09. Die Menschwerdung

Die Menschwerdung ist der größte Liebeserweis Gottes zu den Menschen, denn die zweite Person der heiligsten Dreifaltigkeit – Gott – nimmt die menschliche Natur in die Einheit der Person auf.

1. Das Werk der Menschwerdung

Die Annahme der menschlichen Natur Christi durch die Person des Wortes ist Werk der drei göttlichen Personen. Die Inkarnation Gottes ist die Fleischwerdung des Sohnes, nicht die des Vaters noch die des Heiligen Geistes. Trotzdem war die Menschwerdung ein Werk der ganzen Dreifaltigkeit. In der Heiligen Schrift wird sie daher bisweilen dem Vater zugeschrieben ( Hebr 10,5; Gal 4,4) oder dem Sohn selbst ( Phil 2,7) oder dem Heiligen Geist (Lk 1,35; Mt 1,20). So wird deutlich, dass die Fleischwerdung ein einziger, den drei göttlichen Personen gemeinsamer Akt ist. Der heilige Augustinus erklärt: „Dass Maria empfangen und geboren hat, ist das Werk der Dreifaltigkeit, denn die Werke der Dreifaltigkeit sind voneinander untrennbar“ i. Es handelt sich in der Tat um ein göttliches Werk ad extra. Seine Wirkungen liegen also außerhalb Gottes, in den Geschöpfen, denn das göttliche Sein ist eines und ein einziges, und es ist die göttliche Allmacht (vgl. KKK, 258).

Die Menschwerdung des Wortes schränkt die Freiheit Gottes nicht ein, denn er hätte auch entscheiden können, dass das Wort nicht Fleisch annimmt oder dass eine andere göttliche Person dies tut. Wenn man sagt, dass Gott unendlich frei ist, dann sagt man damit nicht, dass seine Entscheide Willkür sind, noch bestreitet man, dass das Motiv für Gottes Handeln die Liebe ist. Die Theologen suchen daher nach Konvenienzgründen, die man hinter den Entscheiden Gottes, wie sie in der gegebenen Heilsökonomie zutage treten, erahnen kann. Sie trachten damit nur danach, die wunderbare Weisheit und innere Stimmigkeit des Handelns Gottes in allen seinen Werken aufzuzeigen, ohne in Gott eine Notwendigkeit anzunehmen.

2. Die Jungfrau Maria, Mutter Gottes

Die Jungfrau Maria ist im Hinblick auf die Menschwerdung des Wortes von Ewigkeit her dazu bestimmt worden, die Mutter Gottes zu sein. Maria „ist im Geheimnis Christi bereits vor der Erschaffung der Welt ‚ gegenwärtig als diejenige, die der Vater als Mutter seines Sohnes in der Menschwerdung erwählt’ hat und die zusammen mit dem Vater auch der Sohn erwählt hat, indem er sie von Ewigkeit her dem Geist der Heiligkeit anvertraute“ ii. Die göttliche Erwählung respektiert die Freiheit Mariens, denn der „Vater der Erbarmungen wollte, dass vor der Menschwerdung die vorherbestimmte Mutter ihr empfangendes Ja sagte, damit auf diese Weise, so wie eine Frau zum Tode beigetragen hat, auch eine Frau zum Leben beitrüge (LG 56; vgl. 61)“ (KKK, 488). Darum haben die Kirchenväter von Alters her in Maria die neue Eva gesehen.

