Betrachtungstext: 29. Woche im Jahreskreis – Mittwoch

Vorliebe für den Himmelsstaat – Unsere Mühen auf den Herrn richten – Liebe zur Beichte

IM BRIEF an die Römer ermahnt der heilige Paulus die Christen, sich von der Macht der Sünde zu befreien und ihr Leben ganz in den Dienst Gottes zu stellen: Die Sünde soll nicht mehr in eurem sterblichen Leib herrschen, sodass ihr seinen Begierden gehorcht. Stellt eure Glieder nicht der Sünde zur Verfügung als Waffen der Ungerechtigkeit, sondern stellt euch Gott zur Verfügung als Menschen, die aus Toten zu Lebenden geworden sind, und stellt eure Glieder als Waffen der Gerechtigkeit in den Dienst Gottes! (Röm 6,12-13).

Der heilige Paulus wusste, wie viele andere Heilige auch, dass die Sünde viel verspricht und wenig hält; dass sie uns viel nimmt und wenig gibt; dass sie hohe Erwartungen weckt und nur Bitterkeit hinterlässt. Die Sünde verleiht dem Menschen scheinbare Macht, lässt ihn aber schrittweise der göttlichen Herrschaft misstrauen, bis Gottes Gegenwart am Horizont seines Lebens verblasst. Wie der heilige Augustinus schrieb: „Zweierlei Liebe hat die beiden Staaten gegründet: und zwar den Weltstaat die bis zur Verachtung Gottes gesteigerte Selbstliebe, den Himmelsstaat die bis zur Verachtung seiner selbst gehende Gottesliebe. Kurz gesagt: Der eine rühmt sich in sich selbst, der andere rühmt sich im Herrn.“1 Oft zeigt uns die Versuchung die vermeintlichen Vorteile der Sünde, doch sie verschweigt immer das Gute, das wir verlieren, den Schaden, den wir anrichten, und die Beziehung zu Gott, die wir aufs Spiel setzen.

Je mehr wir in unserem Leben Position beziehen – ob in Gesellschaft, im Beruf oder privat –, werden wir zu dem, was wir wählen. Wir identifizieren uns mit dem Gegenstand unserer Entscheidungen und entwickeln eine Sympathie für die realen oder scheinbaren Güter, die wir verfolgen. Wenn wir uns für die Sünde entscheiden, entwickeln wir eine Sympathie für den Weltstaat. Wenn wir uns für das Gute entscheiden, auch wenn es manchmal schwierig ist, entwickelt unser Herz eine Wesensgleichheit mit dem Guten und eine Vorliebe für den Himmelsstaat. So erlangen wir eine Freiheit, die, wie Papst Franziskus sagte, „eine neue, geistliche Sicht auf die irdischen Wirklichkeiten ermöglicht. Es ist die Freiheit, Gott und unsere Brüder und Schwestern mit reinem Herzen zu lieben und in freudiger Hoffnung auf das Kommen des Reiches Christi zu leben.“2


IN SEINER PREDIGT erinnert Jesus die Menschen daran, dass es möglich und notwendig ist, die richtigen Entscheidungen zu treffen und das Herz so zu bilden, dass es seine Gebote gerne befolgt. Um diese Botschaft zu veranschaulichen, erzählt er das Gleichnis vom Verwalter, dem sein Herr die Verantwortung für sein Anwesen anvertraut. Der Verwalter glaubte, sein Herr würde lange nicht zurückkehren, und handelte eigennützig und grausam. Doch der Herr kam unerwartet zurück, fand den Verwalter inmitten seines schlechten Tuns und bestrafte ihn hart. Der Verwalter hatte sich fälschlicherweise in Sicherheit gewiegt, als ob er die Situation unter Kontrolle hätte und sich im letzten Moment noch rechtfertigen könnte. Das Gleichnis verdeutlicht, wie trügerisch diese Sicherheit war.

Unser Herz auf das Gute auszurichten, ist ein Prozess, der Zeit braucht. Der Herr schenkt uns, wie dem Verwalter, eine Zeitspanne, in der wir mit seiner Gnade und unserer Freiheit lernen können, unsere Bemühungen und Wünsche auf ihn auszurichten. Dies ist der Weg zu wahrhaftigem Glück, das aus einer lebendigen Beziehung zu Gott erwächst. Diese Ausrichtung hat konkrete Auswirkungen auf unser tägliches Leben, die, wenn wir sie authentisch leben, uns die Freude entdecken lassen, die Gott uns schenkt. Papst Franziskus illustriert dies mit einem Beispiel: „Wenn ein junger Mann den Wunsch hat, Arzt zu werden, muss er Jahre des Studiums absolvieren, was bedeutet, dass er Einschränkungen in Kauf nehmen muss. Er muss ,nein‘ sagen zu anderen Studien und auch zu manchen Vergnügungen, besonders in Zeiten intensiven Lernens. Doch die Sehnsucht, seinem Leben eine Richtung zu geben und sein Ziel zu erreichen – Arzt zu werden – motiviert ihn, diese Schwierigkeiten zu überwinden. Diese Sehnsucht macht ihn stark und mutig und lässt ihn weiter vorangehen.“3

