Das Neue Jahr 2023 soll ein Anfang werden, nicht nur im Kalender…

Jahreswechsel – Neues Jahr: Neues Glück – Vorsätze... Was nehmen sich die Leute so alles vor für das neue Jahr? Nicht mehr rauchen – mehr Sport machen – abnehmen – gesünder leben... Alles gute Vorsätze! Aber: Wie kann ich vor dem Angesicht Gottes das Neue Jahr beginnen?

Mit dem ihm eigenen Ernst schreibt Romano Guardini: „Kein Zeitpunkt lädt so sehr zur Besinnung ein wie das Ende und der Anfang eines Jahres. Da dringt das, was immerfort geschieht, besonders scharf ins Bewusstsein. Eigentlich muss man sich über die Weise wundern, wie dieses Geschehnis meistens begangen wird. Für unser Bewusstsein verbindet sich der Silvesterabend meistens mit Lustigkeit und Feuerwerk. Man kommt fast auf den Gedanken, ein tieferes Nachdenken solle verhindert werden — oder nicht? Gewiss, in der Silvesterfröhlichkeit liegt eine sehr ursprüngliche Freude: noch da zu sein; ins andere Jahr kommen zu dürfen. Das wäre in Ordnung. Wenn man aber genauer hinhört — hat man da nicht den Eindruck, es sei noch anderes dabei? Richtige Fröhlichkeit hat zum Untergrund den Ernst; in dieser aber scheint etwas anderes zu sein: nämlich Angst. Die Menschen, die im Neujahrstrubel den Schritt über die Zeitgrenze tun, fürchten sich.“1

Die Hirten und Maria handelten mit Eile und ohne Trägheit

Ob er mit seinen Beobachtungen richtig liegt, mag jeder für sich entscheiden – und auch welche Vorsätze daraus erwachsen können. Bei einen Blick auf das Evangelium des heutigen Hochfestes der Gottesmutter Maria, das immer am ersten Tag des beginnenden Kalenderjahres gefeiert wird, werden wir vielleicht bei unserer Suche nach einem guten Vorsatz für das Neue Jahr fündig:

In jener Zeit eilten die Hirten nach Betlehem und fanden Maria und Josef und das Kind, das in der Krippe lag. Als sie es sahen, erzählten sie von dem Wort, das ihnen über dieses Kind gesagt worden war. Und alle, die es hörten, staunten über das, was ihnen von den Hirten erzählt wurde. Maria aber bewahrte alle diese Worte und erwog sie in ihrem Herzen. Die Hirten kehrten zurück, rühmten Gott und priesen ihn für alles, was sie gehört und gesehen hatten, so wie es ihnen gesagt worden war. Als acht Tage vorüber waren und das Kind beschnitten werden sollte, gab man ihm den Namen Jesus, den der Engel genannt hatte, bevor das Kind im Mutterleib empfangen war“ (Lk 2, 16–21).

Die Hirten „eilten“ nach Betlehem, denn „niemand sucht Christus träge“2 sagt der hl. Ambrosius. Auch Maria „eilte“ – wie wir am Mittwoch der vierten Adventswoche gehört haben –, um Elisabet zu besuchen. Wer Gott in seinem Herzen Einlass gewährt, erfährt die Freude der Begegnung mit dem Herrn; und diese Freude beflügelt das Herz. Habe ich es eilig, um Gott näher kennenzulernen oder bin ich dabei träge? Eilig ist nicht dasselbe wie „ich bin gestresst“. Träge-Sein kann aber sehr wohl eine Lebenslangeweile zum bringen, die auch die Beziehung zu Gott beeinträchtigt.

Die Hirten eilen, sie erzählen, sie erwecken Staunen. Von Maria heißt es: sie bewahrt das Gehörte und erwägt es im Herzen. Eilen – erzählen – bewahren – erwägen: das Koordinatensystem der christlichen Existenz wird damit beschrieben. Wenn mein Leben als Christ auf diesen vier Eckpunkten ruht, bin ich im Lot. Wir können zwei Wirklichkeiten damit beschreiben, die irgendwann auch eigentlich eins sind: Aktion und Kontemplation.

Aktion und Kontemplation – lässt sich das verbinden?

