AUF DEM WEG nach Jerusalem eröffnete Jesus seinen Jüngern seine tiefsten Sehnsüchte: Ich bin gekommen, um Feuer auf die Erde zu werfen. Wie froh wäre ich, es würde schon brennen! Ich muss mit einer Taufe getauft werden und wie bin ich bedrängt, bis sie vollzogen ist (Lk 12,49-50). Mit dem Feuer, von dem er spricht, meint Jesus die göttliche Liebe, die er allen Seelen schenken will, um sie zu läutern und zu entzünden; mit der Taufe, der er sich unterziehen will, weist er auf das Kreuz hin, an dem er seine brennende Liebe zu uns in vollkommener Weise sichtbar machen wollte.
Die Worte des Herrn, der gekommen ist, um Feuer auf die Erde zu werfen, prägten sich tief in die Seele des jungen Josefmaria ein, lange bevor ihn Gott das Opus Dei sehen ließ. Rückblickend erzählt er: „Bevor ich wusste, was unser Herr von mir wollte – doch im Wissen, dass er etwas wollte –, habe ich oft meinem Herzen freien Lauf gelassen und laut jenes ignem veni mittere in terram, et quid volo nisi ut accendatur? gerufen (Lk 12,49). Und ich antwortete, ebenfalls singend: Ecce ego quia vocasti me! Hier bin ich, denn du hast mich gerufen (1 Sam 3,5). Mein Bruder war damals noch sehr klein (...) Er lernte diese Worte, ohne zu wissen, was sie bedeuteten, und von Zeit zu Zeit kam er und sang sie neben mir – es war nicht schön gesungen. Ich musste ihn wegschicken: ‚Geh weg, geh weg!‘ Doch es machte mir Freude, diese Worte zu hören, denn sie waren für mich ein Ansporn. Sie sollen auch euch ermutigen; möget ihr nie erlöschen! Möget ihr immer wissen, dass ihr Träger des göttlichen Feuers, des göttlichen Lichts, der Wärme des Himmels und der Liebe Gottes in der Welt seid.“1
DIE BILDER von Feuer und Taufe weisen auch auf den Pfingsttag voraus. Denn es ist das Feuer des Heiligen Geistes, das im Herzen Christi brannte und das auch in den Herzen der Christen brennen soll. Wie der heilige Paulus schrieb, ist die Liebe Gottes ausgegossen in unsere Herzen durch den Heiligen Geist, der uns gegeben ist (Röm 5,5). Wenn wir uns dem Wirken des Heiligen Geistes öffnen und ihm erlauben, uns umzugestalten, kommen wir der Fülle der Liebe näher und damit der Heiligkeit: einer Heiligkeit, die sich in den konkreten Umständen unseres täglichen Lebens entfaltet und die, wie der heilige Johannes Paul II. sagte, „die Persönlichkeit eines jeden aufnimmt, emporhebt und vervollkommnet, ohne sie zu zerstören“2.
Wo der Geist des Herrn ist, da ist Freiheit (2 Kor 3,17). Von der Liebe her erhält die Freiheit ihren wahren Sinn. Um diese Liebe müssen wir jedoch bitten, wie Papst Franziskus erklärte: „Wir neigen dazu zu denken, dass die Liebe im Wesentlichen von der Einhaltung der Gebote, von unserer Kompetenz oder Religiosität abhängt. Doch der Geist erinnert uns daran, dass ohne die Liebe im Zentrum alles andere umsonst ist und dass diese Liebe nicht von uns selbst kommt, sondern ein Geschenk von ihm ist. Der Geist lehrt uns zu lieben, und wir müssen ihn um dieses Geschenk bitten.“3
Die Freiheit – aus Liebe – führt uns über die bloße Pflichterfüllung hinaus. Sie lässt uns aktiv werden und mit Initiative handeln. Johannes Paul II. betonte: „Der Heilige Geist befähigt uns, nicht nur Beobachter des Gesetzes zu sein, sondern freie, eifrige und treue Verwirklicher des Planes Gottes.“4 Denn schließlich sind wir Kinder, nicht Knechte, wie Paulus an die Römer schrieb: Denn die sich vom Geist Gottes leiten lassen, sind Kinder Gottes. Denn ihr habt nicht einen Geist der Knechtschaft empfangen, sodass ihr immer noch Furcht haben müsstet, sondern ihr habt den Geist der Kindschaft empfangen, in dem wir rufen: Abba, Vater! (Röm 8, 14-15). Wenn schon jede Handlung, und sei sie noch so alltäglich, ein Ausdruck der Liebe sein kann, dann noch mehr jene, die uns schwerfallen und Opfer erfordern. Der Prälat des Opus Dei erinnerte daran, dass „man auch das, was einem schwerfällt oder was einem nicht gefällt, mit Freude – und nicht mit schlechter Laune – tun kann, wenn man es aus und mit Liebe und deshalb in Freiheit tut.“ Der Heilige Geist möge uns die Kraft der Liebe schenken, damit unsere Werke Ausdruck jener Liebe sind, die unser Leben bewegt.
