DER HEILIGE Johannes-Maria Vianney, bekannt als der heilige Pfarrer von Ars, war ein französischer Priester, der seinen Dienst 42 Jahre lang in einem Dorf namens Ars ausübte. Die Gemeinde zählte kaum mehr als 230 Einwohner, als sie ihm im Jahr 1818 anvertraut wurde. Der Generalvikar führte ihn mit diesen Worten ein: „Es ist nicht viel Gottesliebe in dieser Pfarrei vorhanden; die werden Sie hineintragen.“1 Der neue Pfarrer versuchte, die Herzen seiner Gläubigen vor allem durch die Glaubensunterweisung, die Liebe zur Eucharistie und die Beichte zu entflammen.2 Er hatte keine besonderen Kenntnisse, seine Beziehung zu Gott aber verwandelte nicht nur Ars, sondern auch das übrige Frankreich, und heute ist er ein priesterliches Vorbild für die ganze Welt.
Bald nach seiner Ankunft begannen Menschen nach Ars zu kommen, angezogen von der Heiligkeit dieses Priesters, der, so Worte des heiligen Johannes Pauls II., „bewundernswert war durch seine Bußfertigkeit, der mit Gott im Gebet derart vertraut war und der eine außergewöhnliche innere Ruhe und Demut besaß inmitten aller Erfolge seines Wirkens“3. Der Zustrom der Pilger belief sich auf 300 bis 400 Personen am Tag, im letzten Lebensjahr des Heiligen (1858-1859) wurde er von mehr als 100.000 Pilgern aufgesucht. Augenzeugen berichten, dass man nur schwer Zugang zur Kirche fand und darin stets zwei Reihen von Pönitenten von der Muttergotteskapelle bis zur Täuferkapelle standen, ohne sich je zu lichten. Dabei kam nie Trubel auf, vielmehr schwebte eine Sammlung von Erwarten und Hoffen über dem ganzen Dorf.4
Der Pfarrer von Ars wurde von Pius XI. im Jahr 1925 heiliggesprochen und vier Jahre später zum Schutzpatron aller Pfarrer ernannt. Der heilige Josefmaria ernannte ihn zum Fürsprecher für die Beziehungen des Opus Dei zu den Diözesanbischöfen. An seinem Festtag ermunterte er seine Kinder, sich an ihn zu wenden, um für die Priester zu beten, und vor allem ermunterte er sie, diese liebevoll zu begleiten, da er wusste, was ein heiliger Priester an Gutem bewirken kann, jedoch auch an Situationen der Einsamkeit kennengelernt hat, in denen er den einen oder anderen antraf. „Alles, womit Priestern geholfen wird“, sagte er einmal, „ist ihre Rettung. Und einen Priester zu retten, bedeutet, Tausende von Seelen zu retten.“5 Das Leben des heiligen Johannes Maria Vianney zeigt uns die Wirkung, die ein heiliger Priester haben kann, dessen größter Wunsch es ist, die Menschen zu Gott zu bringen durch die Sakramente.
DAS LEBEN des Pfarrers von Ars war nicht ohne Schwierigkeiten. Das Hirtenkind lernte schwer, betrat erst mit 25 Jahren das Priesterseminar und wurde schließlich aufgrund besonderer Nachsicht wegen seiner tiefen Frömmigkeit und Liebe zur Muttergottes zur Weihe zugelassen. Bald nach seiner Ankunft in Ars musste der Priester die Verleumdungen einiger Gemeindemitglieder und die Ablehnung einiger Priester aus den umliegenden Dörfern ertragen. Zudem musste er Heimsuchungen des Teufels erdulden. Er war sich jedoch bewusst, dass Jesus Christus in seiner Schwäche triumphierte: Wenn er zum Priestertum berufen worden war, dann wusste er, dass Gott ihm immer beistehen würde.