Wie schafft man die Verbindung von Aktion und Kontemplation in Gott? Wie kann man in einer von Krieg und Seuchen, Krisen und Rückschlägen bewegten Zeit, im Auf–und-Ab des Alltagsgeschehens beschaulich und zugleich tätig sein? Auch tätig und zugleich beschaulich sein ist gemeint. Dazu gehört ein gewisses Ruhen in sich selbst und auch ein Ruhen in Gott.

Werfen wir einen Blick auf einen alten Hymnus, den die Kirche heute betet:

Der Dinge, Gott, Zusammenhalt, in Dir verbleibend unbewegt, der Du der Zeit des Tageslichts in ihrem Lauf die Grenze setzst – Gewähre helle Abendzeit, wo Leben niemals untergeht, vielmehr als Lohn des heil’gen Tods, ewiger Glanz vor Augen steht…“3.

Eine häufige Erfahrung: Wie schnell ändert sich die öffentliche Meinung, wie schnell ändere ich manchmal meine Meinung, was oft nichts mit Flexibilität zu tun hat, sondern mit Wankelmut. Doch Gott ändert Seine Meinung nicht. Der Dinge, Gott, Zusammenhalt, in Dir verbleibend unbewegt. Sein Heilsratschluss ist unumstößlich: Gott will, dass alle Menschen gerettet werden.

Gott ruht in sich – er verdient mein ganzes Vertrauen

Ein erster fester Vorsatz für das gerade beginnende Jahr: Ich will Gott – den „Immotus in Se permanens“, der immer in sich ruht, bitten, dass Er mir ein tiefes, ebenfalls unumstößliches, Vertrauen in Ihn schenkt. Ich will mir trotz aller Schwierigkeiten das persönliche Gespräch mit Ihm zurtäglichen Gewohnheit machen.

Die hl. Theresa von Avila sah dies so: „Alle Schwierigkeiten im Gebet können zurückverfolgt werden auf eine Ursache: zu beten, als wäre Gott abwesend. Bedenke wohl, wie schnell die Menschen sich ändern, und wie wenig man sich auf sie verlassen kann; darum halte dich fest an Gott, der unveränderlich ist. Christus, die große Sonne, erlischt keinem für immer, den sein Strahl einmal durchleuchtet. Er ist vergraben im umwölktesten Herzen, und es kann stündlich geschehen, dass er aufersteht. Es ist besser, mit Gottes Willen einen Strohhalm von der Erde aufzuheben, als ohne Gottes Willen die Welt zu bekehren.

Die Mutter Gottes ist kontemplativ und aktiv zugleich

Das Vorbild, wenn auch unerreicht und unerreichbar für jeden Menschen, ist die Mutter Gottes, deren Hochfest wir heute feiern. Sie „erwägt“ in ihrem Herzen, ist also kontemplativ. Sie „eilt“ zu Elisabeth, ist also aktiv. Was könnte das für mich heißen? Wir kann ich das in meinem aufreibenden Alltag umsetzen?

Kontemplation – das könnte für mich bedeuten: die Erkenntnis „empfangen“, die mein bisheriges Denken korrigiert; den Menschen „empfangen“, der im Moment auf mich zukommt; die „frohe Botschaft“ hören, die Gott schon lange zu mir spricht; die Aufgabe „empfangen“, die Gott jetzt für mich hat ... Kontemplation ist betrachtendes Gebet. Ich will mir vor Augen führen, dass ich mit leeren Händen, aber einem hörenden Herzen zum betrachtenden Gebet gehe. Das ist es, was einen Menschen zum kontemplativen Menschen macht. So sieht zum Beispiel Johannes vom Kreuz in Maria das biblische Vorbild eines kontemplativen Menschen. Und Teresa von Ávila sieht auch in Josef ein Vorbild kontemplativen Lebens.

