Den Kern des Opus Dei offenlegen

Theo Anders bespricht das neue Buch von Martin Rhonheimer „’Ihr seid das Licht der Welt’ – Das Opus Dei – jungen Menschen erklärt“

Für Jugendliche ist die Berufswahl ein wichtiges Thema. Es gilt, das eigene Können richtig einzuschätzen, Ziele zu formulieren und eine entsprechende Ausbildung aufzunehmen. Heranwachsende fragen aber auch nach dem Woher und Wohin des Lebens, nach Sinn und Identität, Idealen und Aufgaben. Empirische Erhebungen belegen das, wie etwa die letzte Shell Jugendstudie von 2006. Das Suchen und Fragen Jugendlicher gilt dabei auch den Kirchen, nicht zuletzt der katholischen mit ihren, dem Zeitgeist nicht gerade angepassten Lebensentwürfen und Institutionen.

Wohl auch deshalb hat Martin Rhonheimer, Professor für Ethik und politische Philosophie an der Päpstlichen Universität Santa Croce in Rom, ein Buch verfasst, das jetzt im Kölner Adamas-Verlag erschienen ist – zumindest lässt der Untertitel dies vermuten: „Ihr seid das Licht der Welt. Das Opus Dei – jungen Menschen erklärt“. 

Rhonheimer, der zudem Priester der katholischen Personalprälatur Opus Dei ist, dürfte aber noch ein anderes Motiv bewogen haben: Seine Publikation will das Profil einer kirchlichen Institution schärfen, oder anders ausgedrückt, ihr Selbstverständnis und ihre Lebenswirklichkeit darlegen, die sich immer wieder mit Verdächtigungen und Vorwürfen konfrontiert sieht; nicht selten bewegen sich die Angriffe im Rahmen einer Kritik, die der katholischen Kirche mit unverhohlener Skepsis bis Abneigung begegnet.

Rhonheimer spricht die Vorbehalte an, nennt ihre Urheber – Zeitgenossen des Opus Dei-Gründers – und deren Motive. Er zeigt, dass die Kritik im Laufe der Jahrzehnte immer gleichen Schemata folgte, die ein grundsätzliches Nicht-Verstehen des „Charismas“ offenbaren, der von Gott gegebenen Sendung. So mancher Kritiker zieht göttliches Einwirken grundsätzlich in Zweifel und unterstellt dem Opus Dei stattdessen rein politisch-wirtschaftliche Ziele.

Umso mehr ist der Autor bemüht, kirchliches Leben und christliche Begriffe verständlich zu machen: Christus und die Kirche, die Bedeutung anderer christlicher Konfessionen und Religionen aus katholischer Sicht, Einheit der Christen, Offenheit und Toleranz, Glaube und Berufung, Ehe und Zölibat.

Nach und nach steuert Rhonheimer dann auf sein eigentliches Thema zu: die spezifische Berufung zum Opus Dei, einer Institution, die als „Personalprälatur“ kirchenrechtlich ein Novum darstellt. Erst mit dem II. Vatikanischen Konzil wurde diese Rechtsform geschaffen. Aber nicht nur das. Was Josemaría Escrivá, der 2002 heilig gesprochene Gründer, seit den 20er Jahren verkündete, dass jeder zur „Heiligkeit“ berufen sei, ob Frau oder Mann, verheiratet oder nicht, wurde vom Konzil ausdrücklich bestätigt.

Heiligkeit – ein mit reichlich Patina belegter und für viele Zeitgenossen folglich wohl eher unverständlicher Begriff – drückt sich nach Rhonheimer „schließlich darin aus, wie jemand seinen Mitmenschen begegnet und in welchem Maße er fähig ist, ihnen zu dienen. Heilig werden heißt ja nichts anderes, als sich immer mehr mit Christus zu identifizieren, in der Liebe zu ihm zu wachsen. Heiligkeit ist die Fülle der Liebe.“ (S.103)

Jetzt geht der Autor ins Detail, erläutert einen zentralen Begriff in der Verkündigung Escrivás: die Heiligung der Arbeit. Es geht um den gewöhnlichen Alltag in Familie und Beruf wie ihn Millionen beständig erleben. Gerade hier sollen sie ihren Glauben durch Taten bezeugen. Das ist nicht nur ein weites Feld, sondern ein durchaus revolutionärer, bisher allerdings nur mäßig verbreiteter Gedanke. Denn würden Millionen, vielleicht auch nur Zigtausende dem Wort Christi „Ihr sollt also vollkommen sein, wie es auch euer himmlischer Vater ist“ (Mt 5,48) tatsächlich Folge leisten, sähe dieser Planet anders aus. Man mag diese Überlegung für vermessen halten, einer gewissen Logik entbehrt sie nicht.

Revolutionär an Escrivás Sicht ist auch sein Bild von Ehe und Ehelosigkeit. Er zeichnet menschliche Liebe und Sexualität in genauso freundlich-hellen Farben wie Ehelosigkeit und „apostolischen Zölibat“, was nichts anderes meint als die Bereitschaft, berechtigte eigene Interessen, ja sinnliche Freuden zurückzustellen, um Jesu Einladung zu folgen, sich ihm im Dienst am Nächsten mit ganzem Leben und allen Vermögen zur Verfügung zu stellen.

Frauen und Männer, die sich einem solchen Ideal verschrieben haben, einem solchen Ruf zu folgen suchen, dürften ihr Leben kaum als Verzicht empfinden, sondern als Gewinn. Rhonheimer schreibt: „Wer sein Herz Gott ganz und ungeteilt überlässt, dem schenkt sich Gott in einer neuen Weise. Der Zölibat ist deshalb ein Liebesabenteuer, dessen eigentlichen Gehalt man allerdings erst dann verkostet und auch voll verstehen kann, wenn man den Schritt in die Ganzhingabe des Herzens einmal vollzogen hat.“ (S. 230)

Fazit: Mit „Ihr seid das Licht der Welt“ liegt jetzt eine Publikation vor, die den Kern des Opus Dei offenlegt, Fragen zu Wesen und Ziel dieser Prälatur klärt – zumindest für denjenigen, der das Buch unvoreingenommen zu lesen vermag. Nicht ganz erschließt sich, was der Untertitel suggeriert: Das Buch sei für junge Menschen geschrieben. Er entspringt wohl dem (legitimen) Wunsch des Autors, Jugendliche mögen sich mit dem Opus Dei beschäftigen. Buchumfang und Stil dürfte junge Leser aber eher nicht ansprechen. Rhonheimer formuliert akademisch, zuweilen langatmig. Weniger wäre mehr gewesen. Weil das Interesse am Opus Dei in den letzten Jahren stetig gewachsen ist, dürfte die Publikation dennoch viele Käufer finden. 

  

Martin Rhonheimer

„Ihr seid das Licht der Welt“

Das Opus Dei – jungen Menschen erklärt

368 Seiten, Klappenbroschur, 15.80 EUR

ISBN 978 3 937626 10 9

 Adamas Verlag Köln 2009