Erzbischof Sako von Kirkuk zu Gast im Studentenhaus Allenmoos

Der polyglotte Würdenträger aus dem Zweistromland erklärte, weshalb so viele Christen, obwohl frei, den Irak verlassen.

Der Chaldäisch Katholische Erzbischof von Mossul, Monsignore Louis Sako

Er stammt aus Mossul – dem antiken Ninive –, ist gewählter Vizepräsident des Provinzrates dieser Stadt sowie Berater des Päpstlichen Rates für den Interreligiösen Dialog, besitzt einen Doktor in Patristik, einen weiteren in Geschichte des frühen Christentums und ein Lizentiat in Islamwissenschaft – und er spricht zwölf Sprachen, darunter Aramäisch, die Sprache Jesu. Die Rede ist von Monsignore Louis Sako, seit 2003 Erzbischof der nordirakischen Erdölstadt Kirkuk. Diesen nicht alltäglichen Gast durfte das Studentenhaus Allenmoos in Zürich Ende Oktober in seiner Aula begrüßen. Viele interessierte Zuhörer fanden sich ein, um aus dieser erstklassigen Quelle etwas über die Lage des Irak im Allgemeinen und der Christen dort im Besonderen zu erfahren.

Der Würdenträger der chaldäisch-katholischen Kirche hatte wie der Papst die militärische Invasion der USA abgelehnt. Es ist ihm auch klar, dass die Amerikaner nicht aus mitmenschlichen Gründen, sondern zur Kontrolle der Region ins Land gekommen sind. Überdies hätten sie große Fehler gemacht, und ihre Langsamkeit beim Wiederaufbau führe zu Ungeduld und zu Plünderungen. Außerdem verstünden sie die Sprache und Kultur der Leute nicht, was ihre Stabilisierungs- und Sicherungsarbeit sehr erschwere.

Freiheit, aber keine Sicherheit

Trotz alledem zeigte sich Erzbischof Sako überzeugt, dass die Situation des Landes heute insgesamt besser sei als unter Saddam Hussein. Die Bevölkerung sei froh über den Wechsel, von einem nationalen Widerstand sei zumindest bis anhin nichts zu sehen. Es gebe nun eine wirkliche Freiheit: Eine neue Verfassung sei schon in Kraft, und es gebe Dutzende von Parteien und Zeitungen, die frei ihre Meinung äußern könnten (was einem früher das Leben gekostet hätte). In den Übergangsbehörden seien alle Gruppen vertreten. Doch es gibt auch eine Kehrseite. Fehlte früher die Freiheit, so fehle heute die Sicherheit. Die Amerikaner seien hauptsächlich damit beschäftigt, sich selbst zu schützen. Dem Erzbischof zufolge sind die terroristischen Attacken das Werk von ausländischen Gruppierungen, die während der Kriegs- und Nachkriegswirren ungehindert ins Land eindringen konnten. Das könne man namentlich daran erkennen, dass sich ihre blutigen Anschläge auch gegen das irakische Volk selbst richten.

Die Kurden als Hoffnung für das Land

Warum kamen diese Terroristen überhaupt ins Land? Sako erklärt sich dies mit der Angst der umliegenden Länder vor dem irakischen Demokratisierungsprozess, der das diktatorische System in ihrem eigenen Land gefährden würde. Was dagegen die Kurden anbetreffe, so seien sie heute „eine Hoffnung für uns“: Sie hätten sehr viel aufgebaut, ihr Bildungsstand sei stark gestiegen und sie verhielten sich loyal.

Erzbischof Sako rief die Europäer auf, sich am Aufbau im Irak zu beteiligen und besonders die Menschenrechte zu fördern. Diese seien dort in weiten Kreisen noch keineswegs eine Selbstverständlichkeit.

Mobbing gegen die Christen

Wie steht es heute mit den irakischen Christen? Bis ins 7. Jahrhundert das zahlenmäßig und kulturell vorherrschende Volk, stellen sie heute mit 700.000 Gläubigen nur gerade 3% der Bevölkerung. Sie zerfallen in eine Reihe von verschiedenen, teils mit Rom verbundenen, teils orthodoxen Kirchen, die jedoch keine Probleme miteinander haben und beim Aufbau gut zusammenarbeiten. Die größte unter ihnen ist Sakos eigene, die chaldäisch-katholische Kirche, die in acht Diözesen aufgeteilt ist. Unter Saddam Husseins laizistischer Baath-Partei blieben die Christen, was ihre Glaubensausübung betrifft, unbehelligt. Das hat sich nach dem amerikanischen Wüstensturm spürbar geändert. Von Seiten der islamischen Fundamentalisten, die ein rein islamisches Irak wollen, erleiden die Christen ein eigentliches Mobbing, das umso stärker ist, als sie auf Grund ihrer überdurchschnittlichen Bildung so etwas wie eine Elite im Land bilden und ihre Frauen keinen Schleier tragen. Zudem werden sie mit den Amerikanern gern in den gleichen Topf geworfen, seitdem Präsident Bush seinen Krieg ungeschickterweise als „Kreuzzug“ bezeichnet hat. In noch größerer Angst leben die Christen seit dem 1. August: An diesem Tag begannen die Anschläge auf Kirchen; 17 Menschen starben an einem einzigen Tag. Auch er selbst, sagte der Erzbischof, könne jederzeit getötet werden.

Auswanderungswelle

Es verwundert daher nicht, dass zahlreiche Christen das Land bereits verlassen haben. Sie gehen inzwischen in die Hunderttausende. Die Auswanderung falle ihnen umso leichter, als sie über Beziehungen in den Westen verfügen und dank ihrer Bildung und ihrer guten Arbeitseinstellung oft bald eine Arbeit im Ausland finden. Unter den Zuhörern befand sich ein junger Iraker, der voller Bedauern erzählte, dass sein Vater ausgereist sei und bereits in Neuseeland ein Haus gekauft habe. Er warf den Amerikanern vor, nichts zum Schutz der Christen zu tun.

Erzbischof Sako, der auf Einladung von „Kirche in Not/Ostpriesterhilfe“ in die Schweiz gekommen war, appellierte auf diesem Hintergrund an die Solidarität mit den irakischen Christen. Er stieß bei seinen Zuhörern schon am selben Abend auf offene Ohren.