JESUS war zum Essen in das Haus eines hochrangigen Pharisäers eingeladen. Nachdem er die Gäste ermahnt hat, sich nicht gleich die besten Plätze zu suchen (vgl. Lk 14,8-11), wendet er sich an den Gastgeber und sagt: Wenn du mittags oder abends ein Essen gibst, lade nicht deine Freunde oder deine Brüder, deine Verwandten oder reiche Nachbarn ein; sonst laden auch sie dich wieder ein und dir ist es vergolten (Lk 14,12). Nachdem er zu den Anwesenden zuvor über Demut gesprochen hat, zeigt er nun, dass echte Demut immer von Liebe begleitet wird.
Es mag überraschen, dass Jesus diese Lehre bei einem Festmahl vorträgt, doch nutzt er gerade diesen Anlass, um zu vermitteln, was er selber später tun wird: sich in äußerster Demut und ohne Erwartung einer Gegenleistung am Kreuz hingeben. Er möchte, dass die Anwesenden in diese neue Logik eintreten, die im Gegensatz zu einer rein selbstbezogenen Haltung steht und den Weg zum wahren Glück weist. Der heilige Josefmaria formulierte es so: „Je großzügiger du bist, aus Liebe zu Gott, desto glücklicher wirst du sein.“1
In diesem Sinne rief auch der heilige Johannes Paul II. bei einer Begegnung mit jungen Menschen aus: „Habt keine Angst! Gott lässt sich an Freigebigkeit nicht übertreffen! Ich freue mich, nach fast sechzig Priesterjahren vor euch allen zu bezeugen: Es ist wunderbar, sich bis zum Ende für das Reich Gottes hinzugeben! (...) Tragt das Kreuz Christi in euren Händen, habt Worte des Lebens auf euren Lippen; und in euren Herzen die heilbringende Gnade des auferstandenen Herrn.“2
WENN DU ein Essen gibst, dann lade Arme, Verkrüppelte, Lahme und Blinde ein. Du wirst selig sein, denn sie haben nichts, um es dir zu vergelten, sagt Jesus; es wird dir vergolten werden bei der Auferstehung der Gerechten (Lk 14,14). Wir wissen, dass die Auferstehung auf geheimnisvolle Weise Gottes „Entlohnung“ sein wird; wir werden zurückerhalten, was wir hingegeben haben, und zwar in vollem Umfang. Auch wenn es scheint, als gäben wir unser Leben hin, empfangen wir es in Wahrheit neu aus den Händen von Gott Vater. Der heilige Thomas von Aquin drückte es so aus: „Gott selbst ist der Lohn und das Ziel all unserer Mühen.“3
In dieser Evangelienstelle ermutigt uns Jesus, uns auch von einem möglichen berechtigten Dank zu lösen. Es geht nicht darum, ihn abzulehnen, sondern darum, ihn nicht zum Hauptgrund unseres Handelns zu machen. Der Herr lädt uns ein, seine Art und Weise, andere zu lieben und sich ihnen zu schenken, zu entdecken, nämlich ohne den Einsatz und die Gegenleistung aufzurechnen. Wer so liebt, genießt die Liebe viel mehr, weil er sie auch frei, bedingungslos und unberechnet empfängt.
Der heilige Josefmaria betrachtete einmal die unentgeltliche Liebe Gottes zu uns Menschen und erkannte den immensen Wert selbst der kleinsten Dinge, die wir für Gott tun, auch wenn sie im Vergleich zu dem, was wir empfangen haben, gering erscheinen. „Man könnte meinen, dass wir Gott im gewöhnlichen Leben nur wenig anbieten können: kleine Dinge, scheinbar unbedeutende Gesten. Ein Kind, das seinem Vater Freude machen will, schenkt ihm, was es besitzt: einen kaputten Spielzeugritter, eine leere Garnspule, ein paar Steinchen, zwei Knöpfe – all seine Schätze. Der Vater kümmert sich nicht um den Wert des Geschenks; er ist dankbar und drückt das Kind liebevoll an sein Herz. So sollen wir vor Gott handeln, denn selbst die kleinsten Gesten werden groß durch die Liebe.“4
ES FÄLLT uns manchmal schwer, die bedingungslose Liebe Gottes wirklich anzunehmen, weil wir oft einer Denkweise verhaftet sind, die die Logik der Unentgeltlichkeit kaum kennt. Wir denken vielleicht, dass nur verdienstvolle Taten und Anstrengungen legitime Wege sind, um einen gewissen Wert zu erlangen. Doch solange wir in einer rein menschlichen, „kommerziellen“ Logik bleiben, geschieht es leicht, wie Papst Franziskus einmal predigte, „dass das Herz schrumpft, sich verschließt und außerstande ist, so viel unentgeltliche Liebe aufzunehmen“. Deshalb beten wir mit dem Heiligen Vater: „Möge unser Leben der Heiligkeit eine Erweiterung unseres Herzens sein, sodass die Unentgeltlichkeit Gottes, die Gnaden Gottes, die unentgeltlich da sind und die er uns schenken will, unser Herz erreichen können.“5
Im Evangelium hören wir, dass Jesus einst jene zu seinem Festmahl einladen wird, die ihn auf Erden nicht bezahlen können. Und das macht Sinn, denn wie könnten wir Gott je vergelten, was er uns in der Eucharistie, in der Beichte, in den Sakramenten und in all seinen Gaben schenkt? Wenn wir uns auf den Empfang der Sakramente vorbereiten, geht es daher nicht darum, Gottes Großmut zu „bezahlen“, sondern unsere Seele zu weiten, damit diese Gaben unser Leben erfüllen und uns dazu führen, so zu lieben wie er.
Der heilige Josefmaria sagte, dass „unser Herr kein trockenes Herz hatte, sondern ein Herz von unendlicher Tiefe, das danken und lieben konnte“6. Jesus schätzt die kleinen und großen Gesten, mit denen wir ihm unsere Liebe zeigen möchten. Bitten wir Maria um ihre Hilfe, damit unser Herz mehr und mehr wird wie das ihre: weit geöffnet für die Unentgeltlichkeit und die Pläne Gottes.
1 Hl. Josefmaria, Die Spur des Sämanns, Nr. 18.
2 Hl. Johannes Paul II., Ansprache, 5.6.2004, 5.
3 Hl. Thomas v. Aquin, Über das Glaubensbekenntnis, 12, l.c.
4 Hl. Josefmaria, Brief 1, Nr. 19.
5Franziskus, Tagesmeditation, 11.6.2019.
6 Zitiert in J. Echevarría, Memoria del Beato Josemaría Escrivá, Rialp, 2. Aufl., Madrid 2000, S. 106.