Jesus Christus ist Gott von Gott und Licht vom Licht

Am zweiten Fastensonntag präsentiert die Kirche im Evangelium den Christgläubigen die Verklärung des Herrn, die sich nach der Tradition auf dem Berg Tabor in Galiläa ereignet hat. Petrus ist scheinbar ein Protagonist der Ereignisse, in denen sich Jesus in seiner Göttlichkeit zeigt.

Der Berg Tabor

Jeder Weg, den jemand zurücklegt, erfordert Anstrengung. Je länger oder steiler ein Weg, desto mühsamer ist er. Es sind nun schon knapp zwei Wochen in der Fastenzeit zurückgelegt. Die Apostel vor 2000 Jahren – drei von ihnen kommen im heutigen Evangelium vor – sind schon geraume Zeit mit dem Herrn auf den staubigen Wegen Galiläas unterwegs. Was haben sie nicht schon alles erlebt und vor allem aus dem Mund des göttlichen Meisters gehört!

Jesus kündigte vor und nach der Verklärung sein Leiden und seinen Tod an

Eine Ankündigung des Herrn wird sie dabei schmerzlich getroffen haben. Der Menschensohn – so hatte Er ihnen gesagt – werde viel erleiden müssen und getötet werden, aber am dritten Tag auferstehen (vgl. Mt 16,21). Das geheimnisvolle Geschehen, die Theophanie auf dem Berg Tabor steht zwischen der ersten und zweiten Voraussage des Leidens, und trägt sich auf dem Wege nach Jerusalem zu. Es soll die auserwählten Zeugen in ihrem Glauben stärken. Die Passion des Herrn steht kurz bevor. Im Evangelium heißt es über das Ereignis auf dem Tabor:

Was Matthäus über das Tabor-Ereignis berichtet

In jener Zeit nahm Jesus Petrus, Jakobus und dessen Bruder Johannes beiseite und führte sie auf einen hohen Berg. Und er wurde vor ihnen verwandelt; sein Gesicht leuchtete wie die Sonne und seine Kleider wurden weiß wie das Licht. Und siehe, es erschienen ihnen Mose und Elíja und redeten mit Jesus. Und Petrus antwortete und sagte zu Jesus: Herr, es ist gut, dass wir hier sind. Wenn du willst, werde ich hier drei Hütten bauen, eine für dich, eine für Mose und eine für Elíja. Noch während er redete, siehe, eine leuchtende Wolke überschattete sie und siehe, eine Stimme erscholl aus der Wolke: Dieser ist mein geliebter Sohn, an dem ich Wohlgefallen gefunden habe; auf ihn sollt ihr hören. Als die Jünger das hörten, warfen sie sich mit dem Gesicht zu Boden und fürchteten sich sehr. Da trat Jesus zu ihnen, fasste sie an und sagte: Steht auf und fürchtet euch nicht! Und als sie aufblickten, sahen sie niemanden außer Jesus allein. Während sie den Berg hinabstiegen, gebot ihnen Jesus: Erzählt niemandem von dem, was ihr gesehen habt, bis der Menschensohn von den Toten auferweckt ist!(Mt 17, 1–9)

Berge gelten als Orte der Gottesnähe

Wieder sind – wie schon bei der Bergpredigt und den Gebetsnächten Jesu – Berge Orte der besonderen Gottesnähe; wieder können die verschiedenen Berge des Lebens Jesu zusammengedacht werden: den Berg der Versuchung; den Berg des Gebetes; den Berg der Verklärung; den Berg des Kreuzes und schließlich den Berg des Auferstandenen, auf dem der Herr – im Gegensatz zum Angebot der Weltherrschaft durch die Macht des Teufels – erklärt: »Mir ist alle Gewalt gegeben im Himmel und auf Erden« (Mt 28,18).1

Vor dem Blick auf das geheimnisvolle Geschehen bei der Verklärung passt die sehr persönliche Frage: Wie sieht mein Glaubensleben aus? Wie reagiere ich angesichts des „scandalum crucis“, von dem der Apostel Paulus spricht: Wir dagegen verkünden Christus als den Gekreuzigten: für Juden ein Ärgernis, für Heiden eine Torheit (1Kor 2,2)?

