Dammbruch bei der Sterbehilfe

Medizinethiker Axel Bauer fordert: „Psychisch Kranke brauchen Hilfe und keine Fahrkarte in den Tod“

Vor einer Legalisierung der Sterbehilfe hat Prof. Axel W. Bauer bei einem Gesprächsabend im „Weidenau Forum“ in München gewarnt. Er bezeichnete den derzeit geplanten § 217 StGB als einen medizinischen Dammbruch. Niemand soll laut dem Gesetzesentwurf Geld verdienen dürfen, indem er einem Menschen hilft, sich selbst zu töten. Diese gewerbsmäßige Förderung der Selbsttötung gebe es in Deutschland de facto jedoch so gut wie gar nicht. Der in den Bundestag eingebrachte Entwurf sei „ein regelrechter Gesetzestrojaner“, dessen eigentliches Ziel wohl mit Absicht unklar bleibe. Da lediglich die völlig bedeutungslose gewerbsmäßige Suizidassistenz unter Strafe gestellt werden soll, „erhielten die übrigen Formen der Förderung einer Selbsttötung, das heißt organisierte oder private Anstiftung und Beihilfe, den offiziellen Stempel der Rechtmäßigkeit“, betonte Bauer bei seinem Vortrag in dem Münchner Kulturzentrum des Opus Dei.

Die meisten Personen, die eine Suizidbegleitung wünschten, befänden sich in einer Phase schwerer Depression, betonte Bauers. „Psychisch Kranke brauchen Hilfe und keine Fahrkarte in den Tod“, so der Mitautor der aktuellen Neuveröffentlichung „Todes Helfer“. Er sieht die gesetzgeberischen Pläne im Zusammenhang mit dem Versuch, die Tendenz zu einem die materiellen Ressourcen der Gesellschaft möglichst schonenden Sterben alter und kranker Menschen zu fördern, „wenn es gelänge, diese Menschen selbst schon weit im Vorfeld des heran nahenden Todes davon zu überzeugen, dass ein freiwilliger Suizid nach einem erfüllten Leben eine besondere Tugend oder gar eine soziale Verpflichtung wäre“. Dem Suizid als solchem müsse die soziale Anerkennung versagt bleiben, so der Mitautor der aktuellen Neuveröffentlichung „Todes Helfer“. Mit der Selbsttötung nehme sich der Mensch tatsächlich die Freiheit, und zwar für immer. „Der Begriffs des ,Freitodes' ist daher als zynisch abzulehnen“, bekräftigte der Leiter des Fachgebiets Geschichte, Theorie und Ethik der Medizin an der Medizinischen Fakultät Mannheim der Universität Heidelberg.

Augenblicklich sei die Verabschiedung des Gesetzesentwurfes gescheitert, nachdem sich deutlicher Widerstand vor allem unter Abgeordneten der CDU/CSU-Bundestagsfraktion geregt habe. Höchste Wachsamkeit sei aber das Gebot der Stunde, weil damit gerechnet werden müsse, dass das Vorhaben nicht ad acta gelegt werden würde. Bei der Gelegenheit hob der Referent die bürgerschaftliche Initiative „Solidarität statt Selbsttötung" lobend hervor, die in den vergangenen Monaten mit dazu beigetragen hat, die für Januar geplante, schnelle Verabschiedung des § 217 StGB erst einmal zu verhindern.

von Bernd Kreuels