Brief des Prälaten (November 2007)

Der Prälat lädt dazu ein, die liturgischen Feste des Monats zu einer Erneuerung unseres christlichen Lebens zu nutzen: "Kein Christ sollte sich allein fühlen, denn wenn er mittels der Gnade am Leben Gottes teilhat, ist er in jedem Augenblick verbunden mit Christus und seiner heiligsten Mutter". Außerdem geht er auf das 25. Jubiläum der Personalprälatur ein.

Mit großer Freude erzähle ich Euch, daß ich miterlebt habe, wie dankbar und froh unser Vater war, wenn sich das Fest Allerheiligen, das wir heute feiern, näherte. Und es bewegte ihn innerlich immer wieder, wenn er den Hymnus an das Kreuz betrachtete, der dem Apostel Andreas zugeschrieben wird, dessen Fest auf den 30. November fällt. Zwischen diesen beiden Daten liegen noch andere Gedenktage, die uns dazu dienen können, unser geistliches Leben auf den Rhythmus einzuschwingen, den die Kirche durch die Liturgie vorgibt. Wir denken dabei an den Rat des heiligen Josefmaria, daß unser Gebet liturgisch sein soll.(1)

Am heutigen Festtag wollen wir dankbar die Gemeinschaft der Heiligen erwägen, die einer der Artikel des Glaubensbekenntnisses ist. Die triumphierende, die leidende und die streitende Kirche – die einzige von Christus gegründete Kirche in den verschiedenen Zuständen, in denen sie sich gegenwärtig befindet – ist uns an diesem Tag sehr nahe. Betrachten wir häufig diese tröstliche Wahrheit:„Die Heiligen sind keine kleine Gruppe Auserwählter, sondern eine unzählige Schar, zu der aufzuschauen die Liturgie uns heute aufruft. In dieser Menge finden sich nicht nur die offiziell anerkannten Heiligen, sondern die Getauften aller Zeiten und Nationen, die versucht haben, mit Liebe und in Treue den Willen Gottes zu erfüllen. Von den meisten von ihnen kennen wir nicht das Antlitz und nicht einmal den Namen, aber mit den Augen des Glaubens sehen wir sie am Firmament Gottes strahlen wie herrlich leuchtende Sterne.“(2)

Kein Christ sollte sich allein fühlen, denn wenn er mittels der Gnade am Leben Gottes teilhat, ist er in jedem Augenblick verbunden mit Christus und seiner heiligsten Mutter, mit den Engeln und den Seligen des Himmels, die sich an Gott erfreuen; er ist verbunden mit den armen Seelen, die sich im Fegefeuer reinigen, und mit allen, die noch auf Erden pilgern und – wie die Heilige Schrift sagt – freudig für den Herrn kämpfen.(3) Erfüllen wir uns mit der Kraft dieser Wirklichkeit, und sprechen wir mit anderen Menschen über diese Wahrheit.

Wenn Ihr in den verschiedenen Momenten Eures Tagesablaufes betet, arbeitet und Euch erholt, dann versucht, gemeinsam mit Christus zu beten, zu arbeiten und auszuruhen. Begleitet innerlich Eure Geschwister auf der ganzen Welt, besonders jene, die an Orten leben und arbeiten, wo die Arbeit der Kirche besonders schwierig ist. Lebst Du in dem Bewußtsein, daß die Menschen Deine Treue und Deine Brüderlichkeit brauchen? Führt Dich dieser Gedanke dazu, Dein Herz zu Gott zu erheben und die ganze Dringlichkeit der Neuevangelisierung zu spüren?

Vor wenigen Tagen habe ich eine Blitzreise nach Kasachstan gemacht, um bei Euren Schwestern und Brüdern dieses Landes zu sein. Ich bin auch in Eurem Namen dorthin gefahren, und zwar mit dem Wunsch, ihnen die Wärme Eurer Zuneigung, Eurer Liebe und Eures Interesses zu bringen. Gottseidank arbeiten sie, gestützt auf unsere Gebete, froh und voller Hoffnung. Und die ersten Früchte beginnen sich zu zeigen. Die Zahl der Frauen und Männer, die sich für den katholischen Glauben und den Geist des Opus Dei interessieren, wächst. Sie träumen von den Zeiten, in denen die Kirche – und daher auch das Werk – in ganz Zentralasien Wurzeln schlagen wird. Wir wollen ihren apostolischen Eifer teilen und mit unseren Gebeten und unseren kleinen Opfern unterstützen, die durch die Gemeinschaft der Heiligen sehr wirksam sein werden. Durchstreifen wir täglich die Welt mit unserem Eifer für die Seelen? Denken wir an das Apostolat in allen Ländern?