Wie facettenreich die Evangelisten von der Verklärung berichten

Wenn wir die Aussagen des Matthäus mit denen der beiden anderen Synoptikern Markus und Lukas vergleichen, stellen wir fest: Markus sagt ganz einfach „und er wurde vor ihnen verklärt“ und fügt, ein wenig unbeholfen, vor dem Geheimnis fast stammelnd hinzu:„Seine Kleider wurden strahlend weiß, wie sie auf Erden kein Bleicher machen kann“ (9,3). Matthäus fallen da schon größere Worte ein: „Sein Antlitz strahlte wie die Sonne, und seine Kleider wurden weiß wie das Licht“ (17,2). Lukas hatte als Einziger vorher schon als Ziel des Aufstiegs angegeben: „Er stieg auf, um zu beten“, und erklärt nun von da aus das Ereignis, dessen Zeugen die drei Jünger werden: »Während er betete, verwandelte sich das Aussehen seines Gesichts und sein Gewand blitzte weiß auf« (9,29). Die Verklärung ist also ein Gebetsereignis; es wird sichtbar, was im Reden Jesu mit dem Vater geschieht: die innerste Durchdringung seines Seins mit Gott, die reines Licht wird.

Jesus wurde Licht – und entsprechend wir im Glaubensbekenntnis gebetet

Im großen Glaubensbekenntnis bekennen wir an Sonn- und Feiertagen:„Licht vom Licht, wahrer Gott vom wahren Gott, gezeugt nicht geschaffen, eines Wesens mit dem Vater“. In seinem Einssein mit dem Vater ist Jesus selbst Licht vom Licht. Was er zuinnerst ist und was Petrus in seinem Bekenntnis zu sagen versucht hatte – das wird in diesem Augenblick auch sinnlich wahrnehmbar: Jesu Sein im Licht Gottes, sein eigenes Lichtsein als Sohn.

Jesus strahlte selbst Licht aus, Moses nur als Reflektion seines Gesprächs mit Gott

Dann erscheinen Mose und Elija. Doch welch gewaltiger Unterschied zwischen dem Sohn Gottes und den beiden großen Gestalten des Alten Testaments! In Ex 34,29ff heißt es: „Während Mose vom Berg herabstieg, wusste er nicht, dass die Haut seines Gesichts Licht ausstrahlte, weil er mit dem Herrn geredet hatte“. Durch das Reden mit Gott strahlt Gottes Licht auf ihn und macht ihn selber strahlend. Aber es ist sozusagen ein von außen auf ihn zukommender Strahl, der ihn nun selber leuchten lässt.

Jesus strahlt von innen her, er empfängt nicht nur Licht, er ist selbst Licht vom Licht.2

Petrus, Jakobus und Johannes erschrecken angesichts dieses Aufstrahlens der göttlichen Natur Jesu Christi. Es ist der Gottesschrecken. Was wird das in diesen drei auserwählten Zeugen bewirkt haben? Denken wir zum Beispiel an den Apostel und Evangelisten Johannes. Im Anfang war das Wort und das Wort war bei Gott und das Wort war Gott (Joh 1,1), schreibt er in seinem Prolog. Was Petrus, Jakobus und Johannes auf dem Berg Tabor erleben, ist eine Offenbarung seines Wesens wie Johannes es zum beschreiben sucht.

Der Logos ist himmlisches Licht in der Finsternis

Der Logos ist als himmlisches Licht in die Finsternis der abgefallenen Schöpfung eingetreten. Die Finsternis aber behauptet sich. Sie »nimmt Ihn nicht auf« (Joh 1,5). Hier, auf dem Berg, bricht für einen Augenblick die Klarheit durch. Jesu Weg geht ins Dunkel, immer tiefer, bis in „ihre [der Feinde] Stunde und die Macht der Finsternis“ (Lk 22,53). Hier aber wird für einen Augenblick das Licht deutlich, das in die Welt gekommen ist, und fähig wäre, »alles zu erleuchten« (Joh 1,9). Auf dem Wege zum Tode bricht, wie eine Stichflamme, jene Herrlichkeit durch, die erst jenseits des Todes offenbar werden darf. Was die Rede vom Sterben und Auferstehen sagt, tritt hier in Gestalt und Schaubarkeit vor die Augen der auserwählten Zeugen.3

Was die Verwandlung Jesu für jeden, der glaubt, bedeutet

Vom zweiten Fastensonntag bis Ostern sind es fünf Wochen. Drei Tage vorher ist Karfreitag. Der Berg des Kreuzes wird zum Berg der Auferstehung. Die Verklärung des heutigen Evangeliums ist das Wetterleuchten der kommenden Auferstehung des Herrn. Und Unterpfand der Auferstehung jedes Gläubigen, in den jenes Leben kommen kann. Erlöst-Sein heißt ja, Teil zu haben am Leben Christi. Und mit ihm auferstehen. Auch der Leib soll verwandelt werden aus dem Geiste, der selbst verwandelt ist aus Gott (1 Kor 15), wodurch die selige Unsterblichkeit erwacht.4

Wer glaubt, vertraut dem sich offenbarenden Gott – und sucht einen Berg zu besteigen