Kontemplation ist überall möglich – nicht nur im Kloster

Ja, ich will 2023 ein in diesem Sinn kontemplativer Mensch werden – das kann jeder lernen, unabhängig von Stand und persönlicher Berufung: die einen im kontemplativen Kloster, die meisten mitten in der Welt. Hören wir zwei Heilige, die es wissen müssen: die heilige Theresa von Avila und der heilige Josefmaria. Theresa rät den Ordensfrauen: „Denkt im Laufe eines Tages immer wieder einmal daran, dass Jesus bei euch ist. Glaubt mir, ohne diesen guten Freund sollten wir nicht durchs Leben gehen. Wenn ihr euch angewöhnt, daran zu denken, dass er bei euch ist, dann werdet ihr ihn – wie man so sagt – nicht mehr loswerden! Ihr werdet ihn überall bei euch haben. Und das ist nicht wenig, einen solchen Freund an der Seite zu haben! Ich sage ja gar nicht, dass ihr viele Gebete sprechen, lange meditieren und hochtrabende Betrachtungen über ihn anstellen sollt; ich bitte euch um nicht mehr, als dass ihr ihn anschaut – wenn auch nur so zwischendurch, falls ihr mehr nicht fertigbringt. Ach Jesus, am liebsten ist es dir ja sowieso, dass wir uns mit dir zusammen den Menschen zuwenden, die uns brauchen; das ist der größte Dienst, den man dir erweisen kann.“

Wir merken schon: das kann man auch außerhalb von Klostermauern, also mitten in der Welt leben. Deswegen sagt der hl. Josefmaria, der moderne Pionier eines kontemplativen Lebens mitten in der Welt: „Du weißt nicht, wie man beten soll? - Besinne dich auf die Gegenwart Gottes, und kaum, dass du sagst: "Herr, ich kann nicht beten", kannst du gewiss sein, dass du schon mitten im Gebet bist.4 Und etwas weiter lesen wir: Du weißt nicht, was du dem Herrn im Gebet sagen sollst. Du würdest Ihn gern in vielen Fragen um Rat bitten, und jetzt fällt dir nichts ein. - Mache dir während des Tages ein paar Notizen über Fragen, die du in der Gegenwart Gottes erwägen willst. Dann geh mit diesem Zettel zum Gebet.5

Kontemplativ mitten in der Welt

Auch daraus können wir einen ersten guten Vorsatz für 2023 ableiten: ich will mich bemühen, ein kontemplatives Leben mitten in der Welt zu führen. Mit dem Blick auf die Hirten, von denen wir im heutigen Tagesevangelium hören, bekommen wir noch eine Anregung für einen weiteren Vorsatz: die Hirten erzählen, was sie über das Kind gehört haben. Später werden sie sicher auch ihren Freunden erzählt haben, was sie in Bethlehem gesehen haben. Das Sprechen über unseren Glauben ist eine fast logische Konsequenz des Gebetes, des Sprechens mit Gott.

Let´s put Christ back to Christmas war der Titel eines Country-Songs der 70er Jahre. „Let´s put Christ back to our every day life“- könnte ein schönes Motto für das Jahr 2023 sein. Ja, bringen wir Christus in unseren Alltag, zu unseren Freunden, Bekannten und Kollegen. Bringen wir ihnen Christus, bringen wir sie zu Christus. Bitten wir Ihn, dass es da, wo ein Christ ist, weihnachtlich wird, auch ohne Tannenzweige und Lametta, damit Christus gegenwärtig wird. So bringen wir viele, die Christus aus dem Blickfeld verloren haben, zu Ihm zurück.

Wenn Gott uns so durch das Jahr 2023 begleitet, trifft ein Gedanke des hl. Josefmaria über die Mutter Gottes auch auf uns zu: „Dies ist der geheimnisvolle Heilsplan Gottes: Unsere Liebe Frau, die zur vollen Teilhabe am Werk unserer Erlösung bestimmt wurde, sollte ihrem Sohn immer ganz nahe folgen: in der Armut von Bethlehem, im verborgenen Leben gewöhnlicher Arbeit in Nazareth, …in der Schmach des Leidens und im göttlichen Opfer am Kreuz, in der ewigen Seligkeit des Himmels. Dieser übernatürliche Weg muss auch unser Weg sein. Maria zeigt uns, dass dies ein gangbarer, ein sicherer Pfad ist.“ 6

1 R. Guardini, Nähe des Herrn

2 Ambrosius. Expositio Evangelii secundum Lucam, ad loc.

3 Rerum, Deus, tenax vigor, immotus in te permanens, lucis diurnae tempora successibus determinans. -

Largire clarum vespere, quo vita numquam decidat, sed praemium mortis sacrae perennis instet gloria.

4 Der Weg Nr. 90

5 Der Weg Nr. 97

6 Maria, Ursache unserer Freude Nr. 176

Thomas Schauff