Heiligkeit - eine Berufung für alle

Die Seligsprechung Bischof Alvaros am 27. September erinnert uns an die allgemeine Berufung zur Heiligkeit, die vom Hl. Josefmaria unermüdlich verkündet und vom Zweiten Vatikanischen Konzil nachdrücklich bestätigt wurde.

Javier Echevarría, Alvaro del Portillo und Joaquín Alonso beim Verlassen der Basílika Santa Maria Maggiore (Rom, 1983)

Artikel von Bischof Javier Echevarría, Prälat des Opus Dei, in Palabra.

Worin liegt die Bedeutung einer Selig- oder Heiligsprechung? Anlässlich der bevorstehenden Erhebung des ersten Prälaten des Opus Dei und Nachfolger des Hl. Josefmaria, Bischof Alvaro del Portillo zur Ehre der Altäre, stellt sich uns diese Frage.

Papst Franziskus spricht über Heilige, wenn er antwortet: Gott erwählt einige Menschen, damit ihre Heiligkeit besser hervortritt und wir erkennen, dass Er es ist, der heilig macht… Das ist die Hauptbedingung um heilig zu werden: Christus muss wachsen, ich aber abnehmen (Predigt am 9.5.2014).

Wenn die Kirche die Heiligkeit einer ihrer Töchter oder Söhne feierlich verkündet, erstrahlt ihre ureigenste Aufgabe: Diejenigen in den Himmel zu führen, die sie in der Taufe durch den Hl. Geist zu neuem Leben erweckt hat. Daher ist jede Selig- oder Heiligsprechung für das auf der Erde pilgernde Volk Gottes ein wahres Freudenfest. Anlässlich der bevorstehenden Seligsprechung Don Alvaros ist es nur allzu verständlich, dass unsere Freude sich in Dankbarkeit gegenüber Gott verwandelt, von dem ja jede Heiligkeit ausgeht.

Anlässlich der Heiligsprechung von Josefmaria Escrivá sprach der damalige Kardinal Ratzinger darüber, dass wir eine falsche Vorstellung von Heiligkeit haben können, so als wären Heilige eine Art Supermänner oder Superfrauen.

Kardinal Ratzinger schrieb: Heroische Tugend bedeutet nicht, dass der Heilige eine Art „Heiligkeits-Gymnastik“ betreibt, etwas, was die gewöhnlichen Menschen nicht zu tun im Stande sind. (…) Bei einer solchen Sicht bleibt die Heiligkeit ein paar „Großen“ vorbehalten, deren Bilder auf den Altären prangen und die ganz anders sind als wir gewöhnlichen Sünder. Aber das ist eine irrige Vorstellung von Heiligkeit, eine falsche Wahrnehmung, die – und das scheint mir der zentrale Punkt – korrigiert worden ist gerade durch Josefmaria Escrivá.

(Kardinal Joseph Ratzinger, Osservatore Romano, 6. Oktober 2002).

Diese Worte drücken sehr gut die Bedeutung der Seligsprechung von Bischof del Portillo aus. Don Alvaro war zweifelsohne ein Mensch, dem Gott große menschliche und übernatürliche Talente anvertraut hat. Trotzdem verlief sein Leben in einem gewöhnlichen Rahmen, aber voll starkmütiger und froher Treue. Nie wollte er selbst im Rampenlicht stehen, sondern stets ließ er das göttliche Licht leuchten, indem er dem Geist des Opus Dei treu blieb, den er direkt aus dem Mund und durch das Beispiel des Hl. Josefmaria empfangen hatte.

Don Alvaro wurde durch Gottes Gnade und seine eigene großzügige Entsprechung heilig, indem er das gewöhnliche Leben eines Christen außergewöhnlich gut lebte.

Seine Seligsprechung erinnert uns daran, und darin liegt auch der Sinn dieser Handlung der Kirche, dass Heiligkeit von wirklich allen Getauften erreicht werden kann, wenn sie ihrer christlichen Berufung großherzig folgen.

Diese Berufung spornt uns an, mit Christus eins zu werden, jeder in seinen eigenen Lebensumständen und in seinem Stand. Sie spornt uns an, täglich unser Kreuz zu tragen: Es gibt keine Einswerdung mit Christus, wenn wir nicht auch mit dem Kreuz eins werden. Für die meisten Menschen ist es ein gewöhnliches Kreuz das sie in ihrem Alltag auf sich nehmen und mit Freude tragen sollen: im Familienleben, gesund oder krank, in der Arbeit, der Freizeit und im sozialen Leben.

Diese Berufung verlangt daher von uns nicht, außerordentliche Taten zu vollbringen, oder außergewöhnliche Charismen zu besitzen, sondern sie verlangt die Nachahmung des Beispiels unseres Herrn, auch im Ertragen dessen, was uns schwerfällt.

Javier Echevarría und Alvaro del Portillo am 2. Juli 1989 in Zürich

Don Alvaro setzte den Rat des Hl. Josefmarias – Gott im täglichen Leben zu suchen – beständig um. Wie der Gründer des Opus Dei einmal sagte: Es gibt keinen anderen Weg. Entweder lernen wir, den Herrn in unserem alltäglichen Leben zu entdecken, oder wir werden ihn niemals finden. (…) Dort, unter euren Mitmenschen, in euren Mühen, eurer Arbeit und eurer Liebe, dort ist der eigentliche Ort eurer tagtäglichen Begegnung mit Christus. Dort, inmitten der durch und durch materiellen irdischen Dinge müssen wir uns bemühen, heilig zu werden, indem wir Gott und allen Menschen dienen. (Gespräche 114 und 113).

Das Beispiel der Heiligen weckt in unserem Herzen den Wunsch, so wie sie zu werden. Es weckt die Sehnsucht uns auf ewig an der Heiligsten Dreifaltigkeit zu erfreuen, für immer zur großartigen Familie Gottes zu gehören und nahe bei Jesus und Seiner Mutter Maria zu sein.

Heilig zu sein heißt nicht, über den anderen zu stehen. Ja, der Heilige kann sehr schwach sein, mit vielen Fehlern behaftet in seinem Leben. Die Heiligkeit ist jene tiefe Tuchfühlung mit Gott, die Freundschaft mit ihm: Sie besteht darin, den Anderen handeln zu lassen, den Einzigen, der die Welt wirklich gut und glücklich machen kann. (Kardinal Joseph Ratzinger, Osservatore Romano, 6. Oktober 2002).

Die Seligsprechung von Alvaro del Portillo lädt uns ein, jeden Tag als einen Aufruf zu verstehen, mit Eifer unser christliches Leben zu führen und so immer mehr die Freude des Evangeliums zu erfahren.

Die Feier am kommenden 27. September erinnert uns an die allgemeine Berufung zur Heiligkeit, die vom Hl. Josefmaria Escriva unermüdlich verkündet und vom 2. Vatikanischen Konzil nachdrücklich bestätigt wurde.

Bischof Javier Echevarria, Prälat des Opus Dei

Quelle: Revista Palabra, Especial Álvaro del Portillo, Agosto-Septiembre 2014

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