Brief des Prälaten (März 2011)

Wir können dem Herrn jeden Tag unsere Bereitschaft zur Bekehrung zeigen. Die Fastenzeit ist ein ganz besonderer Moment, um auf Gott zuzugehen.

 „Nichts ist Gott so wohlgefällig und wird so von ihm geschätzt wie die Bekehrung zu ihm, die die Menschen in ehrlicher Reue vollziehen.“[1] Das sind Worte bleibender Aktualität, und das um so mehr in den kommenden Wochen, denn in acht Tagen beginnt die Fastenzeit. In der Liturgie von Aschermittwoch ruft die Kirche uns mit Worten des hl. Paulus liebevoll und eindringlich auf, dass ihr seine Gnade nicht vergebens empfangt. Denn es heißt: Zur Zeit der Gnade erhöre ich dich, am Tag der Rettung helfe ich dir. Jetzt ist sie da, die Zeit der Gnade; jetzt ist er da, der Tag der Rettung[2].

In einer christlichen Lebensauffassung „muss jeder Augenblick als begnadet gelten und jeder Tag ein Tag des Heils genannt werden“, sagt der Heilige Vater; „aber die Liturgie der Kirche bezieht diese Worte in ganz besonderer Weise auf die Fastenzeit“[3]. Die vor uns liegenden Wochen sind in besonderer Weise geeignet, uns zu Gott zurückzuführen, der uns durch seine Gnade an sich zieht. Bitten wir den Heiligen Geist, er möge uns erkennen lassen, wie ernst dieser Ruf ist, damit wir diese Tage nicht – wie es der hl. Josefmaria ausdrückte – „spurlos dahinfließen lassen wie Wasser über Granit“[4]. Versprechen wir unserem Herrn: „Ich will mich durchtränken lassen, mich bekehren, mich erneut dem Herrn zuwenden und ihn lieben, wie er geliebt werden will.“[5]

Denken wir dabei nicht nur an die Umkehr eines Sünders, der entschlossen ist, sich der Gnade zu öffnen und so vom geistlichen Tod zum LEBEN – in Großbuchstaben – überzugehen. Es sind auch tägliche Veränderungen, die einen Christen – eine Christin – Gott näherbringen und ihn dazu führen, durch den Empfang der Sakramente intensiver am Leben Christi teilzuhaben, sein Gebetsleben zu pflegen und konkret und wirksam dem geistlichen und materiellen Wohl der anderen zu dienen. Wie Benedikt XVI. sagte, „heißt Umkehr, gegen den Strom zu schwimmen, wobei der »Strom« der oberflächliche, inkonsequente und trügerische Lebensstil ist, der uns oft mit sich reißt, uns beherrscht und zu Knechten des Bösen oder jedenfalls zu Gefangenen moralischer Mittelmäßigkeit macht. Mit der Umkehr hingegen strebt man nach dem hohen Maßstab des christlichen Lebens, vertraut sich dem lebendigen und persönlichen Evangelium an, das Christus Jesus ist.“[6]

In der Kirche gibt es nach dem Willen Gottes viele Wege, viele Arten und Weisen, die aufeinander folgenden persönlichen Bekehrungen anzuregen, die für ein christliches Leben unbedingt erforderlich sind. Der hl. Josefmaria erinnert uns daran, dass diese geistlichen Umformungen beharrlich angestrebt werden müssen, oft sogar im Laufe ein und desselben Tages: „Neubeginnen? Ja! Du beginnst jedesmal von neuem, wenn du einen Reueakt verrichtest – und das sollte oft am Tage geschehen! –, weil du damit Gott deine erneuerte Liebe schenkst.“[7] Denken wir häufig daran, dass Gott in diesem Augenblick auf uns wartet? Nehmen wir uns die Zeit, ihn zu fragen, was er von uns möchte? Bewegt uns innerlich der Wunsch, eng mit Christus verbunden zu sein?

Heute möchte ich über zwei spezifische Mittel sprechen, die uns auf den Weg der Freundschaft mit der Heiligsten Dreifaltigkeit zurückführen. Es sind zum einen die Besinnungstage, die in der Fastenzeit an vielen Orten vermehrt angeboten werden. Natürlich gibt es sie nicht nur in diesen Wochen, aber viele Christen sehen den drängenden Aufruf zur Änderung des Lebens, der die Liturgie dieser Tage kennzeichnet, als Einladung an, in dieser Zeit an solchen Tagen der Besinnung teilzunehmen. Und dasselbe kann man von den monatlichen Einkehrstunden sagen, die unter den geistlichen Bildungsmitteln, die die Prälatur zahlreichen Menschen in der ganzen Welt anbietet, einen wichtigen Platz einnehmen.