„Da Maria zur Mutter des Erlösers ausersehen war, ‚ist sie von Gott mit den einer solchen Aufgabe entsprechenden Gaben beschenkt worden’ (LG 56)“ (KKK, 490). Im Augenblick der Verkündigung grüßt sie der Erzengel Gabriel als ‚Begnadete’ ( Lk 1,28). Noch ehe das Wort Fleisch annahm, war Maria aufgrund ihrer Mitwirkung mit den Gaben Gottes bereits voll der Gnade. Die Gnade, die Maria empfangen hat, macht sie Gott wohlgefällig und bereitet sie darauf vor, die jungfräuliche Mutter des Erlösers zu werden. Ganz von Gottes Gnade erfüllt, konnte sie ihre Zustimmung zur empfangenen Berufung geben (KKK, 490). „Indem Maria dem Worte Gottes ihre Zustimmung gab, wurde sie zur Mutter Jesu. Sie machte sich aus ganzem Herzen, ohne dass eine Sünde sie davon abgehalten hätte, den göttlichen Heilswillen zu eigen und gab sich ganz der Person und dem Werk ihres Sohnes hin, um mit der Gnade Gottes in Abhängigkeit vom Sohn und in Verbundenheit mit ihm dem Erlösungsgeheimnis zu dienen (vgl. LG 56)“ (KKK, 494). „Die ostkirchlichen Väter nennen die Gottesmutter ‚die Ganzheilige’ und „preisen sie als ‚von jeder Sündenmakel frei, gewissermaßen vom Heiligen Geist gebildet und zu einer neuen Kreatur gemacht‘ (LG 56). Durch die Gnade Gottes ist Maria während ihres ganzen Lebens frei von jeder persönlichen Sünde geblieben“ (KKK, 493).

Maria war von ihrer Empfängnis an erlöst: „Das bekennt das Dogma von der unbefleckten Empfängnis, das 1854 vom sel. Papst Pius IX. verkündigt wurde: ‘… dass die seligste Jungfrau Maria im ersten Augenblick ihrer Empfängnis durch die einzigartige Gnade und Bevorzugung des allmächtigen Gottes im Hinblick auf die Verdienste Christi Jesu, des Erlösers des Menschengeschlechtes, von jeglichem Makel der Urschuld unversehrt bewahrt wurde’ (Bulle Ineffabilis Deus : DS 2803)” (KKK, 491). In der unbefleckten Empfängnis zeigt sich die freigebige Liebe Gottes, denn sie war Initiative Gottes und nicht Verdienst Mariens, sondern Verdienst Christi. „Dass sie vom ‚ersten Augenblick ihrer Empfängnis an im Glanz einer einzigartigen Heiligkeit’ erstrahlt (LG 56), kommt ihr nur Christi wegen zu: Sie wurde ‚im Hinblick auf die Verdienste ihres Sohnes auf erhabenere Weise erlöst’ (LG 53)“ (KKK, 492).

Die heilige Maria ist die Mutter Gottes: „Der, den sie durch den Heiligen Geist als Menschen empfangen hat und der dem Fleische nach wirklich ihr Sohn geworden ist, ist ja kein anderer als der ewige Sohn des Vaters, die zweite Person der heiligsten Dreifaltigkeit. Die Kirche bekennt, dass Maria wirklich Mutter Gottes ist (vgl. DS 251 und 252)“ (KKK, 495). Sie hat natürlich nicht die Gottheit, sondern den menschlichen Leib des Wortes hervorgebracht, mit dem sich sofort die vernunftbegabte Seele verband, die wie alle Seelen von Gott erschaffen wurde, so dass Maria Ursprung jener menschlichen Natur war, die in eben diesem Augenblick vom Wort angenommen wurde.

Maria war allezeit Jungfrau. Von Alters her bekennt die Kirche im Credo und feiert in ihrer Liturgie, „dass Maria stets wirklich Jungfrau geblieben ist“ (KKK, 499; vgl. ebd., 496-507). Dieser Glaube der Kirche spiegelt sich in der uralten Formel wider: „Jungfrau vor der Geburt, bei der Geburt und nach der Geburt“. „Schon in den ersten Formulierungen des Glaubens hat die Kirche bekannt, dass Jesus einzig durch die Kraft des Heiligen Geistes im Schoß der Jungfrau Maria empfangen wurde. Auch der leibliche Aspekt dieses Geschehens wurde mitausgesagt: Sie hat Jesus ‚ohne Samen aus dem Heiligen Geist empfangen’ (Synode im Lateran 640, Kan. 3; DS 503)“ (KKK, 496). Maria blieb auch bei der Geburt Jungfrau, da sie „ihn ebenso in unversehrter Jungfräulichkeit gebar, wie sie ihn in unversehrter Jungfräulichkeit empfing (....). Jesus Christus wurde aus einem jungfräulichen Schoß „wunderbar“ geboren“ iii. „Durch seine Geburt hat ihr Sohn ‚ihre jungfräuliche Unversehrtheit nicht gemindert, sondern geheiligt’ (LG 57)“ (KKK, 499). Maria blieb auch nach der Geburt allzeit Jungfrau. Die Kirchenväter haben in ihren Kommentaren zum Evangelium und in ihren Antworten auf diverse Einwände diese Tatsache immer betont, die die völlige Verfügbarkeit und absolute Hingabe Mariens an den Heilsratschluss Gottes offenbart. Der heilige Basilius fasst zusammen, wenn er schreibt: „Wir als Christusfreunde können es nicht hören, dass die Gottesgebärerin einmal aufgehört hat, Jungfrau zu sein“ iv.