Auf jedem Berufungsweg gibt es Momente der Prüfung. Situationen, in denen wir uns müde fühlen oder in denen wir die Bezugspunkte verloren haben, die uns einst den Weg wiesen. Dann ist es an der Zeit, sich an den ersten Ruf zu erinnern und, wie Papst Franziskus sagt, „zu jenem glühenden Augenblick zurückzukehren, in dem die Gnade Gottes mich am Anfang meines Weges berührt hat. An diesem Funken kann ich das Feuer für das Heute, für jeden Tag entzünden und Wärme und Licht zu meinen Brüdern und Schwestern tragen. An diesem Funken entzündet sich eine demütige Freude, eine Freude, die dem Schmerz und der Verzweiflung nicht weh tut, eine gute und sanfte Freude.“6
Neben der Erinnerung an den ersten Ruf kann uns auch die Erinnerung an all die Menschen helfen, denen wir geholfen haben. Papst Franziskus schrieb in einem Brief an die Priester: „Es ist schön, wenn ein alter Priester von jenen Kleinen – nunmehr Erwachsenen – umgeben und besucht wird, die er am Anfang getauft hat und die mit Dankbarkeit kommen, um ihm ihre Familien vorzustellen!“7 Unser Ja zu Gott hat eine Transzendenz, die wir nie ermessen werden, doch manchmal dürfen wir einige Früchte unserer Treue erleben, die uns mit dem heiligen Paulus sagen lassen: Darum höre ich nicht auf, für euch zu danken (Eph 1,16). Die Dankbarkeit für die Berufung, die der Herr uns gegeben hat und die sich auf das Wohl der anderen ausgewirkt hat, wird uns dazu bringen, die Gesten der Liebe zu erkennen, die Gott uns jeden Tag zukommen lässt und die uns auf unserem Weg bestätigen.
DIE LIEBE zum Sakrament der Versöhnung war eines der charakteristischen Merkmale des Lebens des heiligen Johannes Maria Vianney. „Mich hat besonders sein opfervoller Dienst im Beichtstuhl beeindruckt“, erinnert sich der heilige Johannes Paul II. anlässlich seines 50. Weihejubiläums. „Dem demütigen Priester, der täglich zehn und mehr Stunden im Beichtstuhl saß, wenig Nahrung zu sich nahm und sich nur wenige Stunden Ruhe gönnte, war es in einer schwierigen Epoche der Geschichte gelungen, in Frankreich, und nicht nur in Frankreich, so etwas wie eine geistige Revolution auszulösen. Tausende Menschen begaben sich nach Ars und knieten vor seinem Beichtstuhl.“8
Der Pfarrer von Ars vertrat die Ansicht, dass wir Jesus vom Kreuz losbinden, wenn wir uns dem Sakrament der Buße nähern. In diesem Sakrament lassen wir uns von Christus heilen; wenn wir in den Beichtstuhl gehen, antworten wir auf den Ruf zur Umkehr, den er, der nur an unser Wohl denkt, an uns richtet. Der Katechismus der Kirche kommentiert dazu: „Das Streben nach Umkehr ist nicht nur eine Tat des Menschen. Sie ist die Regung eines zerknirschten ... Herzens (Ps 51,19), das durch die Gnade dazu gebracht und bewegt wird, der barmherzigen Liebe Gottes, der uns zuerst geliebt hat, zu entsprechen.“9 Und in dieser Antwort finden wir Freude, Frieden und einen erneuerten Wunsch, den Weg der Heiligkeit zu beschreiten. Deshalb konnte der heilige Josefmaria schreiben: „Gott sei Dank!, sagtest du, nachdem du gebeichtet hattest. Und du dachtest: Es ist, wie wenn ich neu geboren wäre. Dann fuhrst du fort in froher Gelassenheit: Domine, quid me vis facere? Herr, was willst du, dass ich tue?“10
Papst Franziskus betont in einem Interview: „Das Entscheidende im Leben jedes Menschen, ob Mann oder Frau, ist nicht, auf dem Weg niemals ins Straucheln zu geraten. Das Wichtigste ist, wieder aufzustehen, nicht liegen zu bleiben und sich die Wunden zu lecken.“11 Der heilige Johannes Maria Vianney vermittelte Tausenden von Seelen die Barmherzigkeit Gottes. Er half vielen Menschen, die unter der Last ihrer Sünden die Hoffnung verloren hatten, wieder auf die Beine zu kommen. Er und die Jungfrau Maria können uns helfen, immer wieder neu zu beginnen, weil wir wissen, dass Christus nicht müde wird, uns zu vergeben.
1 Francis Trochu, Der Pfarrer von Ars, Christiana, S. 93 f.
2 Vgl. Benedikt XVI., Brief anlässlich des 150. Jahrestages des Dies natalis von Johannes Maria Vianney, 16.6.2009.
3 Hl. Johannes Paul II., Brief an die Priester, 16.3.1986.
4 Vgl. Francis Trochu, Der Pfarrer von Ars, Christiana, S. 247 ff.
5 Hl. Josefmaria, Notizen aus einem Beisammensein, 28.3.1969.
6 Franziskus, Predigt, 19.4.2014.
7 Franziskus, Brief an die Priester, 4.8.2019.
8 Hl. Johannes Paul II., Geschenk und Geheimnis, Styria 1996, Kap. V, S. 63.
9 Katechismus der katholischen Kirche, Nr. 1428.
10 Hl. Josefmaria, Im Feuer der Schmiede, Nr. 238.
11 Franziskus, Der Name Gottes ist Barmherzigkeit, Kösel 2016, Kap. VI., S. 82.