Im klassischen Sinne fromme Menschen kommen selten zum Opus Dei

Aus einem Interview mit dem Schweizer Regionalvikar des Opus Dei

Peter Rutz, Regionalvikar des Opus Dei in der Schweiz

Dr. Peter Rutz (62) war von 1991 bis 2000 Regens des Priesterseminars St. Luzi in Chur. Seit Herbst 2002 ist er Regionalvikar der Prälatur Opus Dei in der Schweiz De facto ist das Opus Dei die einzige Personalprälatur, die bislang vom Vatikan errichtet wurde. Wären weitere denkbar?

Selbstverständlich. Es wird in Zukunft bestimmt auch andere Personalprälaturen geben – so sah es das letzte Konzil vor. Das Opus Dei ist in diesem Sinn nicht die „einzige“, sondern bloss die erste Personalprälatur. Man darf nicht vergessen, dass diese Rechtsform noch nicht sehr lange besteht.

Es kursieren eine ganze Reihe von Büchern ehemaliger Mitglieder, welche mit dem Opus Dei abrechnen. Gibt es auch Austritte im guten Einvernehmen?

Austritte, obwohl sie etwas Schmerzliches, etwas Unerfreuliches sind, erfolgen meistens im gegenseitigen Ein-vernehmen. Viele Ausgetretene bewahren auch nach diesem Schritt ein positives Verhältnis zum Opus Dei. Die öffentlichen „Abrechnungen“ von Ehemaligen, von denen Sie sprechen, haben zwar einigen Lärm verursacht, sind aber nicht sehr zahlreich und beziehen sich fast alle auf weit zurückliegende Fälle. Dabei wird oft ein persönliches Problem einseitig dargestellt und unzulässig verallgemeinert; dennoch nehmen wir solche Darlegungen als Ausdruck eines subjektiven Empfindens ernst. Mangel an Aufrichtigkeit und Missverständnisse von welcher Seite auch immer sind meist die Auslöser von solch schwierigen Situationen, und zweifellos haben einige von uns früher aus einer Begeisterung und Überzeugung heraus auch Menschen verletzt. Das Problem haben wir erkannt, wir leiden darunter und versuchen seit langem, Gegensteuer zu geben.

Das Opus Dei steht im Ruf, besonders fromme und besonders asketische Menschen anzuziehen.

Da ist meine Erfahrung gerade gegenteilig. Im klassischen Sinne fromme Menschen kommen selten zum Opus Dei. Ich glaube, dass dafür unser Geist einfach zu nüchtern ist – wer vor allem über das Gefühl angesprochen werden möchte, ist bei einer charismatischen Bewegung wohl besser aufgehoben. (...)

(...) Häufig wird behauptet, das Opus Dei besetze gezielt Machtpositionen in der katholischen Kirche.

Das Opus Dei ist inzwischen eine Institution, zu der sich eine grosse Zahl von Männern und Frauen zählt. So ist es fast unvermeidlich, dass im Lauf der Zeit das eine oder andere Mitglied in ein kirchliches Amt berufen wird. Das ist aber kein gezielter, sondern ein natürlicher Vorgang. Zudem werden die Priester im Opus Dei im Blick auf den erwähnten Seelsorge-Auftrag der Prälatur geweiht. Deswegen sucht das Opus Dei solche Positionen nicht. Als ich beispielsweise Regens des Priesterseminars in Chur wurde, war ich weltweit der einzige Opus-Dei-Priester in dieser Position. Und es war wohlgemerkt nicht so, dass man im Opus Dei das Empfinden hatte, nun „einen der unseren“ an einer Schaltstelle des Bistums zu haben – ich wurde für diese Aufgabe als Peter Rutz gewählt und habe in meinen neun Jahren in Chur auch kein einziges Mal Anweisungen von der Prälatur erhalten.

Die Betonung des Laienapostolats, des persönlichen Zeugnisses jedes getauften Christen in seiner alltäglichen Umgebung, das klingt fast schon verdächtig protestantisch. Ist das Opus Dei gar der verkappt reformierte Zweig in der katholischen Kirche?

Wir sind ganz und gar katholisch, daran gibt es keinen Zweifel. Aber in einer Genfer Zeitung stand einmal vor Jahren, das Werk sei eine katholische Spiritualität mit protestantischem Geschmack. Und daran ist wohl schon etwas. In der Heiligung der Arbeit gibt es sicher gewisse Parallelen mit dem Calvinismus, und das allgemeine Priestertum, das unser Gründer immer wieder ins Zentrum stellt, wird auch von Luther unterstrichen. Das hat Escrivá übrigens heftiger Kritik gerade von klerikaler Seite und sogar dem Verdacht der Häresie ausgesetzt.

Vom aufmüpfigen Opus Dei kriegt man aber hierzulande wenig mit. Haben Sie ein Kommunikationsproblem?

Sicher waren wir früher in unserer Öffentlichkeitsarbeit zu defensiv, haben viel zu oft geschwiegen, haben uns zur Hauptsache auf die Kommunikation mit jenen beschränkt, mit denen wir persönliche Bekanntschaft machten. Das hatte auch damit zu tun, dass unser Platz in der Kirche noch so unsicher war. Seit der Anerkennung als Personalprälatur ist in dieser Hinsicht vieles einfacher geworden.

Forum – Pfarrblatt der katholischen Kirche im Kanton Zürich