Betrachtungstext: 29. Woche im Jahreskreis – Donnerstag

Ein Feuer, das unser Leben verändert – Die Liebe des Heiligen Geistes – Licht der Hoffnung sein

AUF DEM WEG nach Jerusalem offenbarte der Meister seinen Jüngern seine tiefsten Sehnsüchte: Ich bin gekommen, um Feuer auf die Erde zu werfen. Wie froh wäre ich, es würde schon brennen! Ich muss mit einer Taufe getauft werden und wie bin ich bedrängt, bis sie vollzogen ist (Lk 12,49-50). Das Feuer, von dem hier die Rede ist, symbolisiert die göttliche Liebe, die Jesus allen Seelen zukommen lassen möchte, um sie zu läutern und zu entzünden; mit der Taufe weist Jesus auf das Kreuz hin, an dem er diese brennende Liebe zu uns sichtbar machen wollte.

Die Worte des Herrn, der gekommen ist, um Feuer auf die Erde zu werfen, prägten sich dem jugendlichen Josefmaria tief in seine Seele ein, lange bevor ihn Gott das Opus Dei sehen ließ. Rückblickend erzählt er: „Bevor ich wusste, was unser Herr von mir wollte – aber im Wissen, dass er etwas wollte –, habe ich oft mein Herz geweitet und laut hinausgeschrien: igne veni mittere in terram, et quid volo nisi ut accendatur? (Lk 12,49). Und ich sagte ihm, ebenfalls freiheraus: Ecce ego quia vocasti me! (1 Sam 3,5). Mein Bruder war damals noch sehr klein (...) Er lernte diese Worte, ohne zu wissen, was sie bedeuteten, und von Zeit zu Zeit kam er und sang sie neben mir – es war nicht schön gesungen. Ich musste ihn fortjagen: Geh weg, geh weg! Dennoch bereitete es mir eine große Freude, die Worte zu hören, denn sie waren für mich ein Ansporn. Sie sollen es auch für euch sein; wolltet ihr doch niemals erlöschen; wolltet ihr doch wissen, dass ihr Träger des göttlichen Feuers, des göttlichen Lichts, der Wärme des Himmels, der Liebe Gottes überall in der Welt seid.“1


DIE BILDER des Feuers und der Taufe weisen auch auf den Pfingsttag hin. Es ist das Feuer des Heiligen Geistes, das im Herzen Christi brannte. Es ist der Heilige Geist, der uns die göttliche Gnade vermittelt, die Liebe Gottes, die ausgegossen ist in unsere Herzen durch den Heiligen Geist, der uns gegeben ist (Röm 5,5). Indem wir dem Heiligen Geist gefügig sind und sein göttliches Wirken erleichtern, kommen wir der Heiligkeit näher, die in den realen und konkreten Umständen, in denen wir leben, gründet. Es ist eine Heiligkeit, die, wie Johannes Paul II. sagte, „die Persönlichkeit eines jeden annimmt, emporhebt und vervollkommnet, ohne sie zu zerstören“2.

Papst Franziskus weist auf ein verbreitetes Missverständnis hin: „Wir sind daran gewöhnt zu denken, dass die Liebe im Wesentlichen von der Einhaltung der Gebote, von unserer Kompetenz, von unserer Religiosität abhängt. Stattdessen erinnert uns der Geist daran, dass ohne die Liebe im Mittelpunkt alles andere umsonst ist. Und dass diese Liebe nicht so sehr unseren Fähigkeiten entspringt, sondern ein Geschenk von ihm ist. Er lehrt uns zu lieben, und wir müssen ihn um dieses Geschenk bitten.“3 Wo der Geist des Herrn ist, da ist Freiheit (2 Kor 3,17). Und diese Freiheit führt uns weit über die Einhaltung der Gebote hinaus hin zu einem Initiativgeist, der uns Hand anlegen lässt. So betonte der heilige Papst aus Polen: „Der Heilige Geist befähigt uns, nicht nur Beobachter des Gesetzes zu sein, sondern freie, eifrige und treue Verwirklicher des Planes Gottes.“4