Der hl. Josefmaria bemerkte, dass diese geistliche Praxis in der Kirche seit den ersten Zeiten geübt wurde. Immer wenn jemand sich auf eine Aufgabe vorbereitete oder einfach spürte, dass er dem Ruf der Gnade mit einer größeren Verfügbarkeit entsprechen sollte, versuchte er, häufigeren und innigeren Umgang mit Gott zu haben. „Schon die ersten Christen machten Besinnungstage. Nach der Himmelfahrt Christi finden wir die Apostel und eine große Schar von Gläubigen im Abendmahlssaal versammelt, die zusammen mit Maria die Ausgießung des Trösters erwarten, den Jesus versprochen hatte. Dort findet sie der Heilige Geist perseverantes unanimiter in oratione (Apg 1, 14), einmütig im Gebet verharrend.

Genau so verhielten sich jene Menschen, die in den Anfängen der Christenheit in ihren Häusern ein Gott hingegebenes Leben führten, ohne sich vom Umgang mit den anderen abzusondern; ebenso die Anachoreten, die in die Wüste gingen, um sich in der Einsamkeit vollkommen Gott … und der Arbeit! zuzuwenden (…). Alle Christen, die sich ehrlich um ihre Seele sorgten, haben auf die eine oder andere Art ihre Besinnungstage gemacht. Das ist christliche Praxis.“[8]

Seit den ersten Jahren des Werkes maß unser Gründer diesen Tagen, die ausschließlich dem Gebet und der Gewissenserforschung vorbehalten sind, große Bedeutung zu, denn beides ist notwendig, um das innere Leben in Gang zu halten. „Was werden wir, du und ich, also in diesen Tagen der Besinnung tun“? fragte er sich einmal und gab auch gleich die Antwort: „Wir werden viel mit Gott zusammen sein, ihn suchen wie Petrus, um ein persönliches inniges Gespräch mit ihm zu halten. Beachte, dass ich Gespräch sage, also ein Dialog von Angesicht zu Angesicht, in dem keiner der beiden sich in die Anonymität zurückzieht. Wir brauchen dieses persönliche Gebet, diese Zweisamkeit, diesen direkten Umgang mit Gott, unserem Herrn.“[9]

Zu Beginn seines Pontifikats sprach Benedikt XVI. wiederholt über den Wert solcher Tage geistlicher Besinnung, „besonders wenn sie in vollkommener Stille gemacht werden“[10]. Und in der traditionellen Botschaft zur diesjährigen Fastenzeit nimmt er Bezug auf das Evangelium des zweiten Sonntags, um dieses Thema anhand der Verklärung des Herrn aufzugreifen: „Es ist eine Einladung, vom Lärm des Alltags Abstand zu nehmen, um in die Gegenwart Gottes einzutauchen: Er möchte uns tagtäglich ein Wort zukommen lassen, das tief in unseren Geist eindringt, wo es Gut und Böse unterscheidet (vgl. Hebr 4,12), und das den Willen stärkt, dem Herrn nachzufolgen.“[11]

Damit diese Mittel „der Bildung und Umbildung“, wie unser Vater sie nannte, Frucht bringen, muss man alle Sinne und Vermögen sammeln; ohne dieses Bemühen ist es sehr schwierig – wenn nicht gar unmöglich –, das Licht, das der Heilige Geist in der Seele entzündet, wahrzunehmen und seine Stimme zu hören, die uns konkrete Kampfpunkte vorschlägt, um Christus von nahem zu folgen und in seinem Schrittmaß zu gehen.

Ich empfehle Euch daher, meine Töchter und Söhne, diesen Aspekt – das Schweigen, die Stille – während der monatlichen und jährlichen Einkehrtage nicht zu vernachlässigen. Gewiss können und sollen sie den jeweiligen konkreten Umständen derer, die an diesen Bildungstagen teilnehmen, angepasst werden. Es ist sicher nicht dasselbe, ob es sich um Menschen handelt, die schon eine gewisse Vertrautheit mit geistlichen Dingen haben, oder ob es solche sind, die die ersten Schritte im christlichen Leben tun. Wie der treue und kluge Verwalter, von dem das Evangelium erzählt, müssen wir es verstehen, zur rechten Zeit die Nahrung zuzuteilen[12].

