Betrachtungstext: 32. Woche im Jahreskreis – Sonntag (A)

Das Öl der guten Werke – Die Begegnung mit der geliebten Person erwarten – Ein immer aktuelles „Ja“

ZUR ZEIT des Herrn wurden Hochzeiten traditionell in den Abendstunden gefeiert, weshalb die Gäste brennende Lampen mitbrachten. In Anlehnung an diesen Brauch erzählte Jesus von ein paar Mädchen, die draußen an der Straße den Bräutigam erwarteten. Fünf von ihnen waren töricht und fünf waren klug. Die törichten nahmen ihre Lampen mit, aber kein Öl, die klugen aber nahmen mit ihren Lampen noch Öl in Krügen mit (Mt 25,2-4). Als die Mädchen hörten, dass der Bräutigam kam, bemerkten die törichten, dass sie kein Öl hatten, und gingen, um welches zu kaufen. In diesem Moment traf der Bräutigam ein, und die klugen zogen mit ihm ein zum Festmahl. Die anderen wurden bei ihrer Rückkehr abgewiesen, denn sie waren zu spät.

Mit diesem Gleichnis fordert Jesus uns auf, uns auf die Begegnung mit ihm vorzubereiten. Papst Franziskus ergänzt: „Nicht nur auf die endgültige Begegnung, sondern auch auf die kleinen und großen Begegnungen eines jeden Tages im Hinblick auf diese Begegnung, für welche die Lampe des Glaubens nicht reicht – wir brauchen auch das Öl der Nächstenliebe.“1 Viele Autoren sahen im Öl, wie Papst Benedikt schrieb, „ein Symbol der Liebe, die man nicht kaufen kann, sondern als Geschenk empfängt, im Innersten bewahrt und in den Werken umsetzt“2. Das ist die Weisheit, von der die heutige erste Lesung spricht: Strahlend und unvergänglich ist die Weisheit; wer sie liebt, erblickt sie schnell, und wer sie sucht, findet sie (Weish 6,12).

Weisheit und Klugheit leiten uns an, unser irdisches Leben zu nutzen, um anderen mit dem Öl unserer guten Werke zu leuchten. Der heilige Josefmaria verfasste ein Gebet an den Heiligen Geist, in dem er um die Kraft bat, seine Antwort auf den göttlichen Ruf nicht zu verzögern: „Erleuchte meinen Verstand, damit ich deine Weisungen erkenne; stärke mein Herz gegen die Nachstellungen des Feindes; entflamme meinen Willen ... Ich habe deine Stimme gehört und möchte mich nicht verhärten und Widerstand leisten, indem ich sage: später …, morgen. Nunc coepi! Jetzt!, damit das Morgen mir nicht etwa fehle.“3 Und in einem Punkt von Der Weg schrieb er: „Verhalte dich ,jetzt‘ richtig, und denke nicht an ;gestern‘, das schon vorüber ist, noch sorge dich um ,morgen‘, von dem du nicht weißt, ob es für dich noch kommt.“4 Jeder Tag bietet uns viele Möglichkeiten, unsere Lampe am Brennen zu halten: unsere Arbeit gut tun, anderen kleine Dienste leisten, dem Gebet Zeit widmen ... In all diesen Momenten gehen wir hinaus auf die Straße, um den Herrn zu erwarten, der durch unser Leben geht und der uns eines Tages in der endgültigen Begegnung in seine Arme schließen wird.


DIE TÖRICHTEN Mädchen hatten den eigentlichen Sinn des Wartens, die Begegnung mit dem Bräutigam, vergessen. Ihr Verhalten ist ein Bild für diejenigen, die die Gegenwart verabsolutieren und, wie Papst Franziskus sagt, „jede Perspektive auf das Jenseits ausschließen: Man tut alles so, als ob man nie ins andere Leben aufbrechen müsste. Und man kümmert sich nur noch um Besitz, Karriere und darum, wie man sich arrangieren kann … Und immer noch mehr. Wenn wir uns von dem leiten lassen, was uns am attraktivsten erscheint, was uns gefällt, von der Verfolgung unserer Interessen, wird unser Leben steril; wir sammeln keine Ölreserven für unsere Lampe, und so wird sie noch vor der Begegnung mit dem Herrn verlöschen.“5

Der heutige Psalm ist das Gebet eines Menschen, der seine Lampe brennend erhält, weil er seine Hoffnung auf Gott gesetzt hat: Dich suche ich, es dürstet nach dir meine Seele. Nach dir schmachtet mein Fleisch wie dürres, lechzendes Land ohne Wasser (Ps 63,2). Alles, was der Psalmist tut und fühlt, ist Frucht seiner Liebe zum Herrn. Und auch wenn ihm dies eine gewisse Mühsal bereitet – Müdigkeit, Durst, Sehnsucht –, so drückt es doch die Unbefriedigtheit des Verliebten aus, der keinen Frieden findet, solange er den Geliebten nicht erobert. Alle anderen Güter sind relativ geworden, denn was für ihn wirklich zählt, ist die Wiedervereinigung mit dem, den er liebt.

