Wirklichkeit des Lebens ohne ihren Meister stellen. Er hatte ihnen so vieles erklärt, ihre Fragen beantwortet und ihnen in ihren Nöten auf vielerlei Weise geholfen.

Heute ruft uns der heilige Josefmaria mit dem Apostel Paulus zu: „ ‚Wisst ihr nicht, dass ihr Gottes Tempel seid und der Geist Gottes in euch wohnt?‘ (1 Kor 3,16). Leider ist der Heilige Geist für uns Christen der Große Unbekannte: Ein Name, den man sagt, aber nicht ein Jemand – die dritte Person des einen Gottes –, mit dem man spricht und aus dem man lebt.“ (Christus begegnen, Nr. 134). Francisca Javiera del Valle (1856–1930) schrieb in ihrem „Dezenarium zum Heiligen Geist“, einer hierzulande kaum bekannten Zehn-Tage-Andacht vor Pfingsten, die Josemaría Escrivá sehr schätzte: „Ich muss bekennen, dass ich selbst all das nicht wusste, bevor es mich mein unvergesslicher Lehrer lehrte. – Wie kann man dem Heiligen Geist für seine Güte danken, wenn man ihn nicht kennt? Und deshalb, Herr, ist mein Herz so traurig, weil ich sehe, dass man Dich nicht kennt!“

Die Kirche und ihre Heiligen halten uns den Heiligen Geist keineswegs vor, aber es bedarf einer gewissen Anstrengung unsererseits, ihn im Alltag wahrzunehmen. Pfingsten lädt jeden Christen ein, Gott in seiner dritten Person mehr Aufmerksamkeit zu schenken. Denn er will uns nicht nur beistehen, sondern uns auch verwandeln, uns „heiligen“. Er ist der Heiligmacher schlechthin, der uns in die ganze Wahrheit des Glaubens einführt (vgl. Joh 16,13; 14,26). Gott Vater und Jesus Christus senden uns den Heiligen Geist aber auch, damit wir an Jesu Sendung teilhaben: „Wie mich der Vater gesandt hat, so sende ich euch! Nachdem er das gesagt hatte, hauchte er sie an und sprach zu ihnen: Empfangt den Heiligen Geist!“ (Joh 20,21-22; Evangelium vom Pfingstsonntag). Wir Christen müssen uns wie Christus heiligen, denn er hat zum Vater ausdrücklich für unsere Heiligkeit gebetet und uns in seine Sendung hineingenommen (vgl. Joh 17,17-19).

Papst Franziskus schreibt in Gaudete et exsultate, Nr. 10: „Was ich jedoch mit diesem Schreiben in Erinnerung rufen möchte, ist vor allem der Ruf zur Heiligkeit, den der Herr an jeden und jede von uns richtet, den Ruf, den er auch an dich richtet: ‚Seid heilig, weil ich heilig bin‘ (Lev 11,44; 1 Petr1,16). Das Zweite Vatikanische Konzil hat das sehr deutlich hervorgehoben: ‚Mit so reichen Mitteln zum Heile ausgerüstet, sind alle Christgläubigen in allen Verhältnissen und in jedem Stand je auf ihrem Wege vom Herrn berufen zu der Vollkommenheit in Heiligkeit, in der der Vater selbst vollkommen ist.‘ (Lumen gentium, Nr. 11)“

Der Heilige Geist schenkt uns diese „Mittel“, wenn wir uns seinem Wirken öffnen und überlassen, allerding nicht passiv, sondern indem wir aktiv mitwirken: „Was da nottut, ist […] der gewohnte Umgang mit Ihm in Einfachheit und Vertrauen, so wie es uns die Kirche durch die Liturgie lehrt. Dann werden wir den Herrn besser kennen und uns der unaussprechlichen Gabe, Christ zu heißen, besser bewusst sein. […] Gewöhnen wir uns an den Umgang mit dem Heiligen Geist, denn Er soll uns heiligen; haben wir Vertrauen zu Ihm, bitten wir um seinen Beistand, spüren wir seine Nähe. Unser Herz wird weit und unser Verlangen stärker werden, Gott und durch Gott alle Menschen zu lieben.“ (Christus begegnen, Nr. 134, 136).

In diesem Sinne lädt uns ein Gebet zum Heiligen Geist aus dem Dezenarium ein, uns Gottes heilender und heiligender Liebe erneut und weiter zu öffnen, ja hinzugeben: „Herr, von heute an, um der Liebe willen, will ich leben, als ob es nur Dich und mich auf der Welt gäbe, im Vertrauen, dass der Heilige Geist uns die nötige Gnade geben wird, an unseren Entschlüssen bis zum letzten Atemzug festzuhalten.“