Denn schließlich sind wir Kinder, nicht Knechte, wie Paulus an die Römer schrieb: Denn die sich vom Geist Gottes leiten lassen, sind Kinder Gottes. Denn ihr habt nicht einen Geist der Knechtschaft empfangen, sodass ihr immer noch Furcht haben müsstet, sondern ihr habt den Geist der Kindschaft empfangen, in dem wir rufen: Abba, Vater! (Röm 8, 14-15). Wenn jede noch so alltägliche Handlung eine Geste der Liebe sein kann, dann noch mehr jene, die mehr Opfer verlangen. In diesem Kontext erinnerte uns der Prälat des Opus Dei an ein bedeutendes Detail: „Man kann auch das, was einem schwerfällt oder was einem nicht gefällt, mit Freude – und nicht mit schlechter Laune – tun, wenn man es aus und mit Liebe und deshalb in Freiheit tut.“ Der Heilige Geist möge uns Liebe schenken, damit unsere Werke Ausdruck jener Liebe sind, die unser Leben bewegt.


DAS FEUER der göttlichen Liebe wurde in unserer Seele bei der Taufe entzündet, als der Heilige Geist in uns Einzug hielt. Doch ein Feuer kann intensiv flackern, unter der Asche zu Glut verkümmern oder sogar ganz erlöschen. Als Christen sind wir aufgerufen, die Flamme des Glaubens und der Liebe in unseren Herzen lebendig zu halten. Ein bewährter Weg, dies zu tun, ist, die Flamme Tag für Tag weiterzugeben, indem wir durch unser Zeugnis, unser Einfühlungsvermögen und unsere Freundschaft Licht und Wärme spenden.

Unterstützung füreinander und untereinander ist von entscheidender Bedeutung. Papst Benedikt schrieb in seiner Enzyklika über die Hoffnung: „Das menschliche Leben erscheint wie eine Fahrt auf dem oft dunklen und stürmischen Meer der Geschichte, in der wir Ausschau halten nach den Gestirnen, die uns den Weg zeigen. Die wahren Sternbilder unseres Lebens sind die Menschen, die recht zu leben wussten. Sie sind Lichter der Hoffnung. Gewiss, Jesus Christus ist das Licht in Person, die Sonne, die über allen Dunkelheiten der Geschichte aufgegangen ist. Aber wir brauchen, um zu ihm zu finden, auch die nahen Lichter – die Menschen, die Licht von seinem Licht schenken und so Orientierung bieten auf unserer Fahrt.“5

Wir können an diejenigen Menschen denken, die im Laufe unseres Lebens das Licht des Herrn in unseren Herzen entzündet haben. Durch ihre aufrichtige Zuneigung und ihre tiefe Freude haben sie in unserer Seele vielleicht erstmals den Wunsch geweckt, eine engere Beziehung zu Gott zu suchen. Neben dem Gefühl der Dankbarkeit ihnen gegenüber sollen sie uns ermutigen, dieses Licht selbst auch für unsere Mitmenschen strahlen zu lassen. Als Kinder Gottes sind wir, wie der heilige Josefmaria schrieb, „Träger der einzigen Flamme, die die Wege der Menschen auf Erden erhellen kann, des einzigen Lichts, in dem es niemals Finsternis, Dämmerung oder Schatten gibt. – Der Herr bedient sich unser als Fackeln, um dieses Licht hell leuchten zu lassen … An uns liegt es, dass viele Menschen nicht im Dunkeln bleiben, sondern Wege gehen, die zum ewigen Leben führen.“6 Wir bitten unsere Mutter Maria, dass sie in uns den Eifer ihres Sohnes entfacht, das Feuer seiner Liebe auf der Erde zu verbreiten.


1 Hl. Josefmaria, Beisammensein, 12.2.1975.

2 Hl. Johannes Paul II., Audienz, 10.4.1991.

3 Franziskus, Predigt, 5.6.2022.

4 Hl. Johannes Paul II., Audienz, 10.4.1991.

5 Benedikt XVI., Spe salvi, Nr. 49.

6 Hl. Josefmaria, Im Feuer der Schmiede, Nr. 1.