Von Resignation zum Staunen – Gestalten im österlichen Licht

eine Betrachtung von Josef Arquer

„Am ersten Tag der Woche“ sind Menschen unterwegs, die im Herrn ihren Meister und Lehrer gesehen hatten (Lk 24,1): Drei Frauen gehen wehmütig zum Grab des verstorbenen Meisters. Zwei Jünger wandern frustriert zurück zu ihrem Heimatdorf Emmaus. Die Apostel flüchten sich in den Raum, wo sie das letzte Abendmahl mit dem Herrn gefeiert hatten. In den Evangelien der Osterzeit begegnen uns diese Berichte.

Die beiden Jünger auf dem Weg nach Emmaus (Lk 24, 13-35) lassen die vertraute Umgebung in der Meinung hinter sich, dass sie nach einer Zeit naiven Enthusiasmus nun zu nüchternem Realismus zurückgefunden haben. Sie erwarten, dass ihre Erinnerungen an den Meister im Laufe der Zeit schwinden und ihre schmerzliche Trauer in bloßer Melancholie verdämmern wird.

Die drei Frauen auf den Weg zum Grab wollen den Leichnam nachträglich einbalsamieren und fragen sich, wer ihnen den großen Rollstein vor dem Eingang wegwälzen wird (vgl. Mk 16,2f). Aber nur wegen dieser Schwierigkeit hatten sie nicht einfach zu Hause bleiben wollen. Und die Apostel trauern und sind verängstigt.

Aber dann, ab einem bestimmten Augenblick, wird alles anders. Das Verhalten ändert sich, Bestattungsbräuche werden aufgegeben, kein Rückzug in die Heimat mehr, kein furchtsames Verstecken. Die sich der Trauer, der Resignation oder der Nostalgie ergeben hatten, erfahren nun ohne eigenes Zutun die Nähe des Herrn. Es ist die österliche Erfahrung: Der Herr ist auferstanden!

Diese Erfahrung können wir miterleben, wenn wir die Empfehlung des heiligen Josefmaria beherzigen: „Es geht nicht nur darum, an Jesus zu denken, uns diese oder jene Szene zu vergegenwärtigen. Wir müssen uns vielmehr in sie hineinversetzen“ (Christus begegnen, Nr. 107).

Vier Schritte

Besonders der Bericht des Lukas (24,36–53) verdeutlicht, wie die Begegnung mit dem Auferstandenen in das Leben der Jünger eingreift. Sie sind keine Gelehrten, sie interpretieren keine Text. Sie erleben Wirklichkeit: Der Herr war tot und begraben. Jetzt kommt er bei verschlossener Türe zu ihnen und zeigt ihnen die Wundmale seines verherrlichten Leibes.

Das Leibliche an ihm hat jede Schwere verloren. Der Geist durchwirkt die Materie. Das Rätselhafte daran bleibt, auch wenn uns die moderne Physik die Vorstellung genommen hat, Materie sei etwas Eindeutiges, das sich aus sich selbst verstünde.

Lukas lässt durchblicken, wie die Apostel am Ostertag erfuhren, dass es eine österliche Realität gibt, die jenseits der natürlichen Erfahrungswelt liegt. Schritt für Schritt überwanden sie ihre Ratlosigkeit und Niedergeschlagenheit. Die Bedrückung des Karfreitags – "alles ist zu Ende" – machte zunächst einer neuen, noch unklaren Erfahrung Platz, nachdem sie voll Skepsis die Behauptungen der Frauen und der Emmaus-Jünger vernommen hatten.

Das mit Jesus geht also doch weiter. Aber wie? Sie redeten darüber (vgl Lk 24,36), und doch werden sie dabei über die Ebene des Denkbaren, des Vorstellbaren nicht hinaus gekommen sein. Was könnte man auch über Unvorstellbares sagen? Was die Frauen und die Jünger von Emmaus da versichern, ist schlicht unbegreiflich, das kann man nicht einordnen. Wenn überhaupt, kann es nur sein Geist gewesen sein. Aber Geister sind nicht natürlich und deshalb den Menschen unheimlich. So brachte dieser erste Schritt alles andere als inneren Frieden. An die Stelle ihrer Niedergeschlagenheit wird Lähmung getreten sein: die unklare Furcht vor einer unergründlichen Wirklichkeit.

