Betrachtungstext: 1. Januar – Hochfest der Gottesmutter Maria

Auf Maria schauen – Die Mutterschaft Marias – Jesus empfangen, wie Maria es tat

IM EVANGELIUM des heutigen Festes hören wir, wie die Hirten sich eilig aufmachen, das Kind zu suchen, und in ihm jenen Knaben erkennen, den die Engel verkündet haben. Der Text ist erfüllt von Ausdrücken der Bewunderung, Verwunderung und Überraschung: staunen, rühmen, preisen ... Weihnachten ruft genau diese Gefühle in uns hervor. Die Ereignisse in der Krippe laden uns ein, uns an der Liebe Gottes zu erfreuen, die sich in unsere Herzen ergießen möchte. Heute tun wir dies an der Hand der Gottesmutter, die auch unsere Mutter ist.

„Heilige Mutter, du hast den König geboren, der in Ewigkeit herrscht über Himmel und Erde“1, beten wir im Eröffnungsvers. Die Erlösung der Welt ist in Gang, der König des Universums hat eine einfache junge Frau erwählt, um sie zu seiner Mutter zu machen. Diese Tatsache sprengt unsere gewohnten Denkmuster: Gott vertraute darauf, dass das Ja einer jungen Frau – eines Teenagers – die Rettung der Menschheit ermöglichen würde. Die Jungfrau selbst hinterfragt nicht, warum gerade sie auserwählt wurde; es genügt ihr zu wissen, dass Gott dahinter steht, dass es sein Wille ist. Und der heilige Josefmaria formuliert daraus ein Gebet: „Du, unsere Herrin und Mutter, dich hat der Herr dazu auserkoren, mit deinen Händen für Gott zu sorgen: Lehre mich – lehre uns alle! – den Umgang mit deinem Sohn!“2

Maria strahlt Freude aus, sowohl in den Krippen von gestern als auch in denen von heute. Was sie erlebt, führt sie zur Danksagung. Sie hält sich nicht dabei auf, an sich selbst zu denken, an ihre Probleme und Schwierigkeiten. Sie freut sich über den Besuch der Hirten, die Zuneigung ihres Mannes und die sternenklare Nacht, die dieses Geheimnis geschaut hat. Und um sie herum haben alle an dieser tiefen Freude teil. Maria ist das beste Beispiel dafür, was Gott in den Männern und Frauen bewirkt, die sich von ihm lieben lassen.


BARMHERZIGER GOTT, durch die Geburt deines Sohnes aus der Jungfrau Maria hast du der Menschheit das ewige Heil geschenkt. Lass uns immer und überall die Fürbitte der gnadenvollen Mutter erfahren, die uns den Urheber des Lebens geboren hat“3, beten wir im Tagesgebet der heutigen Messe. Maria hat uns den Erlöser gebracht, für ihn gesorgt und ihn bis zum Kreuz begleitet. Auch aus unserem Leben ist ihre mütterliche Fürsorge nicht wegzudenken. Papst Franziskus lehrte einmal am heutigen Festtag: „Die Mutter des Erlösers geht uns voran und bestärkt uns ständig im Glauben, in der Berufung und in der Sendung. Mit ihrem Beispiel der Demut und der Bereitschaft gegenüber dem Willen Gottes hilft sie uns, unseren Glauben in eine frohe und grenzenlose Verkündigung des Evangeliums umzusetzen. So wird unsere Sendung fruchtbar sein, weil sie dem Vorbild der Mütterlichkeit Marias nachgebildet ist.4 Maria ist Quelle von Hoffnung und Freude. Zu ihr dürfen wir eilen, sooft wir es nötig haben, „denn“, wie der heilige Josefmaria sagte, „durch die Auserwählung Marias – eines Menschen wie wir – als Mutter Jesu Christi, lässt die Allerheiligste Dreifaltigkeit einen jeden von uns unter dem Schutzmantel dieser Mutter geborgen sein. Sie ist Mutter Gottes und unsere Mutter.5