Der Gründer des Opus Dei vertrat die Ansicht, dass wir Christen keine Angst vor der letzten Begegnung mit dem Herrn zu haben brauchen, denn schließlich wird es ein großes Hochzeitsfest mit der Liebe unseres Lebens sein. „Im festen Vertrauen auf die Gnade Gottes halten wir uns von nun an bereit, uns großzügig, stark, mit einer Liebe, die sich in kleinen Dingen zeigt, zur Begegnung mit dem Herrn einzufinden, mit brennenden Lampen in der Hand.“6 Und wir werden ein Hochzeitskleid tragen, das „aus der Gottesliebe gewoben sein wird, die wir, bis in die unscheinbarsten Aufgaben hinein, gelebt haben werden. Denn typisch für Liebende ist es, Augen zu haben für das Kleine, für scheinbar unbedeutende Gesten.“7


UM DIE LAMPE am Brennen zu halten, ist es nötig, den Wunsch zu erneuern, Christus zu begegnen. „Es ist nicht damit getan“, sagte der heilige Josefmaria, „der Kirche anzugehören und dann einfach Jahr um Jahr verstreichen zu lassen. Die erste Bekehrung, ein einmaliger, unvergesslicher Moment der Klarheit darüber, was Gott von uns erwartet, ist in unserem Leben, im Leben des Christen, wichtig; aber noch bedeutsamer und herausfordernder sind alle weiteren Bekehrungen. Und um das Wirken der Gnade in diesen späteren Bekehrungen zu erleichtern, müssen wir die Seele jung erhalten, den Herrn anrufen, hellhörig sein, entdecken, was in uns nicht stimmt, und um Verzeihung bitten.“8

Treue bedeutet, neue Wege zu suchen, um das Öl zu finden, das unsere Lampe entzündet. Treue ist nicht, wie Johannes Paul II. sagte, „eine mechanische Wiederholung vergangener Modelle“, sondern „kreativ, bereit, in die Tiefe zu gehen, offen für neue Herausforderungen sowie empfänglich für die ,Zeichen der Zeit‘ ...“9 Auf diese Weise aktualisieren wir unser ursprüngliches „Ja“. Es geht nicht darum, ehemals eingegangene Verpflichtungen zu erfüllen, mit denen wir uns heute vielleicht nicht mehr identifizieren, sondern dieses „Ja“ in die Gegenwart zu holen und es in der aktuellen Situation neu zu bekräftigen.

„Die Treue auf Dauer ist der Name der Liebe“10, erklärte Papst Benedikt. Im Lauf der Jahre weitet sich die anfängliche Liebe aus, da sie Frucht einer stets gegenwärtigen Entscheidung ist. Maria verkörpert diese dynamische Treue. Sie war immer darauf bedacht, ihre Lampe brennend zu halten und für alles bereit zu sein, was Gott von ihr verlangte. Ihre Berufung, die Mutter Gottes zu sein, hat sie im Laufe ihres Lebens auf unterschiedliche Weise zum Ausdruck gebracht. Und auch heute bleibt sie dieser Berufung treu, indem sie ihren Kindern hilft, ihre Lampen am Brennen zu halten.


1 Franziskus, Angelus-Gebet, 8.11.2020.

2 Benedikt XVI., Angelus-Gebet, 6.11.2020.

3 Ein vom hl. Josefmaria im April 1934 verfasstes Gebet.

4 Hl. Josefmaria, Der Weg, Nr. 253.

5 Franziskus, Angelus-Gebet, 8.11.2020.

6 Hl. Josefmaria, Freunde Gottes, Nr. 40.

7 Ebd.

8 Hl. Josefmaria, Christus begegnen, Nr. 57

9 Hl. Johannes Paul II., Ansprache, 10.6.1997.

10 Benedikt XVI., Ansprache, 12.5.2010.