Welche Stärkung im Glauben erfahren die, die 2000 Jahre später leben, die nicht Zeugen der Verklärung und der Auferstehung waren? Wir glauben, weil Gott uns den Glauben geschenkt hat. Aus dem Glauben leben heißt nicht, von Autosuggestionen leben, sondern dem sich offenbarenden Gott vertrauen. Aus dem geheimnisvollen Geschehen lässt sich sogar etwas Konkretes für die verbleibenden Tage der Fastenzeit ziehen. Stärkung erfolgt im Gebet und in den Sakramenten. Wie Petrus, Jakobus und Johannes kann jeder sich „beiseitenehmen lassen“ vom Herrn. Nur »beiseite« genommen, abseits vom Lärm der irdischen Sorgen, nur mit einem reinen und freien Herzen, kann die Herrlichkeit Jesu, die Herrlichkeit des Gekreuzigten erahnt werden. Wer sich beiseitenehmen lässt von einem anderen, der spricht unter vier Augen mit ihm. Um mit Ihm zu sprechen, müssen wir bisweilen auch den ein oder anderen Berg besteigen.

Wie findet man den Weg zu diesem Berg? Wie steigt man auf?

Das Hinaufsteigen ist ein Gehen gegen die Schwerkraft des Egoismus, der aufgrund der Erbsünde wie zu einer zweiten Natur geworden ist; oft gelingt es dieser zweiten Natur, die erste und wahre Natur, den göttlichen Plan, gleichsam zu ersticken. Man steigt also hinauf, indem man sich von den vielen Formen des Egoismus frei macht. Ohne Askese ist der Gipfel nicht zu erreichen, wird jeder nicht er selbst.5

Gebet erfordert auch Askese und Verinnerlichung

Sehr anschaulich formuliert einmal Joseph Ratzinger in einer Predigt in La Verna, wo der hl. Franziskus die Wundmale des Herrn empfangen hat: Der Aufstieg zur Begegnung mit Gott erfordere Askese, Verinnerlichung. Diese Worte und Wirklichkeiten müssen heute wieder gelernt werden. Aber die christliche Verinnerlichung ist niemals eine bloße Vergeistigung, eine Absonderung des Ichs, ein Sich-Zurückziehen in eine geistige Welt, wie sie in vielen Formen der sogenannten transzendentalen Meditation vorkommt. Die christliche Innerlichkeit ist vor allem ein Gehen mit Jesus in der Gemeinschaft mit seiner Kirche.6

Petrus hatte anderes im Sinn als Jesus

Es ist ein Gehen auf dem Weg der Kreuzesnachfolge. Auch das musste der hl. Petrus noch lernen, brachte ihn doch der Berg, die große Zurückgezogenheit und die Einsamkeit auf den Gedanken, hier wären sie ganz sicher. Dazu kam noch der Wunsch, der Herr möge nicht mehr nach Jerusalem hinabsteigen; er möchte gern, dass er für immer hierbleibt; deshalb spricht er vom Hüttenbauen. Würden sie gebaut werden, so rechnete er, dann gingen sie nicht mehr nach Jerusalem; wenn sie nicht dorthin gehen, bräuchte er auch nicht zu sterben, erläutert einmal der hl. Johannes Chrysostomus.

Wem wie Petrus der Gedanke kommen sollte, den liebenswerten Weg der Kreuzesnachfolge zu verlassen, der sollte auf die Stimme des Vaters hören: Dieser ist mein geliebter Sohn, an dem ich Wohlgefallen gefunden habe; auf ihn sollt ihr hören.

Die dumme Frage des Petrus erfährt eine Aufklärung in Wahrheit

Ein amüsanter Kommentar des hl. Hieronymus zum Tabor-Ereignis kann Leitgedanke für die dritte Woche der Fastenzeit sein: Weil Petrus dumm gefragt habe, verdiente er vom Herrn keine Antwort. Die Stimme des Vaters, der vom Himmel spricht, ertönt und legt Zeugnis ab für den Sohn. Der Irrtum wird beseitigt, Petrus erfährt die Wahrheit und durch ihn die anderen Apostel. Darum heißt es: "Das ist mein geliebter Sohn", denn ihm soll eine Wohnung gebaut werden, ihm soll man gehorchen. Er ist der Sohn, jene (Moses und Elija) sind seine Diener. Die Jünger sollen dem Herrn eine Wohnung im Inneren ihres Herzens bereiten. Thomas Schauff

1 Vgl. Jesus von Nazareth in: JRGS 6/1, S.378

2 aaO

3 Vgl. Guardini, Der Herr

4 Vgl. ebenda

5 Ratzinger-Predigt, Aufstieg zur Begegnung mit Gott, in: JRGS 14/3

6 ebenda