Bei der Planung der verschiedenen apostolischen Angebote und der Betreuung der Teilnehmer gilt es, auf die Gestaltung dieser Tage der Einkehr zu achten. Bedenkt unter übernatürlicher Perspektive die konkrete Situation der Interessenten, auch wenn das bedeutet, mehr Besinnungstage anzubieten. Aus dem gleichen Grund gab unser Vater immer den Rat, Einkehrtage, Kreise usw. nicht ausfallen zu lassen, auch wenn weniger Leute daran teilnehmen als ursprünglich erwartet, ja, selbst wenn nur ein einziger kommt.

Wie wir in der Spur des Sämanns lesen, sollen die Besinnungstage ermöglichen, „in Stille sich zu sammeln, um neu zu Gott zu finden, um sich selbst zu finden und so innerlich zu reifen. Wir haben diese Zeit bitter nötig, damit wir entdecken, worin wir uns bessern müssen und wie das geschehen kann: Was soll ich tun? Was soll ich unterlassen?“[13] Und an diesen Tagen, sagt der hl. Josefmaria an anderer Stelle, „muss deine Gewissenserforschung tiefer und ausgedehnter sein als sonst normalerweise am Abend. – Wenn nicht, versäumst du eine große Gelegenheit zur Umkehr.“[14]

Die Liturgie der Fastenzeit gibt uns genügend Materie für das Gebet, wie der Heilige Vater in seiner Botschaft hervorhebt. Die Szene der Versuchungen Christi in der Wüste, die wir am ersten Sonntag lesen, erinnert uns daran, „dass der christliche Glaube, nach dem Beispiel Jesu und in Gemeinschaft mit ihm, einen Kampf „gegen die Beherrscher dieser finsteren Welt“ (Eph 6,12) einschließt, in welcher der Teufel am Werk ist, der auch heute nicht müde wird, den Menschen, der sich dem Herrn nähern will, zu versuchen“[15]. Machen wir uns daher Gedanken, wie wir uns auf diesen Kampf vorbereiten, und vertrauen wir dabei auf die übernatürlichen Mittel. Der hl. Josefmaria schlug uns eine ganz übernatürliche Taktik vor: „Du führst den Krieg, die täglichen Gefechte deines inneren Lebens, in Stellungen, die weit vor den schweren Mauern deiner Festung liegen. Hier muss der Feind antreten, bei deiner kleinen Abtötung, deinem gewohnten Gebet, deiner normalen Arbeit, deinem Lebensplan. Dann fällt es ihm schwer, an die leicht erstürmbare Zitadelle deiner Festung heranzukommen. – Und wenn, dann erschöpft.“[16]

Am darauffolgenden Sonntag werden wir die Stimme des himmlischen Vaters hören, die uns auf Christus verweist: Das ist mein geliebter Sohn, an dem ich Gefallen gefunden habe; auf ihn sollt ihr hören.[17] Achten wir im persönlichen Gebet auf das, was Gott jedem von uns sagt, um es zu verwirklichen. Dort erkennen wir auch, ob wir uns auf die Gnade der Sakramente stützen und wie wir die Ratschläge annehmen, die wir in der persönlichen geistlichen Leitung erhalten.

Am dritten Fastensonntag schließlich, am 27. März, hören wir in der Liturgie die „Bitte Jesu an die samaritische Frau: „Gib mir zu trinken!“ (Joh 4,7 (…). Sie drückt die Leidenschaft Gottes für jeden Menschen aus und möchte in unserem Herzen den Wunsch nach dem Geschenk der „sprudelnden Quelle […], deren Wasser ewiges Leben schenkt“ (ebd. 14)“[18]. Möchten wir doch mit neuem Eifer die Aufforderung verspüren, immer vor Augen zu haben, dass wir als seine Jünger sein Licht und seine Gnade überall verbreiten sollen; vor allem dadurch, dass wir unseren Freunden und Verwandten helfen, sich im Sakrament der Vergebung mit Gott zu versöhnen; und auch, indem wir sie einladen, in den kommenden Wochen an Einkehrstunden oder Besinnungstagen teilzunehmen.