Vielleicht drängte sich die Frage auf, ob Jesus sie zur Rechenschaft ziehen, ihnen gar Vorwürfe machen würden, weil sie ihn im Stich gelassen hatten. Aber so war er im Leben nie gewesen. In seiner Nähe hatten sie immer Frieden gefunden.

"Während sie darüber redeten, trat er selbst in ihre Mitte und sagte zu ihnen: „Friede sei mit euch". Mit dem Friedensgruß Jesu konnten sie den zweiten Schritt tun: Es ist doch „der ganze Jesus“ – und kein Geist. In ihm wurde Leiblichkeit auf eine irdisch unfassbare Weise sichtbar. „Er zeigte ihnen seine Hände und Füße" – durchbohrt, aber weder schrecklich noch anklagend. Die tödlichen Wunden waren zu unleugbaren Zeichen seines Sieges über den Tod geworden.

Und heute hilft die Theologie die neue Realität zu deuten. Der Mensch Jesus ist mit seinem Tod nicht vernichtet, die Menschwerdung des Sohnes Gottes nicht zurückgenommen. Sie hat sich vielmehr voll entfaltet. Die neue Sehweise lässt ahnen, was Vollendung des Menschen bei Gott sein kann, wo wir nach Worten des Paulus nicht mehr "nur rätselhafte Umrisse" und wie „in einen Spiegel" (1 Kor 13, 12) schauen. Wir ahnen, wie groß der Mensch ist, aber auch – ein aktueller Gedanke zu Zeiten platten Materialismen – wie geheimnisvoll die Materie.

Der Herr "überspielt" das Überwältigende der verklärten Leiblichkeit mit einem schlichten Vorschlag: "Habt ihr etwas zu essen hier?" Damit knüpft er in einem dritten Schritt an seine früheren Mahlgemeinschaften mit den Jüngern an.

Der vierte Schritt: Er "öffnete ihnen die Augen für das Verständnis der Schrift". Natürlich geht es hier nicht um das gelehrte Verstehen, sondern um die tiefere Sicht der Zusammenhänge vom Glauben her. Was Ärgernis gewesen war, wird zum Erweis einer Gewissheit: Gottes Sohn hat den Tod und die Sünde vernichtet, er ist unter uns als der, der neues Leben bringt, jenseits des toten Todes.

Macht und Erbarmen

Anders als bei Lazarus haben wir es bei der Auferstehung Christi nicht mit einem Zurück in den früheren raumzeitlichen Zustand zu tun, der wieder mit einem Tod enden wird. Wenn es im Neuen Testament heißt, dass Christus den Tod überwunden hat, ist damit eine neue Dimension für alle Menschen aller Zeiten gemeint. Die Auferstehung Christi ist die Wende des Daseins, die Bestätigung der Macht Gottes bis hinein in die tiefste Ohnmacht des Fleisches.

Das ist der österliche Realismus, der jede menschliche Logik und alle Fakten menschlicher Erfahrung übersteigt: Im Glauben Ja sagen zu Ihm, der unsere raumzeitlichen Strukturen durch seine Menschwerdung bestätigt hat, doch nun durch seine Auferstehung relativiert.

Weil der Herr auferstanden ist, können wir ihn Tag für Tag finden: In der Eucharistie, im liturgischen Gebet der Kirche, im innigen Herzensgebet. Immer ist der ganze Jesus. Nicht seine "Sache", nicht seine Ideen. Er selbst, Gott und Mensch.

Der Sonntag nach Ostern, mit dem die Osteroktav endet und die weitere Osterzeit ihren Fortgang nimmt, wird "Weißer Sonntag" genannt, wahrscheinlich weil an diesem Tage die zu Ostern Getauften ihre weißen Gewänder ablegten. Im Jahre 2000 erweiterte ihn Papst Johannes Paul II. zum "Sonntag der Barmherzigkeit". Denn Christus "spricht nicht nur vom Erbarmen und erklärt es mit Hilfe von Gleichnissen und Parabeln, er ist vor allem selbst eine Verkörperung des Erbarmens" (Enzyklika Dives in misericordia, 2).