Maria wurde in den Himmel aufgenommen. „Schließlich wurde die unbefleckte Jungfrau, von jedem Makel der Erbsünde unversehrt bewahrt, nach Vollendung des irdischen Lebenslaufs mit Leib und Seele in die himmlische Herrlichkeit aufgenommen und als Königin des Alls vom Herrn erhöht, um vollkommener ihrem Sohn gleichgestaltet zu sein, dem Herrn der Herren (...) und dem Sieger über Sünde und Tod“ v. Die Himmelfahrt Mariens ist Vorwegnahme der Auferstehung der anderen Christen (vgl. KKK, 966). Die Königinwürde Mariens gründet auf ihrer Gottesmutterschaft und ihrer Mitwirkung am Erlösungswerk vi. Am 1. November 1954 hat Pius XII. das Fest Maria Königin eingeführt vii.

Maria ist die Mutter des Erlösers. Darum zieht ihre Gottesmutterschaft auch ihre Mitwirkung am Heil der Menschen nach sich. „So ist die Adamstochter Maria, dem Wort Gottes zustimmend, Mutter Jesu geworden. Sie umfing den Heilswillen Gottes mit ganzem Herzen und von Sünde unbehindert und gab sich als Magd des Herrn ganz der Person und dem Werk ihres Sohnes hin und diente so unter ihm und mit ihm in der Gnade des allmächtigen Gottes dem Geheimnis der Erlösung. Mit Recht also sind die heiligen Väter der Überzeugung, dass Maria nicht bloß passiv von Gott benutzt wurde, sondern in freiem Glauben und Gehorsam zum Heil der Menschen mitgewirkt hat“ viii. Diese Mitwirkung zeigt sich auch in ihrer geistlichen Mutterschaft. Maria, die neue Eva, ist wirklich Mutter der Menschen in der Ordnung der Gnade, weil sie bei der Erweckung des Gnadenlebens und bei der geistlichen Entwicklung der Gläubigen mitwirkt. Maria hat „beim Werk des Erlösers in durchaus einzigartiger Weise in Gehorsam, Glaube, Hoffnung und brennender Liebe mitgewirkt zur Wiederherstellung des übernatürlichen Lebens der Seelen. Deshalb ist sie uns in der Ordnung der Gnade Mutter“ ix (vgl. KKK, 968). Maria ist auch Mittlerin. Ihre mütterliche Vermittlung, die immer der einzigartigen Mittlerschaft Christi untergeordnet bleibt, begann mit ihrem fiat bei der Verkündigung und setzt sich im Himmel fort, denn „in den Himmel aufgenommen, hat sie diesen heilbringenden Auftrag nicht aufgegeben, sondern fährt durch ihre vielfältige Fürbitte fort, uns die Gaben des ewigen Heils zu verschaffen… Deshalb wird die selige Jungfrau in der Kirche unter den Titeln der Fürsprecherin, der Helferin, des Beistandes und der Mittlerin angerufen“ x (KKK, 969).

Maria ist Urbild und Vorbild der Kirche. „Die Jungfrau Maria (ist) für die Kirche das Vorbild des Glaubens und der Liebe. Daher ist sie ‚schlechthin herausragendes und geradezu einzigartiges Glied der Kirche’ (LG 53); sie stellt das ‚Urbild der Kirche’ (LG 63) dar“ (KKK, 967). Am 21.11.1964 hat Paul VI. Maria feierlich zur Mutter der Kirche ernannt, um ausdrücklich die mütterliche Funktion zu unterstreichen, die sie für das christliche Volk ausübt xi.

