Die Apostolische Nuntiatur in Deutschland

Brief Erzbischof Giovanni Lajolos an den Regionalvikar des Opus Dei in Deutschland Prälat Dr. Christoph Bockamp

Hochwürdiger, lieber Herr Prälat Bockamp!

Ihnen und allen zur Prälatur Opus Dei gehörigen Gläubigen in Deutschland möchte ich anlässlich des 100. Geburtstages Ihres Gründers, des seligen Josemaría Escrivá, am 9. Januar 2002, auf diesem Wege meine Verbundenheit zum Ausdruck bringen.

Es wird mir leider nicht möglich sein, am 19. Januar in Köln dabei zu sein, wenn Kardinal Meisner das feierliche Pontifikalamt im Hohen Dom zelebriert: zu Ehren des Seligen und zum Dank für alle ihm – und durch ihn der Kirche – gewährten Gnaden. Ich werde Sie alle an diesem Tag mit meinem Gebet begleiten.

Zu Beginn des neuen Millenniums hat der Heilige Vater in seinem Apostolischen Schreiben Novo millennio ineunte der Kirche unter Bezugnahme auf die Dogmatische Konstitution Lumen gentium des II. Vatikanischen Konzils als Orientierung für das neue Jahrtausend das Wort mit auf den Weg gegeben: "Die Perspektive, in die der pastorale Weg eingebettet ist, heißt Heiligkeit." Schon Papst Paul VI. stellte 1969 in seinem Motu proprioSanctitatis clarior fest, man könne den allgemeinen Ruf zur Heiligkeit "als den eigentlichen spezifischen Teil der gesamten Lehraussagen des II. Vatikanums und sozusagen als dessen tiefstes Anliegen" bezeichnen.

Bei der feierlichen Seligsprechung Ihres Gründers am 17. Mai 1992 sagte Johannes Paul II.: "Mit übernatürlichem Weitblick verkündete der selige Josemaría unermüdlich die universale Berufung zur Heiligkeit und zum Apostolat. Christus ruft alle auf, sich in der Wirklichkeit des täglichen Lebens zu heiligen." Wenn das auch schon immer Gegenstand der Lehre und der Praxis der Kirche war, so hat es der Gründer des Opus Dei doch für unsere Zeit neu in das ausdrückliche Bewusstsein vieler Gläubigen gehoben. So zählt er zu den Wegbereiter des II. Vatikanischen Konzils.

Der selige Escrivá hat diese fundamentale Wahrheit des Evangeliums, dass alle Menschen zur Heiligkeit, d. h. zur engen Vereinigung mit Christus berufen sind, nicht nur verkündet; er hat auch konkret gezeigt, wie ein Mensch – zu welchem Stand auch immer er gehört – mitten in der Welt nach Heiligkeit streben kann – nicht trotz, sondern in und durch die normalen Lebensumstände: in der Familie, im Beruf, in der Freizeit, im Umgang mit den anderen Menschen. In seinem Geist und nach seiner reichen geistlichen Lehre sind weltweit viele Hunderttausende von Menschen aller Altersstufen, sozialen Schichten und Rassen bemüht, die Vereinigung mit Christus im Alltag zu leben und sich für ihre Mitmenschen zu verausgaben.

Mit dem 100. Geburtsjahr des Gründers begeht das Opus Dei zugleich den 50. Jahrestag des Beginns seiner Arbeit in Deutschland. Auf die Bitte des damaligen Erzbischof von Köln, Joseph Kardinal Frings, kamen im Jahr 1952 die ersten Mitglieder des Opus Dei nach Bonn. Wenn die ersten Jahre im Nachkriegsdeutschland auch durch Entbehrungen und große Opfer gekennzeichnet waren, so wuchs das Opus Dei doch kontinuierlich und nahm seinen Weg von Bonn aus nach Köln, Essen, Aachen, Münster, Frankfurt, Trier, schließlich auch nach Bayern und Berlin und in viele andere Orte, in denen einzelne Angehörige des Werkes leben. Sichtbarer Ausdruck sind Studentenheime, Jugendclubs, Hauswirtschaftsschulen und andere Bildungszentren. Dort ist eine vielfältige Bildungs- und Entwicklungsarbeit entstanden. Das reicht von der heute sicher nicht leichten Arbeit mit Auszubildenden über multikulturelle Studentenheime bis zu Entwicklungsprojekten in der Dritten Welt. Dass es sich dabei um eine nachhaltige menschliche und geistliche Entwicklungsarbeit handelt, das belegen nicht zuletzt die Erwachsenentaufen und Hinwendungen zum Glauben.

Als apostolisches Werk bemüht sich das Opus Dei, Menschen Hilfestellung zu geben für eine Begegnung mit Gott. Denn in den Häusern und bei den verschiedenen Projekten des Opus Dei sucht man Orientierung im Lichte Gottes und seines Wortes. Mehr noch: Es wird dort gebetet, d. h. zu und mit Gott gesprochen. Ich habe selbst verschiedene Häuser des Opus Dei besuchen können und bezeuge es gerne. Zudem: Hier bleiben Tugenden wie liebenswerter Umgang auch unter den Belastungen des Alltags, Arbeitsamkeit, Hilfsbereitschaft, Lebensfreude nicht Theorie. Das ist nie, aber erst recht heute nicht selbstverständlich. Sie sind Frucht der Gnade und der menschlichen Mitwirkung.

Das apostolische Wirken der einzelnen Angehörigen des Werkes unter Freunden, Kollegen, Bekannten, in Familien und am Arbeitsplatz ist unauffällig, aber nichtsdestoweniger wirksam. Es kommt in vollem Umfang ebenso der Ortskirche zugute wie die gerade angesprochenen Initiativen im sozialen, schulischen, kulturellen und akademischen Bereich, die aus solchen Freundeskreisen hervorgegangen sind.

Von Bischof Alvaro del Portillo stammt das Wort: "Jedesmal, wenn eine Seele, die mit dem Opus Dei in Kontakt kommt, sich innerlich bekehrt, Gott findet und darum kämpft, ihn mehr zu lieben, erreicht das Opus Dei seine Fülle, denn es übt dann den Dienst aus, zu dem Gott es bestellt hat." Mein Wunsch ist, dass die Haltung der Dienstbarkeit, die aus diesen Worten spricht, immer mehr alle Mitglieder des Opus Dei und seine vielen Freunde erfülle.

Möge der Herrn weiterhin den Dienst des Opus Dei in Deutschland und in der ganzen Welt reichlich mit den Früchten des Geistes segnen.

Ihr im Herrn

+ Giovanni Lojolo

Apostolischer Nuntius