Ein Ehepaar auf dem Weg zur Seligsprechung

Anfang 2009 wurde der Seligsprechungsprozess für Tomas und Paquita Alvira eröffnet. Sie gehörten zu den ersten verheirateten Mitgliedern des Opus Dei. Ihre Tochter Maria Isabel – eines von den acht Kindern des Ehepaares – antwortet auf Fragen nach ihren Eltern.

Ihre Eltern gehörten dem Opus Dei an. Wie machte sich das bemerkbar? 

Ihre Zugehörigkeit zum Opus Dei und ihre glückliche Art gehörten zusammen. Das merkte jeder, besonders natürlich wir Kinder. Von klein an verstand ich das Opus Dei als ein Stück des Lebens meiner Eltern. Sie haben uns durch das Vorbild ihres Lebens im Alltag auf eine spontane und natürliche Art die Liebe zu Gott, zur Kirche, zum Opus Dei und zu seinem Gründer weitergegeben, und das in einer Atmosphäre völliger Freiheit. Ich habe ihre Berufung zum Opus Dei stets als ein großes Geschenk Gottes an unsere ganze Familie empfunden. 

Hat der Geist des Opus Dei aus Ihrer Sicht zum Familienleben und zur Kindererziehung beigetragen? 

Sicher hat er den Eltern geholfen, tagtäglich in der Liebe zueinander zu wachsen und „auf Dauer verliebt“ zu sein, wie der heilige Josefmaria manchmal sagte. Wir Kinder waren Zeugen einer feinfühligen und belastungsfähigen Liebe, die bis zu ihrem Lebensende immer stärker wurde. Das hat uns alle stark geprägt, denn es wurde im tagtäglichen Umgang miteinander sichtbar. 

Ein Beleg dafür ist, was mein Vater an seinem achtzigsten Geburtstag der Mutter schrieb: „80 Jahre! Ohne Dich, ohne Deine lautlose Hilfe wäre ich nicht in voller Jugendlichkeit so alt geworden! Heute blicke ich zurück – einen Augenblick nur – und sehe Dich und unsere Kinder. Wie reich hat Gott uns beschenkt! Danke, Paquita. Mit einer Umarmung, Tomas.“ 

Zu unserer Erziehung möchte ich sagen, dass die Eltern einen positiven, weiten Blick hatten. Sie schufen eine bestimmte Atmosphäre um sich herum, so dass man gerne heimkehrte. Dabei musste sich man aber auch den anderen öffnen und bereit sein, ihnen zu dienen. 

Die ganze Familie bei der Goldenen Hochzeit von Tomas und Paquita Alvira

Unsere Eltern haben ein Klima echter Freiheit und gegenseitigen Vertrauens geschaffen, in dem jeder seine eigene Persönlichkeit entfalten konnte. Sicher beteten sie viel für uns. Und sie regten uns besonders durch ihr Beispiel an, unser Leben verantwortlich in die eigene Hand zu nehmen. An irgendwelche Verbote, die es bestimmt auch gegeben hat, kann ich mich kaum erinnern. Auch lange Belehrungen gab es selten, wohl aber intensive Gespräche miteinander. Ich erinnere mich ganz deutlich an viele solche Gespräche. 

Bis zum Ende ihres Lebens haben uns beide Eltern geformt. Und wir wussten uns geliebt. Das prägt mich bis heute. 

Können Sie etwas über das Glaubensleben ihrer Eltern erzählen? 

Ich habe sie beten sehen, natürlich und froh. Ich betone das, denn auch das prägt mich nach wie vor. Gottes Gegenwart war bei uns zu Hause so selbstverständlich wie die Luft zum Atmen. Nichts an ihrer Frömmigkeit kam mir künstlich oder formelhaft vor. Sie haben uns nicht gezwungen, dies oder jenes zu tun. Sie gaben uns einfach ihr Vorbild. Und das reichte, weil es liebenswert war. 

So erklären sich auch ihr innerer Friede und ihr absolutes Gottvertrauen. Sie entdeckten hinter allem Schweren, das es auch gab, die Hand Gottes. Wenn man sie sah, konnte man denken, in ihrem Leben sei alles leicht. Sie klagten eben nur nie und nahmen stets friedlich an, was kam, auch die schwierigen Dinge, auch Leiden und Tod. 

Was mir an ihrem Gebetsleben auffiel. – Zum Beispiel, dass sie jeden Tag zur Heiligen Messe gingen – mein Vater schon ganz früh morgens vor der Arbeit, dass sie täglich eine feste Zeit dem Gebet widmeten, dass sie den Rosenkranz beteten. Außerdem arrangierten sie den Tagesablauf immer so, dass sie abends noch einmal kurz zur Kirche gehen konnten, um den Herrn im Tabernakel zu besuchen. Ganz egal, wie müde sie von der Arbeit waren, egal welchen Trubel wir Kinder veranstaltet hatten. Das hatten sie meines Erachtens in ihr Leben integriert, und es geschah keineswegs zwanghaft. Ihre Kraft kam überhaupt aus ihrer engen Beziehung zu Christus. 

Eine sehr konkrete Erinnerung habe ich an das Fest der Heiligen Familie. Jedes Jahr weihten wir uns an diesem Festtag der Heiligen Familie von Nazaret. Wir knieten alle nieder, und mein Vater sprach ein entsprechendes Gebet. Überhaupt stellte der für uns Kinder eine starke Autorität dar. Deshalb hat seine Frömmigkeit einen erheblichen Einfluss auf unser Leben gehabt. Dadurch war klar, dass die Liebe zu Gott keine Sache allein für Frauen und Kinder ist. 

Haben Ihre Eltern auch Ihren eigenen religiösen Lebensweg bestimmt? 

Ohne Zweifel haben sie das Ihre dazu beigetragen, dass auch ich meinen Weg gefunden habe. Aber die Berufung zum Opus Dei selbst konnte nur Gott geben, wenn Sie das meinen. 

Auf eines haben uns die Eltern allerdings vorbereitet: Dass wir antworten könnten, wenn Gott uns einmal um etwas bitten sollte. Aber sie haben uns nie gedrängt, in diese oder jene Richtung zu gehen. 

Auf dem Petersplatz in Rom

Ich kenne die Wege nicht, über die meine Geschwister jeweils zu ihrer eigenen Berufung gelangt sind. Das hat jeder einzeln und frei für sich getan. Wir alle sind gewiss stets vertrauensvoll miteinander umgegangen, aber über solche Dinge haben wir nie diskutiert. Keiner von uns wäre auf den Gedanken gekommen, und noch viel weniger unsere Eltern. 

Was mich betrifft, sehe ich ihr Leben als ein wesentliches Motiv, mich der Frage nach meiner persönlichen Berufung zu stellen. Und ihr Gebet wird ein Übriges getan haben, nehme ich ganz sicher an.