Aus allen diesen Darlegungen ergibt sich, dass die Verehrung der Jungfrau Maria in der Kirche ein wesentliches Element des christlichen Kultes darstellt xii. Die heiligste Jungfrau wird „mit Recht (...) von der Kirche in einem Kult eigener Art geehrt. Schon seit ältester Zeit wird die selige Jungfrau unter dem Titel der ‚Gottesgebärerin’ verehrt, unter deren Schutz die Gläubigen in allen Gefahren und Nöten bittend Zuflucht nehmen (...). Dieser Kult (...) ist zwar durchaus einzigartig, unterscheidet sich aber wesentlich vom Kult der Anbetung, der dem menschgewordenen Wort gleich wie dem Vater und dem Heiligen Geist dargebracht wird, und er fördert diesen gar sehr“ xiii. Die Marienverehrung findet ihren „Ausdruck in den der Gottesmutter gewidmeten liturgischen Festen (vgl. SC 103) und im marianischen Gebet – etwa im Rosenkranz“ (KKK, 971).

3. Vorausbilder und Prophezeiungen der Menschwerdung

Im vorhergehenden Thema haben wir gesehen, dass Gott nach dem Sündenfall unserer Stammeltern den Menschen nicht preisgegeben, sondern ihm einen Retter versprochen hat (vgl. Gen 3,15; KKK, 410).

Nach der Erbsünde und der Verheißung des Erlösers ergreift Gott selbst wieder die Initiative und schließt einen Bund mit den Menschen: mit Noach nach der Sintflut (vgl. Gen 9-10) und später mit Abraham (vgl. Gen 15-17), dem er eine zahllose Nachkommenschaft verspricht, die er zu einem großen machen Volk macht, dem er ein neues Land zuweisen wird und in dem einst alle Völker gesegnet werden sollen. Dieser Bund wurde dann mit Isaak (vgl. Gen 26,2-5) und mit Jakob erneuert (vgl. Gen 28,12-15; 35, 9-12). Der Bund findet im Alten Testament bei Mose (vgl. Ex 6, 2-8; Ex 19-34) seinen vollständigsten Ausdruck.

Ein wichtiges Ereignis in der Geschichte der Beziehungen Gottes zu Israel ist die Prophezeiung des Nathan (vgl. 2 Sam 7,7-15), dass der Messias aus dem Geschlecht Davids stammen und über alle Völker herrschen wird, nicht nur über Israel. In anderen prophetischen Texten heißt es vom Messias, er werde in Bethlehem geboren werden (vgl. Mi 5,1), zum Haus Davids gehören (vgl. Jes 11,1; Jer 23,5) und „Immanuel“ – Gott mit uns – genannt werden (vgl. Jes 7,14). Ferner heißt er „starker Gott, Vater in Ewigkeit, Fürst des Friedens“ ( Jes 9,5). Zusammen mit diesen Aussagen, die den Messias als König aus dem Haus Davids darstellen, gibt es andere, gleichfalls prophetische Texte, die sich auf die Erlösersendung des Messias beziehen, der als Knecht Jahwes erscheint, als Mann der Schmerzen, der in seinem Leib Versöhnung bewirken und Frieden stiften wird (vgl. Eph 2,14-18): Jes 42,1-7; 49,1-9; 50, 4-9; 52,13 – 53,12). In diesem Zusammenhang ist Dan 7,13-14 wichtig, wo vom Menschensohn die Rede ist, der in Demut und Erniedrigung geheimnisvoll mehr als ein Mensch zu sein scheint und das messianische Reich in seiner endgültigen Phase wiederherstellt (vgl. KKK, 440).

Die wichtigsten Vorausbilder des Erlösers sind im Alten Testament der unschuldige Abel, der Hohepriester Melchisedek, das Opfer Isaaks, der von seinen Brüdern verkaufte Josef, das Osterlamm, die von Moses in der Wüste erhöhte Schlange und der Prophet Jonas.

