Hören, Aufnehmen, Gehorchen, Handeln

Zur Gestalt des heiligen Josef, dessen Fest die Kirche am 19. März begeht

Eine erhellende nächtliche Botschaft

Ein wenig im Schatten der Verkündigung an Maria am Morgen des Heiles steht eine andere Verkündigung, die sich in der Nacht ereignet und Josef aus innerer Finsternis befreit. Durch das Geschehen an Maria ratlos geworden, war er im Begriff, sich in aller Stille von ihr zu trennen: Während er noch darüber nachdachte, erschien ihm ein Engel des Herrn im Traum und sagte: Josef, Sohn Davids, fürchte dich nicht, Maria als deine Frau zu dir zu nehmen; denn das Kind, das sie erwartet, ist vom Heiligen Geist. (vgl. Mt 1.19-24). 

So erhält Josef in der nächtlichen Botschaft nicht nur Klarheit über das Geheimnis der jungfräulichen Empfängnis Mariens, in diesem neuen Licht entdeckt er zugleich seine eigene Berufung: Gott hat ihn als Ehemann Mariens auserwählt, damit er dem verheißenen Messias Beschützer und Vater sei kann: Sie wird einen Sohn gebären; ihm sollst du den Namen Jesus geben. (Mt 1,21) Er ist der Namengeber, der Patriarch, das Oberhaupt jener entstehenden Familie. Als Oberhaupt trägt er die ganze zivile Verantwortung für sie, muss überlegen, kämpfen, leiden, schwierige Entscheidungen treffen. Maria konnte und durfte mitten in einer kritischen Situation ohne solche Sorge sein und denken: Gott wird es schon richten. Josef durfte dies nicht: Es war nun seine Aufgabe, gerade die schwierigen Situationen zu meistern, Mutter und Kind zu beschützen.

Liest man die Episode vom wieder gefundenen Kind im Jerusalemer Tempel (Lk 2,41-52) mit Gespür für das Unausgesprochene, das im Bericht des Lukas mitschwingt, entdeckt man darin ausnehmend liebenswerte Feinheiten, mag der Text selbst auch nüchtern, ja selbstverständlich erscheinen. Man hört gleichsam Marias Stimme vibrieren, als sie Josef in ihre Klage einbezieht und ihn dein Vater nennt: Kind, wie konntest du uns das antun? Dein Vater und ich haben dich voll Angst gesucht. Außerdem ist die Antwort Jesu das erste Wort aus seinem Mund, das uns die Evangelien überliefern. Warum habt ihr mich gesucht? Wusstet ihr nicht, dass ich in dem sein muss, was meinem Vater gehört?  

Der heilige Josef ist der Ehemann Marias, der Beschützer der Heiligen Familie, der Vermittler und Hüter des Geheimnisses vom Anfang des Heiles. Er ist der erste, der am Glauben der Gottesmutter teilhat. Er wird früher als sie den Pilgerweg des Glaubens abschließen. Von ihm sind uns keine Worte überliefert, nur Taten, umhüllt von seiner persönlichen Rücksichtnahme, seinem Schweigen. Er ist ein Handelnder, freilich zuerst ein Hörender. Er ist Hörender, weil er vor Gottes Angesicht lebt, empfänglich für die göttlichen Hinweise, die er im Traum erhält. Seine Handlungsweise, wie wir sie aus dem Evangelium kennen, hat eine klare Struktur: Hören, Aufnehmen, Gehorchen, Handeln. Dem Betenden fällt dies bei den wenigen Stellen sofort auf, in welchen Josef im Evangelium erscheint: Als Josef erwachte, tat er, was der Engel des Herrn ihm befohlen hatte, und nahm seine Frau zu sich. Und wieder bei der Flucht nach Ägypten auch das Gleiche: Steh auf, nimm das Kind und seine Mutter, und flieh nach Ägypten. Und einige Zeit später – wir wissen ja nicht, wie lange der Aufenthalt in Ägypten dauerte:Steh auf, nimm das Kind und seine Mutter, und zieh in das Land Israel. Jedes Mal ist es das Gleiche:Da stand Josef in der Nacht auf und floh mit dem Kind und dessen Mutter nach Ägypten. – Da stand er auf und zog mit dem Kind und dessen Mutter in das Land Israel....  

Ein Versuch, sich Josef vorzustellen

Josefs Mitbürgern in Nazaret werden in ihm den liebenswürdigen Nachbarn, sicher auch den zuverlässigen Handwerker gesehen haben. Vielleicht wusste man dort auch von der Auszeichnung, dass Josef aus dem Haus David (Lk 1,27) stammt, auch wenn dieser Umstand für das praktische Leben im Dorf keinen Vorteil darstellte. Überhaupt blieb den Leuten völlig verborgen, welche Bedeutung Josef für die Erfüllung der alten göttlichen Verheißungen an Israel natürlich zukam.

Das Evangelium lässt seine starke Persönlichkeit durchschimmern: „Er erscheint nie verzagt oder ängstlich; im Gegenteil, er weiß, Probleme anzupacken, schwierige Situationen zu meistern und Aufgaben, die ihm anvertraut werden, mit Verantwortung und Initiative zu übernehmen.“ (Christus begegnen 40). Matthäus nennt ihn gerecht (vgl. 1,19) wegen der Art, wie er sich gegenüber Maria mitten in einem Geschehen verhält, das er schwer fassen kann. In der Heiligen Schrift reicht Gerechtsein tiefer als im heute üblichen Wortgebrauch. Es verweist auf eine innere Geradheit auf Gott hin, die im Glauben gründet, und auf eine gütige, milde Rechtschaffenheit im Umgang mit den Menschen. Weil Josef gerecht ist, zieht er es in jener rätselhaften Situation vor, sich zurückzuziehen: Er wollte sie nicht bloßstellen und beschloss, sich in aller Stille von ihr zu trennen.  

In allen Situationen lebt er „den Willen Gottes weder oberflächlich noch formalistisch, sondern spontan und lebendig. Das Gesetz, das ein gläubiger Jude befolgte, war für ihn keine trockene Sammlung von Geboten, sondern Willensausdruck des lebendigen Gottes. Deswegen war er in der Lage, die Stimme des Herrn zu erkennen, als sie sich ihm unerwartet und überraschend offenbarte. (...) Josef überließ sich rückhaltlos den Händen Gottes, aber er verzichtete nicht darauf, über den Sinn der Ereignisse nachzudenken; so konnte er vom Herrn jenen Grad der Einsicht in die Werke Gottes erlangen, die die wahre Weisheit ausmacht. Auf diese Weise sah er nach und nach, dass die übernatürlichen Fügungen einem göttlichen Plan entsprechen, der manchmal den menschlichen Plänen zuwiderläuft. (Christus begegnen 41-42). 

Die ganze Kirche geht zu Josef (vgl. Gen 41,55) und sieht ihren besonderen Schutzpatron in ihm. Er ist der Schutzpatron des inneren Lebens jedes Christen, der nahe bei Jesus leben will: Was könnte ein echt christliches Leben anders sein als der Umgang mit Christus und ein Leben im Angesicht Gottes? Wir rufen den heiligen Josef auch als Anwalt und Vorbild in der Stunde des Todes an. Zwar sind uns weder der Zeitpunkt noch die Umstände seines Todes bekannt, doch können wir uns gut vorstellen, wie liebevoll Jesus und Maria ihm in seinem Sterben zur Seite standen.

von Josef Arquer