Im Rahmen der Reform der römischen Kurie bestimmte Papst Franziskus, dass die Personalprälaturen – und somit das Opus Dei – nicht mehr vom Dikasterium für die Bischöfe, sondern vom jenem für den Klerus abhängen. Die Entscheidung des Papstes hat zahlreiche Reaktionen hervorgerufen. Viele glaubten, darin eine Herabstufung oder gar «Abstrafung» des Opus Dei zu erkennen. Andere warnten vor einer Klerikalisierung des Opus Dei, das sich ja gerade für eine spezifische christliche Identität der Laien stark macht und selber zu 98 % aus Laien besteht. Der Prälat des Opus Dei, Fernando Ocáriz, gab hierzu dem spanischen Online-Medium «El Debate» ein aufschlussreiches Interview.
Was bleibt und was ändert sich derzeit am Opus Dei?
Prälat Ocáriz: Das Fundament des Opus Dei bildet ein Charisma, eine bedeutsame Botschaft über die Heiligkeit mitten in der Welt. Diese Wesensmitte hat sich nicht geändert: Sie ist der unveränderliche Kern, der ihm seinen Sinn gibt. Denn das Opus Dei existiert ja wie jede Institution überhaupt nur deswegen, weil es eine bestimmte Botschaft hochhalten und über die Zeiten hinweg verbreiten will. Zugleich sagte bereits der Gründer, der heilige Josefmaria, dass die Formen sich verändern können und müssen – immer im Bewusstsein, dass der spezifische Geist bewahrt werden muss. Im Lauf von hundert Jahren haben sich Gesellschaft und Kirche sehr stark gewandelt, und das Opus Dei ebenfalls, denn es ist ja Teil der Kirche und der Gesellschaft. Die Umwälzungen - etwa die Globalisierung, die Bedeutung der Frauen im öffentlichen Diskurs, die neuen familiären Dynamiken usw. - finden ihren Widerhall im Opus Dei als Institution und im realen Leben seiner Mitglieder. Um einer Mission treu zu bleiben, muss man fähig sein, sich zu verändern, indem man jede Veränderung vom Fundament her gestaltet.
In welcher Hinsicht betreffen die neuen päpstlichen Verfügungen das Opus Dei? Wirken sie sich auf den Alltag der Institution aus?
Das Rechtliche und das Vitale sind Bereiche, die miteinander verbunden sind und zugleich ihre Verschiedenheiten haben. Im Leben der Laien, die ihren normalen Tätigkeiten nachgehen, gibt es durch die neuen Verfügungen keine Änderung in der Art und Weise, wie sie die Berufung zum Opus Dei leben. Was das Opus Dei als Institution betrifft, so arbeiten wir mit dem Dikasterium für den Klerus zusammen, um die Anpassung der Statuten vorzunehmen, wie es der Heilige Vater im Motu proprio Ad charisma tuendum erbeten hat. Da wir uns noch im Studium dieser Anpassungen befinden, kann ich das Resultat nicht vorwegnehmen. Ich kann jedoch versichern, dass sich im Verlauf dieser Arbeiten ein Klima des Dialogs und des Vertrauens gebildet hat, wie es der Kirche als Familie Gottes eigen ist.
Wird nicht eine Institution der Kirche, deren Seinsgrund die Laien sind, klerikalisiert? Inwiefern können diese Maßnahmen das Ziel der Laien, inmitten der Welt heilig zu sein, in Frage stellen?
Die Botschaft des Opus Dei richtet sich hauptsächlich an die Laien, Männer und Frauen mitten im Leben, die von Anfang an die überwiegende Mehrheit und ihr Fundament bilden. So, wie man das Charisma nicht verabsolutieren sollte, so auch nicht das Recht. Deshalb ist das Opus Dei durch verschiedene institutionelle Lösungen hindurchgegangen, um schließlich die passendste Lösung zu finden. Sie garantiert einerseits den Schutz des Charismas und verleiht andererseits eine Rechtsform, die ihm einen Ort in der Kirche zuweist und sein Wesen widerspiegelt, ohne es einzuschnüren oder zu ersticken.