4. Die Namen Christi

Christus werden im Lauf der Jahrhunderte von Theologen und geistlichen Autoren viele Namen und Titel gegeben. Manche sind dem Alten Testament entnommen, andere stammen aus dem Neuen Testament. Einige verwendet Jesus selbst oder er akzeptiert sie; andere wurden im Lauf der Jahrhunderte von der Kirche gebraucht. Werfen wir einen Blick auf die wichtigsten und gebräuchlichsten dieser Namen:

Jesus (vgl. KKK, 430-435) bedeutet auf Hebräisch „Gott rettet“: „Bei der Verkündigung gibt der Engel Gabriel ihm den Namen Jesus, der besagt, wer er ist, und zugleich, wozu er gesandt ist“ (KKK, 430). Er ist der menschgewordene Sohn Gottes, der „sein Volk von seinen Sünden erlösen“ wird ( Mt 1,21). „Der Name Jesus besagt, dass der Name Gottes in der Person seines Sohnes zugegen ist (vgl. Apg 5,41; 3 Joh 7). Er wurde Mensch, um alle endgültig von den Sünden zu erlösen. Jesus ist der göttliche Name, der allein Heil bringt (vgl. Joh 3,18; Apg 2,21). Er kann nunmehr von allen angerufen werden, weil Gott sich durch die Fleischwerdung seines Sohnes mit allen Menschen so sehr vereint hat, dass ‚uns Menschen kein anderer Name unter dem Himmel gegeben ist, durch den wir gerettet werden sollen‘ (Apg 4,12)“ (KKK, 432). „Der Name Jesus ist das Herz des christlichen Betens“ (KKK, 435).

Christus (vgl. KKK, 436-440) leitet sich von der griechischen Übersetzung für den hebräischen Ausdruck „Messias“ her, was „Gesalbter“ bedeutet. Er wird zum Eigennamen Jesu, „weil Jesus die göttliche Sendung, die ‚Christus’ bedeutet, vollkommen erfüllt. In Israel wurden nämlich im Namen Gottes die Menschen gesalbt, die vom Herrn für eine erhaltene Sendung geweiht wurden“ (KKK, 436). Das war bei Priestern und Königen, ausnahmsweise auch bei Propheten der Fall. Das musste natürlich erst recht für den Messias gelten, den Gott zur endgültigen Errichtung seines Reiches senden würde. Jesus erfüllte in seiner dreifachen Funktion als Priester, Prophet und König die messianische Erwartung Israels (vgl. ebd.). „Jesus hat den Titel Messias, auf den er Anspruch hatte (vgl. Joh 4,25-26; 11,27), gelten lassen, aber nicht vorbehaltlos, denn dieser Titel war missverständlich, wurde er doch von einem Teil seiner Zeitgenossen allzumenschlich (vgl. Mt 22,41-46), im Grunde politisch (vgl. Joh 6,15; Lk 24,21) aufgefasst“ (KKK, 439).

Jesus Christus ist der Eingeborene Gottes, der einzige Sohn Gottes (vgl. KKK, 441-445). Die Sohnesbeziehung Jesu zu seinem Vater ist nicht die der Adoptivkindschaft (wie bei uns), sondern die der wirklichen, natürlichen Sohnschaft: „,Sohn Gottes’ besagt die einzigartige, ewige Beziehung Jesu Christi zu Gott, seinem Vater: Er ist der eingeborene Sohn des Vaters (vgl. Joh 1,14.18; 3,16.18), ja Gott selbst (vgl. Joh 1,1). Um Christ zu sein, muss man glauben, dass Jesus Christus der Sohn Gottes ist (vgl. Apg 8,37; 1 Joh 2,23)“ (KKK, 454). „Wie die Evangelien berichten, ertönte in zwei feierlichen Momenten, bei der Taufe und der Verklärung Christi, die Stimme des Vaters, der ihn als seinen ‚geliebten Sohn’ bezeichnete (vgl. Mt 3,17; 17,5). Jesus nennt sich Gottes ‚eingeborenen [einziggezeugten] Sohn’ ( Joh 3,16) und bekräftigt damit seine ewige Präexistenz“ (KKK, 444).