Der heilige Josefmaria sprach von Heiligkeit als einem Kampf: ein Weg, der Herausforderungen, aber auch tiefen Frieden bringt. „Wo Liebe ist, dort gibt es Ganzheit: die Fähigkeit zur Hingabe, zum Opfer und Verzicht. Und inmitten dieser Hingabe, Opfer und Widrigkeiten finden wir Freude – eine Freude, die uns niemand nehmen kann.“4


EIN BESONDERES MITTEL, das Gott uns geschenkt hat, um unser Herz ihm zuzuwenden, ist die Beichte. In diesem Sakrament begegnet uns Jesus, der uns Mut macht. Der Psalm sagt: Unsere Hilfe ist im Namen des Herrn, der Himmel und Erde erschaffen hat (Ps 124,8). Im Namen des Herrn vergibt uns der Priester unsere Sünden. Für jemanden, der nach langer Zeit zur Beichte zurückkehrt, ist dies ein bewegender Moment. Wer hingegen regelmäßig beichtet, könnte den Eindruck gewinnen, dass sie zur bloßen Routine geworden ist. Doch der heilige Josefmaria erinnerte uns daran, dass „der Herr das Sakrament der Buße nicht nur eingesetzt hat, um uns die Sünden zu vergeben, sondern auch um uns Kraft zu schenken und uns die Gelegenheit zu geben, Orientierung und geistliche Hilfe zu empfangen“5. Selbst wenn uns unsere Beichte manchmal eintönig erscheint, schenkt uns Gott dennoch in diesem Sakrament seine Gnade, um uns für den täglichen Kampf zu rüsten und uns von der Last der Sünde zu befreien. Der heilige Josefmaria ermutigt uns: „Ich möchte, dass ihr Rebellen seid, frei von jeder Fessel, denn ich möchte – Christus möchte! –, dass wir Kinder Gottes sind. Sklaverei oder Gotteskindschaft: Hierin liegt das Dilemma unseres Lebens.“6

In jeder Beichte begegnen wir dem liebenden Vater, der uns sehnsüchtig erwartet, wie im Gleichnis vom verlorenen Sohn. Papst Franziskus sagt dazu: „Oft denken wir, Beichte bedeute, mit gesenktem Haupt vor Gott zu treten. Doch es ist nicht so sehr unser Schritt zu ihm, sondern sein Kommen zu uns, um uns mit seiner Gnade und Freude zu erfüllen. Beichten heißt, dem Vater die Freude zu bereiten, dass wir uns von ihm wiederaufrichten lassen. Im Zentrum stehen nicht unsere Sünden – ja, sie sind da, aber sie sind nicht das Wesentliche –, sondern seine Vergebung: das ist das Entscheidende.“7 Deshalb betonte der heilige Josefmaria immer wieder, wie wichtig es sei, dieses Sakrament zu lieben: „Es macht mir große Freude, dieses Gnadenmittel zu empfangen, denn ich weiß, dass der Herr mir verzeiht und mich mit neuer Kraft erfüllt. Und ich bin überzeugt, dass die fromme Praxis der Beichte uns lehrt, mehr Reue zu empfinden und somit mehr Liebe.“8 Wir bitten Maria, unsere Mutter, uns zu helfen, dass wir bei jedem Empfang der Beichte die Freude erleben, ins Haus des Vaters zurückzukehren.


1 Hl. Augustinus, Über den Gottesstaat, 14, 28.

2 Franziskus, Predigt, 15.8.2014.

3 Franziskus, Audienz, 12.10.2022.

4 Hl. Josefmaria, Christus begegnen, Nr. 75.

5 Hl. Josefmaria, Aufzeichnungen von einer Betrachtung, 8.10.1972, zitiert in Alltag und Heiligkeit in der Lehre des heiligen Josefmaria (III), E. Burkhart – J. López, S. 499.

6 Hl. Josefmaria, Freunde Gottes, Nr. 38.

7 Franziskus, Predigt, 25.3.2022.

8 Hl. Josefmaria, Allein mit Gott, Nr. 259.