Wird das Opus Dei des 21. Jahrhunderts statt der Personalprälatur ein neues rechtliches Modell suchen, das sich besser an die neuen Formen christlichen Lebens anpasst?
Die rechtliche Gestalt der Personalprälatur passte sehr gut zum Geist des Opus Dei und zu seinen Apostolaten. Wie ich vorher erwähnte, befinden wir uns mitten im Dialog mit dem Heiligen Stuhl in Bezug auf die Anpassung der Statuten. Sie werden verstehen, dass es nicht klug wäre, mich auf ein mögliches juridisches Modell zu beziehen, bevor der Prozess, an dem wir seit fast zwei Jahren arbeiten, abgeschlossen ist. Die Elastizität des kanonischen Rechts kann dazu verhelfen, den Wunsch des Heiligen Stuhls und jenen des Werks, die Sendung der Kirche in einer sich verändernden Welt voranzutreiben, zu kombinieren, indem man passende Lösungen ohne institutionelle Brüche findet.
Das Opus Dei ist auf dem Weg zum hundertjährigen Jubiläum, und unter seinen Mitgliedern befinden sich Bischöfe und Erzbischöfe in der ganzen Welt. Wäre es nicht angemessen, dass auch der Prälat Bischof ist?
Wenn Sie mir eine direkte Bemerkung dazu erlauben, so ist zu berücksichtigen, dass die wenigen Bischöfe und Erzbischöfe in der Welt, die dem Opus Dei angehören, den eigenen Ortskirchen vorstehen und daher nur dem Papst verantwortlich sind; sie haben keinen anderen Vorgesetzten. Ich denke, die Tatsache, dass der selige Álvaro del Portillo und Msgr. Javier Echevarría die Bischofsweihe empfingen, sehr gut war, um die kirchliche Gemeinschaft in diesen Jahren von 1991 bis 2016 zu bekräftigen. Heute geht es darum, den Verfügungen des Heiligen Vaters treu zu folgen, statt sich dabei aufzuhalten, ob es mehr oder weniger passend sei.
Wieso hat ein Teil der kirchlichen Hierarchie das Opus Dei als eine Konkurrenzbewegung oder als eine Parallelkirche angesehen, wo doch die Gläubigen des Werks auch solche der Ortskirchen sind?
Im Allgemeinen nehme ich Wertschätzung von Seiten der Hierarchie und der Institutionen der Kirche wahr. Die Personen des Werkes sind sich bewusst, dass im selben Boot der Kirche, in dem sie sitzen, verschiedene Spiritualitäten und kirchliche Wahrnehmungen zusammenleben. Alle haben ihren Platz in diesem Boot, und jede einzelne bringt ihr von Gott empfangenes und von der kirchlichen Autorität bestätigtes Charisma ein. Ich würde vor allem die brüderliche Beziehung zwischen Institutionen und das Streben nach einer wahren kirchlichen Gemeinschaft hervorheben, in erster Linie mit dem Heiligen Vater. Wenn es Argwohn bezüglich einer Institution der Kirche gegeben hat, so liegt das vielleicht an den unvollkommenen menschlichen Beziehungen; diese sollten wir Tag für Tag auf schlichte Weise zu lösen versuchen. Manchmal stammen die Missverständnisse auch von einer verständlichen historischen Schwierigkeit, neuen Realitäten Raum zu geben, die etwas Neues mit sich bringen, was zuerst einmal überraschen kann. Ich denke aber, dass diese Ressentiments der Vergangenheit angehören.
Wie steht es heute mit der Entwicklung des Opus Dei in der Welt? Gibt es im Hinblick auf die Hundertjahr-Feier konkrete Expansionspläne? In welchen Ländern sind die Schwierigkeiten am größten?