Herr (vgl. KKK, 446-451): „In der griechischen Übersetzung der Bücher des Alten Testamentes [LXX] wird der nicht auszusprechende Name JHWH, unter dem sich Gott offenbart hat (vgl. Ex 3,14), mit ‚Kyrios’ [Herr] wiedergegeben. ‚Herr’ wird somit zur gebräuchlichsten Bezeichnung für die Gottheit des Gottes Israels. In diesem strengen Sinn verwendet das Neue Testament den Titel ‚Herr’ für den Vater, aber auch zugleich – und das ist das Neue – für Jesus, der so als Gott selbst anerkannt wird (vgl. 1 Kor 2,8)“ (KKK, 446). Indem die ersten Glaubensbekenntnisse der Kirche von Anfang an Jesus den göttlichen Titel Herr zuschreiben (vgl. Apg 2,34-36) „sagen sie, dass die Macht, die Ehre und die Herrlichkeit, die Gott gebühren, auch Jesus zukommen (vgl. Röm 9,5; Tit 2,13; Offb 5,13), weil er ‚Gott gleich’ ist (Phil 2,6). Der Vater hat diese Herrscherwürde Jesu kundgetan, indem er ihn von den Toten auferweckte und in seine Herrlichkeit erhob (vgl. Röm 10,9; 1 Kor 12,3; Phil 2,9-11)“ (KKK, 449). Der Titel ‚Herr’ gibt dem liturgischen oder persönlichen christlichen Gebet sein Gepräge (vgl. KKK, 451).

5. Christus ist der einzige vollkommene Mittler zwischen Gott und den Menschen. Er ist Lehrer, Priester und König

„Jesus Christus ist wahrer Gott und wahrer Mensch in der Einheit seiner göttlichen Person; deshalb ist er der einzige Mittler zwischen Gott und den Menschen“ (KKK, 480). Die profundeste Aussage des Neuen Testaments über die Mittlerschaft Christi steht im ersten Brief an Timotheus: „Einer ist Gott, Einer auch Mittler zwischen Gott und den Menschen: der Mensch Christus Jesus, der sich als Lösegeld hingegeben hat für alle“ (1 Tim 2,5-6). Hier wird sowohl die Person des Mittlers als auch seine Mittlertätigkeit vorgestellt. Im Hebräerbrief erscheint Jesus Christus als der Mittler des Neuen Bundes (vgl. Hebr 8,6; 9,15; 12,24). Jesus Christus ist Mittler, weil er wahrer Gott und wahrer Mensch ist, aber er ist Mittler in seiner Menschheit und durch seine Menschheit. Diese Texte des Neuen Testaments stellen Christus als Propheten bzw. Offenbarer, als Hohenpriester und als Herrn der ganzen Schöpfung dar. Dabei handelt es sich nicht um drei unterschiedliche Aufgaben, sondern um drei verschiedene Aspekte der Erlöserfunktion des einzigen Mittlers.

Christus ist der im Deuteronomium angekündigte Prophet (18,18). Die Leute hielten Jesus für einen Propheten (vgl. Mt 16,14; Mk 6,14-16; Lk 24,19). Der Anfang des Hebräerbriefes ist in dieser Hinsicht paradigmatisch. Christus ist aber mehr als ein Prophet: Er ist der Meister, der aus eigener, bis dahin nie gekannter Autorität lehrt, was seine Zuhörer überrascht hat. Dieser überragende Charakter der Lehren Jesu beruht auf der Tatsache, dass er Gott und Mensch ist. Jesus lehrt nicht nur die Wahrheit, er ist selbst die Wahrheit, die im Fleisch erschienen ist. Christus, das ewige Wort des Vaters, „ist das vollkommene, unübertreffbare, eingeborene Wort des Vaters. In ihm sagt der Vater alles, und es wird kein anderes Wort geben als dieses“ (KKK, 65). Die Lehre Christi ist endgültig, auch in dem Sinn, dass mit ihr die an die Menschen ergangene geschichtliche Offenbarung Gottes ihre letzte Erfüllung gefunden hat.