Dasselbe kann man von denen sagen, die in Russland, Südafrika, Indien, in den nordischen Ländern arbeiten … an so vielen Orten der fünf Kontinente. Macht es Dir keine Freude, in Deinen Zeiten des Gebetes wie der heilige Josefmaria die ganze Welt mit der Kraft Deiner Hingabe zu füllen? Versuchst Du, alle Tage – vom Morgen bis zum Abend – in dem Bewußtsein zu leben, daß die Neuevangelisierung und die apostolische Ausbreitung eine Aufgabe aller und jedes einzelnen an seinem Platz ist? Ich sehe, daß ich Euch und mir viele Fragen stelle, aber sie kommen mir ganz spontan, weil wir diesen Auftrag vom Meister erhalten haben: Geht hinaus in die ganze Welt, und verkündet das Evangelium allen Geschöpfen!(4)

Am 2. November, dem Gedenktag Allerseelen, haben wir verständlicherweise alle geliebten Menschen vor Augen – Gläubige des Werkes, Mitglieder unserer Familie, Freunde und Bekannte –, die schon in das andere Leben hinübergegangen sind. An diesem Tag ist es den Priestern erlaubt, drei Messen zu feiern, um sie für die Verstorbenen aufzuopfern. Vielerorts hat sich außerdem die Sitte eingebürgert, daß die Gläubigen die Gräber mit Blumen schmücken und die Friedhöfe besuchen. Pflegen wir liebevoll diese guten Gebräuche, geben wir ihnen ihren christlichen Sinn, und lehren wir andere, sie zu leben.

In der Mitte des Monats feiern wir zwei Feste, die eine Gelegenheit sind, enger mit dem Papst verbunden zu sein, für ihn und seine Anliegen intensiver zu beten sowie für seine Mitarbeiter in der Leitung der Kirche. Am 9. November begehen wir den Weihetag der Lateranbasilika, der Kathedrale Roms, Mutter und Haupt aller Kirchen der Hauptstadt und des Erdkreises, wie man einer Inschrift auf der Fassade entnehmen kann; und am 18. November gedenken wir der Weihe der Basiliken St. Peter und St. Paul.

Wenden wir uns mit der Bitte an Gott, er möge in den Katholiken die Liebe zur Einen, Heiligen, Katholischen, Apostolischen und – das betonte unser Vater gerne – Römischen Kirche vermehren. So zeigen wir mit feinfühliger Treue unsere Gemeinschaft mit dem Papst, welche wiederum Gemeinschaft mit Petrus ist. „Die Liebe zum Papst“,schrieb der heilige Josefmaria, „soll in unserem Herzen eine wunderbare Leidenschaft sein, denn in ihm sehen wir Christus.“(5)

Was die Kritik oder den mangelnden Gehorsam gegenüber den Entscheidungen des Papstes betrifft, deren Zeuge wir werden, so sollte unsere Reaktion die eines Kindes sein, das seine Eltern wahrhaft liebt. Nehmen wir seine Anordnungen und Richtlinien mit einer noch ungebrocheneren Fügsamkeit an. Bemühen wir uns, daß unsere Freunde und Bekannten – und wenn möglich auch die Medien – dem Stellvertreter Christi und dem Römischen Stuhl in Wort und Tat Respekt und Zustimmung bezeugen. Seien wir immer optimistisch, denn das Wort Gottes kann nicht unwirksam bleiben. Wie Benedikt XVI. sagte: „Der Herr vertraut Petrus die Aufgabe für die Brüder an, indem er sein Gebet zusagt. Der Auftrag des Petrus ist im Gebet Jesu verankert. Dies gibt ihm die Sicherheit, ihn durch alles menschliche Elend hindurch beharrlich zu erfüllen.“(6)