Wir stehen kurz vor dem Hochfest des hl. Josef, des Patrons der Kirche und des Werkes. Bereiten wir uns vor, am 19. März dankbar und froh unsere Liebesbindung an Gott im Werk zu erneuern. Zugleich wollen wir auch vertrauensvoll den heiligen Patriarchen bitten, er möge von Gott die Gnade erwirken, dass sich viele Männer und Frauen jeden Alters und aller gesellschaftlichen Stellungen entschließen, Christus im Opus Dei zu folgen.

Außerdem fällt auf dieses Datum ein weiterer Jahrestag der feierlichen Verkündigung der Apostolischen Konstitution Ut sit; mit dieser Bulle errichtete der hochgeschätzte Papst Johannes Paul II. das Opus Dei als Personalprälatur; in der– so legte er fest –Priester und Laien organisch zusammenarbeiten, um die göttliche Eingebung in der Seele des hl. Josefmaria am 2. Oktober 1928 Wirklichkeit werden zu lassen. Das klare Bewusstsein, dass diese Rechtsgestalt durch den Willen des Heiligen Geistes im Zweiten Vatikanischen Konzil entstanden ist, um einen Weg für besondere pastorale Bedürfnisse der Kirche zu eröffnen, verpflichtet uns zu unerschütterlicher Treue.

Am 28. März ist der Jahrestag der Priesterweihe unseres Vaters. Danken wir der Heiligsten Dreifaltigkeit, denn jeder von uns ist wirklich ein Kind der Bereitschaft unseres Gründers, Priester Jesu Christi zu werden. Ohne seine großzügige und umfassende Annahme des göttlichen Willens gäbe es kein Opus Dei in der Kirche. Die Gründung des Werkes geschah als Antwort auf die Frage: Warum werde ich Priester?, die sich unser Vater während seiner Jahre im Priesterseminar von Saragossa stellte und die der tiefste Grund war für seine Entschlossenheit, diesen Weg einzuschlagen und weiter zu gehen.

Beten wir – mit seiner Fürsprache – für mehr Priesterberufungen in allen Ländern: für Männer, die treu und in Gott verliebt sind, die sich freudig dem Dienst an allen Menschen widmen, die zum Papst stehen und mit seinen jeweiligen Diözesanbischöfen eng zusammenarbeiten. Mögen auch im Werk die Priester nicht fehlen, die zur Betreuung der apostolischen Arbeit, um die Gott uns bittet, nötig sind. Bitten wir die Heiligste Dreifaltigkeit auch inständig darum, dass alle Katholiken, Männer und Frauen, die priesterliche Seele nähren, die Gott ihnen eingepflanzt hat.

Hört nicht auf, für den Papst und seine Mitarbeiter zu beten; tut dies besonders in der ersten Fastenwoche, wenn in der römischen Kurie geistliche Exerzitien gehalten werden. Auch wir werden diese Zeit für unsere jährlichen Besinnungstage nutzen. Ich hoffe aus ganzem Herzen, dass Ihr mich während dieser Tage geistlich begleitet; es macht mir nichts aus, Euch zu sagen, dass ich den Herrn täglich anrufe, damit niemand den Gnadenstrom vergebens empfängt, den Gott uns durch diese Mittel gewährt.

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[1] Maximus der Bekenner, Epístola 11 (PG 91, 454)

[2] Messbuch, Aschermittwoch, Zweite Lesung (2 Kor 6, 1-2)

[3] Benedikt XVI., Ansprache bei der Generalaudienz, 17.2.2010

[4] Hl. Josefmaria, Christus begegnen, Nr. 59

[5] Ebd. [6] Benedikt XVI., Ansprache bei der Generalaudienz, 17.2.2010

[7] Hl. Josefmaria, Im Feuer der Schmiede, Nr. 384

[8] Hl. Josefmaria, Aufzeichnungen aus einer Betrachtung, 25.2.1963

[9] Ebd.

[10] Benedikt XVI., Ansprache an eine Gruppe von Bischöfe anlässlich ihres „Ad-limina“-Besuches, 26.11.2005

[11] Benedikt XVI., Botschaft zur Fastenzeit 2011, 4.11.2010, Nr. 2

[12] Lk 12, 42

[13] Hl. Josefmaria, Die Spur des Sämanns, Nr. 177

[14] Hl. Josefmaria, Der Weg, Nr. 245

[15] Benedikt XVI., Botschaft zur Fastenzeit 2011, 4.11.2010, Nr. 2

[16] Hl. Josefmaria, Der Weg, Nr. 307

[17] Mt 17, 5

[18] Benedikt XVI., Botschaft zur Fastenzeit 2011, 4.11.2010, Nr. 2