Christus ist Priester. Die Mittlerschaft Jesu Christi ist eine priesterliche. Im Hebräerbrief, dessen Hauptthema das Priestertum Christi ist, wird Jesus Christus als der Hohepriester des Neuen Bundes vorgestellt, als „Hoherpriester nach der Ordnung Melchisedeks“ ( Hebr 5,10; 6,20), „einer, der heilig ist, unschuldig, makellos“ ( Hebr 7,26). „Durch ein einziges Opfer hat er die, die geheiligt werden, für immer zur Vollendung geführt“ ( Hebr 10,14), „nämlich durch das einmalige Opfer seines Kreuzes“ (KKK, 1544). Wie das Opfer Christi – sein Tod am Kreuz – einzigartig ist aufgrund der Einheit von Priester und Opfergabe (die unendlich wertvoll ist), so ist auch sein Priestertum einzigartig. Er ist die einzige Opfergabe und der einzige Priester. Die Opfer des Alten Bundes waren Vorausbilder des Opfers Christi und waren wertvoll durch ihre Hinordnung auf Christus. Am Priestertum Christi, das ein ewiges Priestertum ist, haben das Amtspriestertum und das Priestertum der Gläubigen Anteil, ohne zum Priestertum Christi hinzuzukommen oder es zu ersetzen (vgl. KKK, 1544-1547).

Christus ist König, nicht nur als Gott, sondern auch als Mensch. Die Souveränität Christi ist ein grundlegender Aspekt seiner Heilsmittlerschaft. Christus rettet, weil er die reale Macht dazu hat. Der Glaube der Kirche bestätigt das Königtum Christi. Wir bekennen im Credo, dass seines Reiches kein Ende sein wird, und wiederholen damit, was der Erzengel Gabriel zu Maria gesagt hat (vgl. Lk 1,32-33). Die Königswürde Christi wurde schon im Alten Testament vorausgesagt (vgl. Ps 2,6; Jes 7,6; 11,1-9; Dan 7,14). Christus freilich sprach wenig von seinem Königtum, weil unter den Juden seiner Zeit das messianische Königreich weitgehend in einem materiell-irdischen Sinn verstanden wurde. Er hat es aber in einem ganz entscheidenden Moment anerkannt, als er auf die Frage des Pilatus antwortete: „Du sagst es, ich bin ein König“ ( Joh 18,37). Das Königtum Christi ist nicht metaphorisch zu verstehen. Es ist real und beinhaltet die Macht, Gesetze zu erlassen und zu richten. Es beruht auf der Tatsache, dass er das fleischgewordene Wort und unser Erlöser ist xiv. Sein Reich ist ein geistiges und ewiges Reich, ein Reich der Heiligkeit und der Gerechtigkeit, der Liebe, der Wahrheit und des Friedens xv. „Christus übt sein Königtum dadurch aus, dass er alle Menschen durch seinen Tod und seine Auferstehung an sich zieht (vgl. Joh 12,32). Christus, der König und Herr des Weltalls, hat sich zum Diener aller gemacht, denn er ‚ist nicht gekommen, um sich dienen zu lassen, sondern um zu dienen und sein Leben hinzugeben als Lösegeld für viele’ ( Mt 20,28)“ (KKK, 786).

„Das ganze Volk Gottes hat an diesen drei Ämtern Christi teil und ist verantwortlich für die Sendung und den Dienst, die sich daraus ergeben“ (KKK, 783).

6. Das ganze Leben Christi hat erlösenden Wert

Was das Leben Christi betrifft „nennt das Glaubensbekenntnis nur die Mysterien der Menschwerdung (Empfängnis und Geburt) und des Pascha (Leiden, Kreuzigung, Tod, Begräbnis, Hinabstieg zu den Toten, Auferstehung, Himmelfahrt). Von den Mysterien des verborgenen und öffentlichen Lebens ist nicht ausdrücklich die Rede. Die Glaubensartikel aber, die die Menschwerdung und das Pascha Jesu betreffen, erhellen das ganze Erdenleben Christi“ (KKK, 512).

