Das Geschenk als wirtschaftlicher Faktor?

Papst Benedikts Vision der gerechten Gesellschaft – ein Kompaktseminar im Bildungszentrum Widenberg in Münster

Prof. Manfred Spieker

Kann ein Volkswirt dem Begriff „Unentgeltlichkeit“ etwas abgewin- nen? – Die Teilnehmer des Kompaktseminars „Visionen der gerechten Gesellschaft bei Papst Benedikt“ waren gespannt darauf, wie der Papst in seiner jüngsten Enzyklika erklärt, was er damit meint.

Zunächst führte der Osnabrücker Sozialethiker Manfred Spieker in die Thematik von „Caritas in Veritate“ (CIV) ein. „Unentgeltlichkeit“ und  „Geschenk“ seien beim Papst zentrale Erfahrungen des Menschen: Das Leben, der Glaube, die Liebe, die Wahrheit. Dies alles seien Wirklichkeiten, in denen wir unser Beschenkt-Sein erfahren könnten.

Und da die wirtschaftlichen Tätigkeiten, so „Caritas in Veritate“, stets menschliche Tätigkeiten bleiben, muß es in ihnen auch Raum für diese Grunderfahrungen geben.

Einer der anwesenden Unternehmer bestätigte das und ging noch weiter: Auch im Geschäftsleben könne er sich bloßes Renditedenken nicht leisten. Er arbeite im Pflegebereich. Wenn er nicht seinen Angestellten Rückendeckung für unentgeltliche Leistungen gebe, sei er nicht attraktiver als der Marktführer. Dort werde schnell gefragt: „Wer soll das  bezahlen?“

Dazu passt, was der Papst schreibt: „Ohne solidarische und vom gegenseitigen Vertrauen geprägte Handlungsweisen in seinem Inneren kann der Markt die ihm eigene wirtschaftliche Funktion nicht erfüllen“ (CIV, Nr. 35).

Entwicklung des ganzen Menschen

Nach der Einführung in die Thematik der Enzyklika wurden zwei Arbeitsgruppen gebildet, die jeweils zentrale Passagen bearbeiteten: Eine Gruppe widmete sich der Wirtschaft, die andere der Bioethik.

Daß nämlich die Bioethik erstmals in einen sozialethischen Gesamt- rahmen integriert wird, bezeichnete Spieker als herausragende Leistung dieser Enzyklika: Die Ethik des Lebens(-schutzes), die bis dato stets in die Individualethik eingebunden worden sei, stelle Benedikt in den Kontext der Sozialethik. So werde die Verantwortung der gesamten Gesellschaft für den Lebensschutz klarer.

In der Entwicklungsethik wiederum komme die Überzeugung des Papstes zum Ausdruck, dass Entwicklung immer „Entwicklung des ganzen Menschen und Entwicklung aller Menschen“ (vgl. CIV, Nr. 18) bedeute, womit sich CIV ganz in der Tradition der Enzyklika „Populorum Progressio“ von Papst Paul VI. befinde.

Nach einer Mittagspause wurden die Ergebnisse der Gruppenarbeiten präsentiert. Prof. Spieker appellierte abschließend an die Teilnehmer,  Botschafter von „Caritas in Veritate“ zu sein und mit Wort und Tat eine Wirtschaft zu gestalten, die "dem ganzen Menschen und allen Menschen" dient.

Von Fabio Raab