Man kann sagen, dass die Entwicklung des Opus Dei wie jene der übrigen Kirche in der Welt abläuft. Es ist in den letzten Jahren insgesamt gewachsen; aber das bedeutet nicht, dass es überall oder auf dieselbe Weise wächst. Es wächst zum Beispiel in Ländern wie Nigeria, den USA oder Brasilien. In anderen Ländern, etwa in Europa oder Asien, ist die Arbeit schwieriger. Die äußeren Hindernisse haben manchmal ihre Ursache in der Säkularisierung des gesellschaftlichen Umfeldes, in Lebensstilen, die die Bildung stabiler Familien oder das Verständnis für den Zölibat und exklusive Berufungen zum Dienst oder zur Pflege erschweren. Es gibt auch Hindernisse, gegen die jeder in der Welt lebende Christ ankämpfen muss, so etwa die Gefahr der Verweltlichung. Da wo es keinen gesellschaftlich verbindenden Glauben an Gott gibt, ist eine besondere Wachheit des Herzens erforderlich, um mit den eigenen Verpflichtungen bezüglich der Familie und der Berufung kohärent zu sein.
In geographischer Sicht ist die kulturelle und religiöse Vielfalt sehr groß. Es ist nicht das Gleiche, eine christliche Berufung in Städten mit muslimischer Mehrheit wie Mombasa (Kenia) oder Surabaya (Indonesien) zu leben, oder aber in Lissabon oder Warschau. Die Mitglieder des Opus Dei, die an diesen Orten leben, wissen sehr wohl, dass sich die Saat der Evangelisierung über einen Horizont von Jahrzehnten erstreckt, so in China oder in Südkorea. In diesen Ländern ist aber bei allen Schwierigkeiten auch eine starke kirchliche Dynamik feststellbar, die sich in Bekehrungen, in Taufen von Jugendlichen und Erwachsenen usw. zeigt.
Andererseits befindet sich das Opus Dei seit einigen Jahren in einer Phase der geografischen Neustrukturierung, welche die Leitung und die apostolische Arbeit verbessern soll. Auf jeden Fall ist es Gott selbst, unabhängig von den Programmen und Neustrukturierungen, der sich in jeder Art von Gesellschaft den Weg bahnt, indem er das Herz der Menschen berührt, denn nur Er ist die Antwort auf die Sehnsüchte und Hoffnungen des Menschen.
Das Opus Dei war die erste katholische Organisation, die Nichtkatholiken als Mitarbeiter zuließ. Ist das in erster Linie ein Zeichen von Ökumene?
1950, als der heilige Josefmaria vom Heiligen Stuhl die Erlaubnis erhielt, im Opus Dei nicht-katholische Männer und Frauen als Mitarbeiter zuzulassen, war die ökumenische Bewegung schon ziemlich lange im Gang, sowohl in der katholischen Kirche als auch bei den übrigen christlichen Konfessionen. Sie war eine weitere Äußerung dieses natürlichen Impulses zur Einheit aller an Jesus Christus Glaubenden. Von da an hat es viele Früchte der Freundschaft und des Dialogs mit Menschen anderer Konfessionen gegeben.
Wie sollen sich die Christen angesichts der wachsenden politischen und sozialen Polarisierung in so vielen Teilen der Welt verhalten?
In Bezug auf das, was der persönlichen Meinungsbildung überlassen ist: mit viel Freiheit. Als Christen: mit Liebe und Verständnis – auch wenn das manchmal schwerfallen kann in aufgewühlten und polarisierten Umgebungen – und „immer als Säleute von Frieden und Freude“, wie der heilige Josefmaria zu sagen pflegte. Es ist wichtig, die Menschen zu mögen und ihnen mit Verständnis zu begegnen, auch wenn sie manchmal anders denken.
Spanisches Original in “El Debate”, 22. Juni 2024,