Weg der Kindschaft

Die Kinder im sommerlichen Park erinnern Peter von Steinitz an unsere Gotteskindschaft

Manchen sind Kinder lästig, aber wer eigene hat, kann gar nicht verstehen, dass jemand keine Kinder mag. Wer keine hat, aber welche haben könnte, ist Kindern in der Regel besonders zugetan. Dabei ist er objektiv genug, über jenen Familienvater zu lächeln, der sagt: “Klar, alle Eltern meinen, ihr Kind sei das Nonplusultra. Aber ich muss doch sagen, unser Markus, der ist schon was Besonderes”. Doch das ist mehr als verzeihlich und ein gutes Gegengewicht gegen die Einstellung derer, die im Kind einen Störfall sehen. Wer das Herz auf dem rechte Fleck hat, kann eigentlich nicht umhin zu sagen: Ein Kind muss man einfach mir großem Wohlwollen anschauen und das böse Wort vom “Kindchensyndrom” nicht weiter beachten.

Eltern im Park

Ein Gang durch die Stadt Münster oder über ihre Promenade ist aufschlussreich. Dort oder in den Parks sieht man sie, die Kleinen mit ihrer Mutter oder – gar nicht mehr so selten – mit ihrem Vater. Rührend anzusehen, wie Eltern auch heutzutage ihr Kind lieben. Ja, sie scheinen unbewusst das Bestreben zu haben, die oft so erschütternde Kinderfeindlichkeit unserer Gesellschaft Lügen zu strafen. Da ist die junge Mutter, die ungeniert und ganz selbstvergessen glücklich, auf einer Parkbank sitzend, ihr Baby stillt, unter dem zustimmenden Blick der alten Dame, die vorüber geht. Da ist der junge Vater, der, von seinem Fahrrad aus, den Junior auf seinem Kinderfahrrad bei der gemeinsamen Ausfahrt unterstützt, indem er ihm “den Rücken stärkt”.

Überhaupt die Fahrräder, in dieser Stadt sind sie besonders verbreitet. Aber auch die zahlreichen Varianten: Tandems, die zwei Menschen auf besonders eindringliche Weise zusammen fügen, die sich vielleicht sonst gar nicht so nahe sind. Kinder auf kleinen Kinderfahrrädern, die, mit Sturzhelm und Spezialschuhen versehen, voller Ernst dem stolzen Papa hinterher radeln. Großer Beliebtheit erfreut sich die Babyrikscha, die, an das Fahrrad angehängt, einen kleinen selbstzufriedenen Pascha spazieren fährt, während die Mutter nach rückwärts dem Kind liebevolle Worte zuruft. Diese Kinderfahrzeuge haben oft fantasievolle Namen. Einer der schönsten: “Sweet chariot”, offensichtlich von einem Freund der Negro Spirituals. Hier vielleicht noch passender als in dem Lied “Swing low, sweet chariot”, wo der feurige Wagen gemeint ist, der Elias in den Himmel führt. Dieser “süße Wagen” fährt das Kind geradewegs in den Himmel der aufrichtigen Elternliebe.

Kontrast

Jawohl, so etwas gibt es heute auch in unserem Europa, wo im scharfen Kontrast dazu täglich 3.309 Kinder im Mutterleib getötet werden. Spätere Generationen werden einmal fragen: wie konntet ihr das zulassen? Aber so ist das wohl zu jeder Zeit: Licht und Schatten, Leben und Tod, Geborgenheit und Verlorenheit ganz dicht beieinander. Gott kennt diese Zahlen auch. Gott ist natürlich der Herr, auch über diejenigen, die sich in ihrem Wahn verrennen. Was immer dort folgen wird – Schuld, Sühne, Barmherzigkeit – können wir nur ihm überlassen. Die Tausende von Kindern werden sicher wie mit einem Wagen in den Himmel auffahren.

Aus der Heiligen Schrift lesen wir immer wieder die Enttäuschung heraus, die Gott über sein oft so treuloses Volk den Propheten in den Mund legt. Gleichzeitig aber haben wir den Eindruck: Gott lässt sich dennoch nicht von seiner Liebe zu den Menschen abbringen.

Weg der Kindschaft

Unzählige Stellen der Bibel sprechen von der barmherzigen väterlichen Liebe, die Gott jedem einzelnen Menschen gegenüber hat, und zwar nicht nur den Guten gegenüber. Der heilige Josefmaria hat unermüdlich darüber gesprochen, dass wir alle Kinder Gottes sind. Ja er hat die Gotteskindschaft sogar zur geistlichen Grundlage der des Opus Dei erklärt.

Gott schaut auf uns, seine Kinder, mit dem gleichen Wohlwollen, mit dem ein menschlicher Vater sein Kind betrachtet, wie es da vor ihm spielt oder auf seinem kleinen Fahrrad sich bemüht, es den Großen gleich zu tun. “Vor Gott, dem Ewigen, bist du ein noch kleineres Kind als ein zweijähriges vor dir. Du bist nicht nur Kind, du bist Sohn Gottes” (Der Weg, 860). Und, daraus folgend: “Weg der Kindschaft. Sich überlassen. Geistliches Kindsein. Dies alles ist nicht läppisch, sondern starkes und festes christliches Leben” (Der Weg, 853)