Der 21. November, das Fest Unserer Lieben Frau von Jerusalem, lädt uns ein, die vollkommene Hingabe Mariens an Gott von Kindheit an zu bedenken. Es ist dies eine gute Gelegenheit, eine tiefe Gewissenserforschung zu halten und unsere innersten Haltungen zu prüfen: Ist es unser innigster Wunsch, ganz Gott zu gehören? Bemühen wir uns verstärkt, der christlichen Berufung, die wir in der Taufe empfangen haben, sehr treu zu sein? Und bedenken wir auch, mit welcher Liebe wir, so oft es nötig ist, das Sakrament der Buße empfangen. Keine Schwierigkeit sollte uns dazu verleiten, es aufzuschieben.

Ein ebenfalls anstehendes geschichtliches Datum möchte ich nicht übergehen. Am genannten Marienfest wollte Unsere Liebe Frau in der Nacht vom 21. zum 22. November 1937, also vor genau 70 Jahren, dem heiligen Josefmaria in jenen harten Tagen des Übergangs über die Pyrenäen ein sichtbares Zeichen ihrer Nähe geben. Es war eine Rose aus gefaßtem Holz, die wahrscheinlich zu einem der Altäre der Kirche gehört hatte, neben der er die Nacht verbracht hatte.(7) Verbinden wir uns an diesem bedeutsamen Jahrestag besonders mit unserem Gründer, voll tiefer Dankbarkeit Gott und unserer Mutter gegenüber, die die Kirche, das Werk und jeden von uns immer beschützen.

Am Sonntag, dem 25. November, ist das Hochfest Christkönig. Ein weiteres Mal werden wir die Weihe des Opus Dei an das Heiligste und Barmherzige Herz Jesu erneuern, die der heilige Josefmaria zum ersten Mal im Oktober 1952 vollzog. Damals bat er vor allem um den Frieden für die Welt, die Kirche, das Werk und alle Menschen. Diese Bitte ist weiterhin aktuell und von großer Dringlichkeit. Und so wird es immer sein, denn die Menschheit kommt leicht vom Weg ab, der zu Gott führt. Die Folge davon ist, daß die Menschen, Frauen und Männer, den Frieden verlieren. Bittet bei der Erneuerung der Weihe Jesus darum, er möge vor allem den Verstand derer erleuchten, die die Länder regieren, damit sie sich für den Frieden einsetzen, für den wahren Frieden, der im Herzen eines jeden wurzelt und sich von dort nach außen hin ausbreitet.

Betet auch für Eure Brüder, die am Vorabend dieses Festes in Rom zu Diakonen geweiht werden. Mögen sie mit Gottes Hilfe sehr heilig sein!

Fast am Ende des Monats, am 28. November, werden wir voller Freude den 25. Jahrestag des päpstlichen Aktes feiern, mit dem Johannes Paul II. das Opus Dei als Personalprälatur errichtete. Wie viele Erinnerungen ruft die Betrachtung der Wohltaten in mir wach, die Gott uns im Laufe dieser Jahre geschenkt hat! Ich habe besonders unseren Vater vor Augen, der es mit Freude annahm, dieses sein besonderes Anliegen nicht erfüllt zu sehen, damit es zur Zeit seines Nachfolgers Wirklichkeit würde. Auch denke ich an den Glauben und die Stärke unseres geliebten Don Alvaro, der sich auf das Gebet und das Opfer so vieler Menschen auf der ganzen Welt stützte, damit der Himmel es uns gewährte. Ich möchte Euch in Erinnerung rufen, daß wir diese Zeiten nicht als ein goldenes Zeitalter in der Geschichte des Werkes ansehen können, in dem Sinne, daß man sich gerne und dankbar daran erinnert, daß es aber vorbei ist; diese Zeiten müssen immer hochaktuell sein, und das werden wir erreichen, wenn wir dem Geist des Opus Dei treu sind, wenn wir intensiv beten, wenn uns immer und überall ein apostolischer Eifer verzehrt.