Das ganze Leben Christi wirkt erlösend, und jeder seiner menschlichen Akte hat transzendenten Heilswert. Selbst die einfachsten und scheinbar weniger bedeutungsvollen Handlungen Jesu sind eine wirksame Ausübung seiner Mittlerschaft zwischen Gott und den Menschen, handelt es sich doch stets um Akte des fleischgewordenen Wortes. Diese Lehre hat der heilige Josefmaria besonders tief erfasst und deshalb zeigen können, dass alle Wege der Erde göttliche Wege der Heiligung werden können: „Endlich kommt die Fülle der Zeit (...). Ein Kind wird in Bethlehem geboren. Es ist der Retter der Welt. Doch bevor es spricht, liebt es mit Werken. Es bringt keine Zauberformel mit, denn es weiß, dass die Erlösung, die es anbietet, sich nur in den Herzen der Menschen vollziehen kann. Zuerst geschieht nichts anderes als das Lachen und Weinen eines Kindes, der unschuldige Schlaf eines fleischgewordenen Gottes: dies alles, damit in uns die Liebe aufbricht und wir das Kind ohne Scheu in die Arme nehmen“ xvi.

Die Jahre des verborgenen Lebens Christi sind nicht bloß Vorbereitung auf sein öffentliches Wirken, sondern authentische, auf die Erfüllung des Paschamysteriums gerichtete Erlösungsakte. Die Tatsache, dass Jesus während des größten Teils seines Lebens die Bedingungen geteilt hat, unter denen weitaus die meisten Menschen leben, ist theologisch hoch bedeutsam: das tägliche Familien- und Arbeitsleben in Nazareth. So wird Nazareth zu einer Schule für das Leben der Familien und für die Arbeit xvii. Christus vollbringt unsere Erlösung schon während seiner vielen Jahre im Verborgenen und gibt damit der Alltagsarbeit des Christen und dem Leben von Millionen Menschen guten Willens in der Heilsgeschichte göttlichen Wert. „Indem Jesus wie einer von uns aufwächst und lebt, offenbart Er uns, dass das menschliche Dasein, das gewöhnliche und alltägliche Tun, göttlichen Sinn hat“ xviii.

José Antonio Riestra

Grundlegende Literatur:

Katechismus der katholischen Kirche, 484-570, 720-726 und 963-975.

Benedikt XVI./Joseph Ratzinger, Jesus von Nazareth, Freiburg – Basel – Wien 2006, Einleitung und Kapitel X.

i Hl. Augustinus, De Trinitate, 2,5,9; vgl. IV. Laterankonzil: DS 801.

ii Johannes Paul II., Enzyklika Redemptoris Mater, 25.3.1987, 8; Vgl. Pius IX., Bulle Ineffabilis Deus ; Pius XII., Apost. Konst. Munificentissimus Deus, 1.11.1950, DS 3900-3904; Paul VI., Ap. Schr. Marialis cultus , 25; CIC, 488.

iii Hl. Leo der Große, Brief Lectis dilectionis tuae , 13.6.449, DS 291-294.

iv Hl. Basilius, In Christi generationem, 5.

v II. Vatikanisches Konzil, Dogm. Konst. Lumen gentium, 59. Vgl. die Proklamation des Dogmas der leiblichen Aufnahme der seligen Jungfrau Maria in den Himmel durch Papst Pius XII. im Jahr 1950: DS 3903.

vi Vgl. Pius XII., Enzyklika Ad coeli reginam , 11.10.1954: AAS 46 (1954) 625-640.

vii Vgl. AAS 46 (1954) 662-666.

viii II. Vatikanisches Konzil, Dogm. Konst. Lumen gentium, 56.

ix Ebd., 61.

x Ebd., 62.

xi Vgl. AAS 56 (1964) 1015-1016.

xii Vgl. Paul VI., Ap. Schr. Marialis cultus , 56.

xiii II. Vatikanisches Konzil, Dogm. Konst. Lumen gentium, 66.

xiv Vgl. Pius XI., Enzyklika Quas primas, 11.11.1925, AS 17 (1925) 599.

xv Vgl. Römisches Messbuch, Präfation vom Christkönigssonntag.

xvi Hl. Josefmaria, Christus begegnen, 36.

xvii Vgl. Paul VI., Ansprache in Nazareth, 5.1.1964.

xviii Hl. Josefmaria, Christus begegnen, 14.