Papst Benedikt XVI. erläuterte einmal am heutigen Fest: „Der Titel ,Mutter Gottes‘, den die Liturgie heute hervorhebt, unterstreicht die einzigartige Sendung der allerseligsten Jungfrau Maria in der Heilsgeschichte. (...) Denn Maria hat die Gabe Gottes nicht nur für sich selbst empfangen, sondern damit sie sie der Welt bringe: durch ihre fruchtbare Jungfräulichkeit hat Gott der Menschheit das ewige Heil geschenkt (vgl. Tagesgebet). Und Maria bietet dem Volk Gottes, das in der Geschichte zur Ewigkeit pilgert, stets ihre Fürsprache und Mittlerschaft an, so wie sie das bei den Hirten von Betlehem getan hat. Sie, die dem Sohn Gottes das irdische Leben geschenkt hat, schenkt den Menschen weiterhin das göttliche Leben: Jesus selbst und seinen Heiligen Geist. Deshalb wird sie als Mutter jedes Menschen betrachtet, der zur göttlichen Gnade geboren wird, und wird zugleich als Mutter der Kirche angerufen.“6 Wenn wir dieses Geschenk des göttlichen Lebens annehmen, wenn wir zulassen, dass Gott uns sein Leben schenkt, werden auch wir zur Gabe werden. Wir werden zu einem Geschenk für Gott und unsere Mitmenschen werden.


DIE ENGEL besingen das Wunder mit vielfältigen Stimmen. Auch sie staunen darüber, dass eine Frau den Sohn Gottes zur Welt gebracht hat. Sie kommen aus ihrer Verwunderung nicht mehr heraus und stimmen das erste Weihnachtslied der Geschichte an: Ehre sei Gott in der Höhe und Friede auf Erden den Menschen seines Wohlgefallens (Lk 2,14). Jubelnd erfreuen sie sich am Anblick Marias, des Kindes und des glückseligen Gott Vaters. In der Krippe wird es in unseren Seelen hell, und wir begreifen, was Gott wohlgefällt, was ihn entzückt, was ihn begeistert. Wir sind hierher gerannt, und finden langsam wieder Luft zum Atmen. Sanfter Engelsgesang wiegt das Kind in den Schlaf und heißt uns willkommen.

Wir wissen aus eigener Erfahrung, dass wir nicht in der Lage sind, den Willen Gottes immer und in allem zu erfüllen. Doch mit Hilfe der Gottesmutter können wir zumindest sein Wort aufnehmen und in unseren Herzen erwägen. Das liegt in unserer Reichweite. Der heilige Bernhard hat in Maria den Stern gesehen, der uns voran leuchtet und Orientierung gibt. Sein Rat an uns war folgender: „Folge ihr, und du wirst dich nicht verirren. Rufe sie an, und du wirst nicht verzweifeln. Denk an sie, und du wirst den rechten Weg finden. Hält sie dich fest, kannst du nicht fallen. Schützt sie dich, dann fürchte nichts! Führt sie dich, wirst du nicht müde. Ist sie dir gnädig, kommst du sicher ans Ziel!“ Und zusammenfassend rät der Kirchenlehrer: „Mitten in Gefahren, Nöten und Unsicherheiten denke an Maria, rufe Maria an. Ihr Name weiche nicht von deinen Lippen und aus deinem Herzen! Damit du aber ihre Hilfe und Fürbitte erlangst, vergiss nicht, ihr Vorbild nachzuahmen.7

Maria hat ihren Sohn in „Reinheit, Demut und Andacht“ empfangen, wie wir in der geistigen Kommunion beten. Wir wollen diese Tugenden vor Augen haben, wenn wir uns der Krippe nähern, und unsere Mutter bitten, sie uns immer besser zu lehren.


1 Messe vom Hochfest der Gottesmutter Maria, Eröffnungsvers.

2 Hl. Josefmaria, Im Feuer der Schmiede, Nr. 84.

3 Messe vom Hochfest der Gottesmutter Maria, Tagesgebet.

4 Franziskus, Homilie, 1.1.2014.

5 Hl. Josefmaria, Freunde Gottes, Nr. 275.

6 Benedikt XVI., Homilie, 1.1.2011.

7 Bernhard von Clairvaux, In laudibus Virginis Matris, Homilie 2,17.

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