Ihr werdet bereits erfahren haben, daß wir im Opus Dei ein marianisches Jahr leben werden, das vom nächsten 28. November bis zum selben Tag 2008 dauern wird. Wir tun es, weil es unser Wunsch ist, die Gottesmutter zu ehren – der „wir an allen Wegkreuzungen des Lebens begegnen, wo sie uns zulächelt“(8) –, und weil dieser Jahrestag und die Vorbereitung auf den 80. Jahrestag der Gründung des Werkes anstehen. Sicher werdet Ihr Euch über diesen Entschluß freuen. Ich möchte den Schritten von Don Alvaro folgen, den wir sehr schätzen und lieben – ich wiederhole es – und der als Vorbereitung der Goldhochzeit des Opus Dei ein marianisches Jahr festlegte, das später bis Ende 1980 verlängert wurde. Leben wir dieses neue marianische Jahr mit dem Geist, den uns der erste Nachfolger unseres Vaters hinterlassen hat, derselbe Geist, den er persönlich im heiligen Josefmaria verwirklicht gesehen hatte. Ich will Euch mit Worten aus dem Familienbrief, den er uns am 9. Januar 1978 schrieb, daran erinnern.

Er erzählt dort, wie er am letzten Tag des Jahres 1977 vor dem Grab unseres Gründers betete und dabei bedachte, daß das Jahr begann, in dem das Opus Dei sein goldenes Jubiläum feiern würde. Und er fragte sich: „Was werden wir tun, damit unsere Dankbarkeit kein flüchtiges Feuerwerk ist oder nur mit Worten bezeugt wird? Sollte sie sich nicht vielmehr in einem beständigen Qualitätssprung unseres inneren Lebens ausdrücken, das heißt, in einer alles umgreifenden größeren Einheit mit Gott?

Die Antwort ließ nicht auf sich warten. Ich merkte – ohne seltsame Dinge zu erleben –, daß unser Vater mir eine klare Eingebung zuteil werden ließ, die uns auch in ganz präziser Form die Richtung für das Jahr angab, das zu beginnen wir uns anschickten: Nehmt die Abkürzung, die ich Euch gezeigt habe, um Gott näherzukommen. Meine Töchter und Söhne, der Ratschlag ist eindeutig: Wir werden uns unter den Schutz der „Herrin mit dem liebenswerten Namen, Maria“ – wie unser Gründer im Rosenkranz schrieb – stellen; wir werden sie mehr lieben, wir werden häufiger unsere Zuflucht zu ihr nehmen; wir werden sie, die Tochter, Mutter und Braut Gottes und unsere Mutter, Tag für Tag durch unsere Hingabe ehren. Sie wird sie als Zeichen unserer Dankbarkeit der Heiligsten Dreifaltigkeit zu Füßen legen. In einem Wort, ich gelangte zu dem Schluß, daß es zu diesem Ziel hin – eine Zeit ununterbrochener und echter Dankbarkeit zu leben – der beste und Gott wohlgefälligste Weg ist, dieses Jahr als marianisches Jahr zu begehen.“(9)

Ahmen wir dieses gute Beispiel nach. Sehnen wir uns danach, jeden Tag in einen marianischen Tag zu verwandeln, durch die große Liebe, die wir unserer Mutter erweisen.

Auf den letzten Tag im November fällt das Fest des Apostels Andreas, des Bruders des Apostelfürsten, der in den Ostkirchen sehr verehrt wird. Bitten wir ihn um seine Fürsprache, daß alle, die sich Christen nennen, zur vollen Gemeinschaft mit dem Nachfolger Petri gelangen.

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(1) Vgl. Hl. Josefmaria, Der Weg, Nr. 86

(2) Benedikt XVI., Predigt, 1.11.2006

(3) Vgl. 1 Makk 3,2

(4) Mk 16, 15

(5) Hl. Josefmaria, Homilie Treue zur Kirche, 4.6.1972

(6) Benedikt XVI., Predigt, 29.6.2006

(7) Vgl. Andrés Vázquez de Prada, Der Gründer des Opus Dei, Bd. 2, S. 190–196

(8) Hl. Josefmaria, Aufzeichnungen aus einer Betrachtung, 11.10.1964

(9) Don Alvaro del Portillo, Familienbriefe, Bd. 2, Nr 131