DAS FEUER der göttlichen Liebe wurde in uns entzündet, als der Heilige Geist bei der Taufe in unsere Seele einzog. Doch wie ein Feuer im Laufe der Zeit stark lodern oder unter Asche schwelen kann, kann es auch erlöschen. Als Christen sind wir dazu berufen, die Flamme des Glaubens und der Liebe in unseren Herzen lebendig zu halten. Ein bewährter Weg, dies zu tun, besteht darin, dieses Feuer Tag für Tag weiterzugeben – durch unser Zeugnis, unser Einfühlungsvermögen und unsere Freundschaft, indem wir anderen Licht und Wärme spenden.
Die gegenseitige Unterstützung ist entscheidend. Papst Benedikt XVI. schreibt in seiner Enzyklika über die Hoffnung, wie das menschliche Leben oft einer Fahrt auf einem stürmischen Meer gleicht. Inmitten der Dunkelheit suchen wir nach Gestirnen, die uns den Weg weisen. „Die wahren Sternbilder unseres Lebens sind die Menschen, die recht zu leben wussten. Sie sind Lichter der Hoffnung.“ Und er fährt fort:„Gewiss, Jesus Christus ist das Licht in Person, die Sonne, die über allen Dunkelheiten der Geschichte aufgegangen ist. Aber wir brauchen, um zu ihm zu finden, auch die nahen Lichter – die Menschen, die Licht von seinem Licht schenken und so Orientierung bieten auf unserer Fahrt.“5
Wir können an jene Menschen denken, die im Laufe unseres Lebens das Licht des Glaubens in uns entfacht haben. Durch ihre Zuneigung und ihre Freude haben sie in unserer Seele vielleicht erstmals den Wunsch geweckt, Gott näher zu kommen. Sie ermutigen uns, dieses Licht nun selbst auch für unsere Mitmenschen strahlen zu lassen. Als Kinder Gottes sind wir, wie der heilige Josefmaria schrieb, „Träger der einzigen Flamme, die die Wege der Menschen auf Erden erhellen kann, des einzigen Lichts, in dem es niemals Finsternis, Dämmerung oder Schatten gibt." Der Herr will uns als Fackeln nutzen, um dieses Licht in die Welt zu tragen. „Es liegt an uns, dass viele Menschen nicht im Dunkeln bleiben, sondern Wege gehen, die zum ewigen Leben führen.“6 Wir bitten unsere Mutter Maria, dass sie in uns den Eifer ihres Sohnes entfacht, das Feuer seiner Liebe in der Welt zu verbreiten, selbst wenn wir dabei auch das Kreuz auf unseren Schultern spüren.
1 Hl. Josefmaria, Beisammensein, 12.2.1975.
2 Hl. Johannes Paul II., Audienz, 10.4.1991.
3 Franziskus, Predigt, 5.6.2022.
4 Hl. Johannes Paul II., Audienz, 10.4.1991.
5 Benedikt XVI., Spe salvi, Nr. 49.
6 Hl. Josefmaria, Im Feuer der Schmiede, Nr. 1.